BDSL-Klassifikation: 04.00.00 Allgemeine Literaturgeschichte > 04.02.00 Studien
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Zu den stupenden Erscheinungen der Naturwissenschaften heute gehört es, daß sie – wie durch Fieberanfälle – an ihren verschiedenen Fronten immer wieder von der Antike heimgesucht werden. Vermutlich überrascht dies weniger Philosophen als die Naturwissenschaftler selbst, die seit Galilei sich im Bewußtsein ihrer Überlegenheit von antiken naturphilosophischen Traditionen abgekehrt haben. Unterdessen gehört es fast zum Rhythmus wissenschaftlicher Reformen, daß diese im Namen des Alten erfolgen. Infolge der überbordenden Destruktionspotentiale moderner Technik wird die regeneratio der Wissenschaft allzu oft als conservatio der noch eben faßbaren Reste verlorener Traditionen gesucht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Karriere der Gaia-Hypothese, die seit ihrer Kreation durch den Biosphären-Forscher James Lovelock (1979) und die Mikrobiologin Lynn Margulis (1986) in den USA einen ebenso umstrittenen wie unwiderstehlichen Aufschwung genommen hat. ...
Im folgenden wird nicht ein Versuch zur Geschichte männlicher Masken unternommen, ebenso wenig wie eine religionswissenschaftliche oder ethnologische Analyse des Maskengebrauchs und seiner gender-Ordnung. Im Kern geht es vielmehr um den denkwürdigen Punkt, dass an der Nahtstelle zwischen Mythos und Aufklärung in der griechischen Antike eine Neukartierung des Männlichen und Weiblichen im Feld des Generativen vorgenommen wird. Die späten Nachfahren dieser männlichen Machtergreifung, um die es im zweiten Teil geht, entwickeln Figuren des Sexuellen, worin das Generative radikal ausgeschlossen und das Begehren zum Schauplatz eines nur noch in sich selbst kreisenden Maskenspiels wird – jenseits jeder Reproduktionslogik. Man könnte die These wagen: die 'Männer' besetzen die mythische Generativität, doch generieren sie nichts mehr außer sich selbst. Vielleicht ist die ungeheure Kreativität, die in der europäischen Moderne (heute besonders auf dem Feld der 'Reproduktion des Lebens') entfesselt wird, nichts als eine Maske, die diese innere Unfruchtbarkeit überdeckt. Nach einer Abklärung des Maskerade-Konzepts, wie es hier verwendet wird, werden in einem ersten Kapitel mythische Beispiele gezeigt, in welchen die mythische Produktivität des Weiblichen (die Magna Mater) dem symbolischen Regime von Herren-Göttern unterstellt wird. Diese Umcodierung wird die abendländische, nämlich männliche Auffassung von Sexualität und Reproduktion nachhaltig prägen. Sie hat ihren Preis. Er wird, im zweiten Teil, errechenbar an den legendären Figuren des männlichen Sex – Casanova, Don Juan, Sade, 'Walter' und Sacher-Masoch –, welche die "Masken des Begehrens" (Ariès / Béjin) in der Moderne bestimmt haben. Im Mittelpunkt steht dabei Sacher-Masoch, der das masochistische Begehren, das den scheinbaren Kontrapunkt zur männlichen Selbstermächtigung darstellt, aus einer Vielzahl mythischer, literarischer und bildkünstlerischer Figurationen des übermachtig Weiblichen und des demütigen, gar geopferten Männlichen synthetisiert.