BDSL-Klassifikation: 04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte > 04.02.00 Studien
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Moses stirbt nicht nur an einer zentralen Stelle in der biblischen Geschichte - an der Schwelle zum Heiligen Land -, sein Tod strukturiert auch die biblische Überlieferung in besonderer Weise, indem er die ersten fünf Bücher der Bibel - in christlicher Terminologie: die mosaischen Bücher - von deren Rest unterscheidet und damit dem biblischen Korpus eine wichtige Struktur vorgibt. Eine genauere Lektüre dieser Szene kann dabei zeigen, dass Moses' Tod nicht nur auf exemplarische Weise jene Grenzziehung zwischen Leben und Tod konfiguriert, sondern auch die Frage aufwirft, wie die Grenze von Tod und Leben eigentlich erzählt werden kann. Denn diese Frage ist nicht erst in der Moderne mit dem Problem konfrontiert, dass man jene Grenze nicht einfach narrativ überschreiten kann und dass der Tod ein Aussetzen der Narration zu implizieren scheint. Auch innerhalb der religiösen Tradition kann - aus ganz anderen Gründen - der Tod nicht einfach als ein Ereignis innerhalb eines linearen Zusammenhangs erzählt werden, sondern es bedarf komplexer narrativer Verfahren, durch die dann auch die Übergangszone von Tod und Leben kulturell besonders aufgeladen wird. Um das zu zeigen, wird im Folgenden nach einem (1.) Rekurs auf Sigmund Freuds Frage nach dem Nachleben Moses’ und dem eigenartigen Ausfall von Moses’ Tod darin (2.) die Erzählung dieses Todes in Deuteronomium 34 und ihre Deutung in der Tradition, d.h. in den Midraschim und bei den Kirchenvätern diskutiert, (3.) die religionsgeschichtliche Frage nach der Kultur des Lebens und des Todes im biblischen Israel berührt und (4.) die narrative Funktion des Todes im Kontext des Deuteronomium und der Exoduserzählung sowie (5.) die damit verbundene mediale Reflexion über Schrift und Wort als Medium untersucht, bevor abschließend (6.) noch einmal kurz auf die Freud’sche Frage nach dem Nachleben eingegangen wird.
Das "Vatertag"-Kapitel in Günter Grass Roman "Der Butt" ist das Ergebnis jahrelanger Reflexion des Autors und zahlreicher Konzeptionsänderungen: Am Ende wurde daraus eine Tragödie in Novellengestalt, eine Tragödie sowohl stofflich als auch formal. Sie setzt einerseits die aristotelischen Poetik in Prosa um und realisiert einen Alptraum ins Tribadische transponierter Männlichkeitsrituale, an deren Ende ein Mord steht, der an Brutalität mit den gewalttätigsten attischen Mythenstoffen, vor allem mit Euripides' Bakchen, konkurrieren kann. Die Perversität der rauschhaften sexuellen Exzesse verschärft Grass, indem er sie auf Himmelfahrt, den als Vollendung der Erlösung strahlendsten Tag im christlichen Jahresfestkreis, verlegt und auf diese Weise einen schrillen Kontrast herstellt zwischen der Vergewaltigung und dem barbarischen Zerfleischen einer Frau durch eine dionysische Horde alkoholisierter Black Angels auf der einen Seite und der Auffahrt der vom Tode auferstandenen Lichtgottheit gen Himmel auf der anderen Seite, einer Vergeistigung der Kultur, die im Sinne der Bachofen'schen "Vaterreligion" alles Irdische, Stoffliche, Geschlechtliche unter sich lässt. Nachdem Grass Bachofens Konstruktion der Entwicklung des Patriarchats aus der Gynaikokratie im ersten Kapitel des Butt geradezu systematisch in Erzählung umgesetzt hat, kehrt er im achten zu Bachofens Kulturstufenfolge zurück, allerdings ohne dessen optimistischen Glauben an den Menschheitsfortschritt zu teilen – im Gegenteil.
"Aber ein Sturm weht vom Paradiese her", schreibt Walter Benjamin bekanntlich in seinen geschichtsphilosophischen Thesen, "während der Trümmerhaufen [...] zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm." Bei Zola heißt dieser Fortschritts-Sturm "Windstoß des Jahrhunderts, der den bröckligen Bau der alten Zeiten" davonbläst. Aus welchen Bestandteilen ist 'dieser' Windstoß, der vom "Paradies der Damen" her weht, zusammengesetzt? Anders gefragt: Wie konnte es Octave Mouret gelingen, innerhalb kürzester Zeit ein "millionenreicher Modehändler", zum "Bahnbrecher des neuen Handelswesens" zu werden? Genau davon handeln die 513 Seiten des Romans.
Schleppen und Schleifen
(2015)
Schleppen und Schleifen sind einander etymologisch verwandt. Seit dem 13. Jahrhundert soll die Ähnlichkeit von Schleppen und Schleifen bereits in der Deutschordensdichtung belegt sein; das Grimm'sche 'Wörterbuch' notiert, dass "die identität von schleppen und schleifen" um 1430 erkannt und erstmals in Wörterbüchern erfasst wurde. Nun sind Schleppen und Schleifen nicht nur Verben für den mehr oder weniger identischen Vorgang, etwas unter Mühe langsam, schwerfällig und mit großem Kraftaufwand am Boden entlang zu ziehen, sondern auch Pluralformen von Substantiven. Die Schleppe und die Schleife bezeichnen dabei geradezu das Gegenteil der verbalen Bedeutung: Anders als die Verben 'schleppen' und 'schleifen' sind sie nicht mit Mühe, Last und Erschöpfung konnotiert, sondern stehen vielmehr für Luxus und Verschwendung - für die unendliche Leichtigkeit des Seins.