BDSL-Klassifikation: 05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte > 05.11.00 Stoffe. Motive. Themen
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Ursprünglich meinte ‚Formen’ in erster Linie die Medien der Aneignung – Literatur und Film, bildende Kunst und Musik-, bzw. die gesellschaftlichen Institutionen von Wissenschaft und Schule, Museum und Ausstellung. (...) In dem Maße, die Literaturwissenschaft aufgehört hat, das literarische Werk isoliert zu betrachten, ist ein legitimes Interesse auch der Literaturhistoriker an der Rezeption nicht-literarischer Themen und Formen ebenso gegeben wie an den nicht-literarischen Rezeptionsmedien.
(…) [Volker Mertens] beschäftigt (…) die Frage, ob (…) [man] in Siegfried tatsächlich einen (…) „Helden im Nirgendwo“ sehen k[ann], der hinter und über dem Merowinger Sigibert von Austrasien steht, der i.J. 575 ermordet wurde im Rahmen politischer Machtkämpfe und blutiger Familienzwistigkeiten –oder auch einem burgundischen Spross ähnlichen Namens. „Hat Siegfried gelebt?“ (…) Im Jahre 2000 lautet die Antwort: Helden leben in der Erzählung.
Die Wiederentdeckung in der Mitte des 18. Jahrhunderts und die zunächst höchst bescheidenen Wirkungsgeschichte vollziehen sich in einer europäisch bestimmten heldenepischen Arena, deren Koordinaten von Vergil und dann Homer einerseits und den nordischen Dichtern mit dem Paradigma Ossian andererseits gebildet werden.(...) [Volker Mertens bezieht sich] auf das 18. Jahrhundert. (...) [Er zeichnet] die Entwicklung des epischen Feldes in Bezug auf das ‚Nibelungenlied’ nach und entwickel[t] am Schluss Perspektiven auf den mittelhochdeutschen Text in der epischen Arena um 1200.
In seinen Ausgaben der Altdeutschen Predigten (...) hatte A.E. Schönbach mehrmals (...) einen Untersuchungsband angekündigt; obwohl er bei Edition des 3. Bandes als für die vorliegenden Texte fertig bezeichnet wird, ist er nie erschienen.(...) Die folgenden Studien (...) wollen aus dem umfangreichen Programm Schönbachs (...) zur Hauptsache nur Fragen der Überlieferung behandeln und eine weitergehende Aufschlüsselung der Vorgeschichte der Leipziger Sammlung bieten, als sie A. Linsenmayer in seiner ‚Geschichte der Predigt in Deutschland’ (...) gegeben hat.
Ausgangspunkt (...) [der] Überlegungen ist die Beobachtung, daß der Münchner Hofmaler Ulrich Füetrer in seinem ‚Buch der Abenteuer’ aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts diese Erzähltechnik verwendet, die bisher vor allem am ‚Nibelungenlied’ beobachtet worden ist. Schon im Jahre 1953 hat Hugo Kuhn von der ‚Szenenregie’ in der ‚Nibelungendichtung’ gesprochen und damit ein Stichwort aufgegriffen, das von Andreas Heusler stammt. (...) Er sieht die Gebärde der Mündlichkeit zugeordnet, ihre Kontextualisierung in der Szene hingegen als Kompensationsversuch der Schriftlichkeit, wo die verlorene oder gefährdete räumliche Verortung, die durch die Situativität des mündlichen Vortrags gegeben sei, sozusagen ausformuliert wird im schriftlich konzipierten Text. Das ist ein Vorgang, den wir ähnlich in der Minnelyrik beobachten können, etwa einhundert Jahre nach dem ‚Nibelungenlied’ bei Johannes Hadloub.
Schon Ingeborg Bachmanns eigene Konzeption rechtfertigt die Assoziationen mit Lulu nicht, viel weniger noch die literarische Entfaltung des Themas von der Meerfrau, der Mahrte, und ihrer Verbindung mit einem Sterblichen vom 12. bis zum 20. Jahrhundert. Nur die ‚Unkenntnis der Werke’ erlaubt beispielsweise die Projektion der Geschlechterproblematik unserer Zeit auf die Melusinen und Undinen, zu der wir so schnell bereit sind, weil ‚das Leuchten’ ihrer Namen und dazu verführt. (...) [Volker Mertens betrachtet] die Erzählungen von der Mahrtenehe strukturell als Thematisierung einer Differenz zweier Welten und als Integration- und Harmonisierungsversuch, der scheitern oder auch gelingen kann. Die beiden Welten sind durch komplementäre Defizite und Überschüsse gekennzeichnet, die einander kompensieren können.
Daß die Einheit eines erzählerischen oder dramatischen Textes nicht nur in der durchgehenden Handlung, in seiner Fabel oder, Aristotelisch gesagt, im "Mythos" verankert ist, sondern mindestens ebensosehr von den vielfachen Querverweisen motivischer oder metaphorischer Art getragen wird, dürfte einleuchtend sein. So sind es gerade die Wiederholungen, Verkehrungen und Verschiebungen von Motiven, die die Teile eines Dramas, eines Romans, einer Erzählung entgegen der einsinnigen Richtung von Spiel-, Lese- und Erzählzeit miteinander verknüpfen und in "wiederholten Spiegelungen" des Anfangs im Ende, des Endes im Anfang usf. eine Konfiguration1 entstehen lassen, die aus dem Fluß des Erzählens allererst einen "Text" im etymologischen Sinne, als Gewebe, Geflecht, Gefüge macht. In den "Wahlverwandtschaften" hat Goethe den Aufbau des Ganzen durch das Ineinander der Teile im Bild des "roten Fadens" bezeichnet, den man aus den Tauen der englischen Flotte "nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen". Dennoch kommt dem Anfang eines Textes besondere Bedeutung zu. Gerade wenn der Text als Konfiguration ein "Ganzes" ausmacht, das sich mithin nach seiner artistischen Seite von der empirischen Umwelt unterscheidet, indem es selbst eine "Welt" bildet, übernimmt der Anfang die Funktion einer Grenze, an der die empirische und die artistisch organisierte Welt aufeinandertreffen [...] Eine Untersuchung der Motivik des Anfangs könnte wechselseitig die verschiedenen Motive und die Struktur der Texte aufklären. Die ersteren, insofern sich im Vergleich sowohl der unterschiedlichen Verwendungsweise eines einzigen wie auch verschiedener Motive an exponierter Stelle ihre inneren Möglichkeiten aufschließen; die letzteren insofern, als die mikrologische Untersuchung des Textbeginns Licht auf das Ganze werfen kann. Im folgenden werden daher zwei Motive auf ihre Verwendungsweise am Textbeginn hin untersucht: der Musenanruf am Beispiel Homers und der Wald bei Dante, Wieland, Tieck, Stifter und Eichendorff.