BDSL-Klassifikation: 05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte > 05.11.00 Stoffe. Motive. Themen
Refine
Year of publication
- 2014 (4) (remove)
Document Type
- Article (4) (remove)
Language
- German (3)
- Portuguese (1)
Has Fulltext
- yes (4)
Keywords
- Alben (1)
- Broch, Hermann (1)
- Der Mann ohne Eigenschaften (1)
- Der Zauberberg (1)
- Deutsch (1)
- Deutsche Literatur (1)
- Die Schlafwandler (1)
- Ecocriticism (1)
- Erlkönig (1)
- Goethe, Johann Wolfgang von (1)
Die großen Dichter der Römer haben in der abendländischen - und nicht zuletzt in der deutschen - Literatur des 20. Jahrhunderts ein äußerst produktives Nachleben genossen. In seinem 'Tod des Vergil' (1945) befasst sich Hermann Broch einfühlsam mit Leben und Werk des Dichters der Äneis. In Christoph Ransmayrs 'Die letzte Welt' (1988) tritt Ovid als Person nie in Erscheinung, aber die Forschungen des Romanhelden enthüllen das problematische Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit im Leben Ovids während seines Exils im fernen Tomis und in den Erzählungen seiner Metamorphosen. Günter Grass' Roman örtlich betäubt (1969) bietet unter anderem eine einsichtsvolle Analyse der Bedeutung Senecas als Seismograph für jeweils drei Generationen von Deutschen der Bundesrepublik. Und Lukrez?
Titus Lucretius Carus (circa 94-54 v.Chr.), der in der Geschichte der lateinischen Literatur als epischer Dichter neben, ja manchmal sogar über Vergil gestellt wird und vor allem als wichtigster Befürworter des Epikureismus im Rom des ersten Jahrhunderts v.Chr. galt, spielt in der Literatur des 20. Jahrhunderts kaum noch eine Rolle. Wenn auch die atomistischen und vermeintlich antireligiösen Lehren seines 'De Rerum Natura' während des christlichen Mittelalters abgelehnt wurden, schätzten ihn sogar seine Gegner als einen großen Sprachkünstler. Nach seiner Wiederentdeckung in der Renaissance wurde er zunehmend als Philosoph und Naturwissenschaftler geschätzt. Aber nachdem sein Einfluss im 19. Jahrhundert bei vielen Dichtern noch hochstand, wurde sein Name danach immer seltener erwähnt. Seit der wichtigen Vortragsreihe George Santayanas über Lucretius, Dante und Goethe - Three Philosophical Poets (1910) - haben sich zwar immer wieder akademische Philosophen mit seinem Denken befasst; aber die einzige ausführliche Studie über Lukrez und die Moderne kann nur wenige literarische Beispiele heranziehen: neben den Italienern Italo Calvino und Primo Levi und dem Österreicher Raoul Schrott, die im Vorübergehen erwähnt werden, werden nur einige anglo-amerikanische Dichter zitiert, die sich aber nie ausführlich mit Lukrez oder seinem Werk beschäftigen. In einer wichtigen deutschen Forschung zur Antikerezeption wird nach Goethe nur noch Heinrich Mann erwähnt, in dessen Roman 'Die Vollendung des Königs Henri Quatre' (1938) Zitate aus mehreren lateinischen Dichtern, einschließlich Lukrez, vorkommen.
Warum dieses Schweigen?
Als Weltautor ist der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe mit seinen Werken "Werther" und "Faust" unumstritten ein weit beliebter und prominenter Autor des 18. Jh.s. Ein ebenso beliebtes Werk des Autors ist die Ballade vom "Erlkönig", eine typisch lyrische Gattung der deutschen Dichtung der Romantik. Dass es sich hierbei nicht um ein rein zum Tanzen gesungenes Lied handelt, sondern vielmehr eine in sich geschlossene Welt von Symbolen dargestellt wird, ist bereits dem Titel zu entnehmen.
Begriff, Bedeutung und Funktion der Figuration "Erlkönig" stehen so als Thema und Fragestellung im Mittelpunkt der Diskussion des Beitrags. Handelt es sich bei dem benannten Begriff und Titeltext um eine Inspiration Goethes aufgrund einer missverstandenen Übersetzung Herders? Oder ist unter dieser Begrifflichkeit doch ein Geisterwesen, gar ein König der Geister zu verstehen, was wiederum die Bedeutungsvielfalt und die Symbolwelt des Volkstümlich-Mythologischen als Grundwissen voraussetzt. In diesem Sinne kommt der gesamte Bedeutungskomplex des Textes dem türkischen Volksglauben vom Alkarısı (wörtlich "Rote Frau") einerseits und Karabasan (wörtlich "Schwarz-Druck") andererseits nahe, zumal der Text mit dem tragischen Schicksal des fiebernden und halluzinierenden Kindes ein Ende nimmt.
Ziel des Beitrages ist so die Aufdeckung der verschlüsselten Botschaften des Textes; Symbole, kulturelle Werte und Handlungsmuster der Textstruktur sollen im Rahmen der volkskundlich-kritischen Textanalyse unter Einbeziehung der Hermeneutik anhand von Fallbeispielen der deutschen und türkischen Volksdichtung herausgearbeitet werden.
Einen kleinen Ausschnitt der literarisch-künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Weltkrieg möchte ich im Folgenden verfolgen, indem ich nachzeichne, wie sich der Erste Weltkriegs in drei Romane einschreibt, die man mit guten Argumenten als zentrale Texte der deutschsprachigen Literatur der Zwischenkriegszeit betrachten kann, sowohl thematisch als auch ästhetisch und programmatisch.