BDSL-Klassifikation: 13.00.00 Goethezeit > 13.13.00 Stoffe. Motive. Themen
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Im Buch "Arthur Schopenhauer als Interpret des Götheʼschen Faust" (Leipzig 1859) erhebt David Asher den ersten Teil des Dramas zum Prüfstein der Schopenhauer’schen Philosophie. Zugleich aber sieht er den "überwiegenden philosophischen Charakter" der Dichtung nicht der idealen Dialektik Hegels, sondern dem voluntativen Irrationalismus dessen Antipoden Schopenhauer entwachsen. Diese Einsicht kam einem Paradigmenwechsel gleich, bedenkt man, dass der Gedankenaustausch zwischen Schopenhauer und Goethe mit einem pseudoödipalen Fiasko endete.
Die Vereinigung von Orient und Okzident, wie sie dem späten Goethe im Umkreis des West-östlichen Divans vorschwebte, steht als passender Wahlspruch über Katharina Mommsens Buch, das zahlreiche Schriften der Verfasserin zu Goethe im 'Dialog mit den Weltkulturen' versammelt. Der Band vereint Vorträge und Aufsätze der Autorin, die das Thema der interkulturellen, nationenübergreifenden Schriftstellertätigkeit Goethes aus verschiedenen Blickwinkeln differenziert und detailgenau beleuchten. Diese grenzüberschreitende, transkulturelle Bewegung durchzieht Katharina Mommsens wissenschaftliche Studien zu Goethe als ein roter Faden, so wie die fremdkulturelle Neugier und das Interesse an der anderen Kultur auch für Goethe eine lebensbegleitende Orientierung und aus seinem Oeuvre nicht wegzudenkende Perspektive darstellen. Eine der wichtigsten Zielsetzungen bildet dabei der konstruktive verbindende Dialogcharakter der kulturellen Begegnung, der Konflikte und Divergenzen zugleich sichtbar werden lässt und in einer höheren Synthese vermittelt: "Goethe gab dafür das allerbeste Beispiel im West-östlichen Divan, wo Repräsentanten von Islam, Judentum, Christentum und zoroastrischer Naturreligion auftreten und freundschaftliche Dialoge in Gang gesetzt werden, in deren Verlauf alle Ost-West-Polaritäten zu höherer Einheit verschmelzen" (S.79) Seit ihrem wegweisenden Buch über "Goethe und die arabische Welt" aus dem Jahre 1988 ist die Autorin als eine der besten Kennerinnen von Goethes Beziehung zur orientalischen Kultur und Dichtung sowie zum Islam international hervorgetreten. Das vorliegende Buch erweitert nun diesen Radius systematisch um weitere fruchtbare Perspektiven, die Goethes Aufgeschlossenheit gegenüber fremden Kulturen und sein stetiges Streben nach interkultureller Kommunikation eindringlich dokumentieren.
Goethes Faust kann im doppelten Sinne als "Drama der Verzeitlichung" gelesen werden: Das Werk problematisiert den in ästhetischer wie außerästhetischer Hinsicht dramatischen Wandel der kulturellen Anschauungsformen vom Raum zur Zeit, von der Naturalisierung der Geschichte bis zur Historisierung der Natur. Diese Feststellung, die im folgenden konkretisiert werden soll, gründet sich auf die Beobachtung einer bemerkenswerten Korrelation. In der über sechzigjährigen Entstehungsgeschichte des Faust hat Goethe es vermocht, den jeweils aktuellen Stand seiner Auseinandersetzung mit den Akzentverschiebungen und Umwälzungen im naturgeschichtlichen Denken seiner Zeit dramaturgisch zu verarbeiten, ohne das früher Gestaltete durch das später Hinzugekommene zu ersetzen. ...