BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.07.00 Ästhetik
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Das 18. Jahrhundert ist in vielen Belangen der Kunst und des Wissens weniger modern als gemeinhin angenommen. Trotz aller Unterschiede zwischen den verschiedenen Phasen der Aufklärung und der Romantik basieren Sprach- und Bildkonzepte, Körper- und Subjektvorstellungen sowie Wissens- und Kunstfragen noch auf einem metaphysisch, moralisch und auf Ganzheit gerichteten Natur- und Wirklichkeitsbegriff. Für die Künste bedeutet das weiterhin eine enge Verschränkung mit Wissens- und Erkenntnissystemen im Sinne der klassischen 'artes'- und 'techne'-Komplexe. Kunst und Literatur stehen daher weitgehend im Kontext mit und in direkter Abhängigkeit von den Wissenschaften und den angewandten artes. Sie gelten noch lange als lehr- und erlernbar. Das bedingt auch, dass Ordnungsverhältnisse der Künste und Fragen der funktionalen, medialen und gattungsbezogenen Vergleichbarkeit, Legitimierung und Abgrenzung sowohl innerhalb des Kunstsystems als auch gegenüber anderen Diskursen verhandelt werden müssen. Diese Prozesse der Verschiebung und Verständigung, Abgrenzung und Zusammenführung von künstlerischen und nicht-künstlerischen Diskursen tragen die Künste.
Wie die Gesichter der Menschen, die in früheren Epochen gelebt haben, ausgesehen haben, wissen wir nicht. Wir haben keine Ahnung, welche Gesichtszüge sie hatten. Uns ist unbekannt, mit welcher Miene sie ihre Zeitgenossen angeschaut haben, wie ihr Lächeln, ihre Trauer, ihre Angst oder ihr Zorn ausgesehen haben mögen. Und wir wissen nicht, ob wir das Antlitz der früher lebenden Menschen als schön und angenehm empfänden oder uns lieber abwenden würden. Wir kennen ihre Züge nur durch bildliche Darstellungen: von Skulpturen, aus deren ebenmäßigen Gesichtern uns die steinernen Augenhöhlen wie blind anschauen, von den Abdrücken der Grabmasken mit ihren toten Blicken, denen immer etwas Fremdes oder Geheimnisvolles anhaftet, oder aus der Malerei, aus deren Geschichte die Gattung des Porträts hervorgegangen ist. In ihm verdichtet sich die Idee vom getreuen Abbild einer Person mit individuellen Gesichtszügen, so dass es zum Modell und Ideal des Bildnisses geworden ist: das Porträt als ähnliches Abbild eines lebenden Urbildes, in dem dessen Gesicht als gleichsam natürlicher Ausdruck des Charakters eingefangen ist. Doch bildet das Porträt nicht nur das Ideal von Gesichtsdarstellungen, es ist auch deren Sonderfall. Sowohl die Gesichter, die uns aus der Zeit vor dem Zeitalter der Porträts überliefert sind, als auch die medialen Gesichter und die Dekonstruktionen in der Kunst der Moderne machen deutlich, dass uns Gesichter überwiegend in Gestalt von Artefakten vertraut sind. Das Bild vom Menschen basiert nicht unwesentlich auf der Geschichte von Bildnissen.