BDSL-Klassifikation: 05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte > 05.11.00 Stoffe. Motive. Themen
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Bereits ein kursorischer Überblick über die Publizistik der letzten zwei Jahrzehnte lässt keinen Zweifel aufkommen: Das öffentliche Interesse an der Religion wächst. Und so streitbar die gesellschaftliche Gesamtdiagnose einer 'Wiederkehr der Religion' auch sein mag, so offenkundig ist die Wiederentdeckung der Religion im wissenschaftlichen Diskurs, in dem zahlreiche Beiträge von Autoren wie Gianni Vattimo, Jacques Derrida, Jürgen Habermas, Richard Rorty, Charles Taylor oder Hilary Putnam beredtes Zeugnis vom jüngsten Aufstieg des Religiösen zu einem der prominentesten Themen theoretischer Debatten ablegen. Diese Konjunktur hat inzwischen auch die Literaturwissenschaft erreicht, in der Kult und Opfer, religiöse Sprache und sakrale Praktiken, Märtyrer, Heilige und Propheten wieder zu wichtigen Themen geworden sind, die nicht zuletzt durch die ihnen zugeschriebene 'Andersheit' gegenüber dem Normalbetrieb der Wissenschaft Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Damit rückt auch ein Gegenstand ins Zentrum des Interesses, der nun gar nicht fremd, neu oder anders ist, sondern eher als paradigmatischer Gegenstand literaturwissenschaftlicher Forschung erscheint: die Bibel, ihre Übersetzung, Rezeption, Kritik und ihr Gebrauch, ihre Stellung in der Textkultur der Gegenwart und Vergangenheit, ihre vielfältigen Beziehungen zu literarischen Texten. Offensichtlich handelt es sich um einen Phänomenbereich, der ins Zentrum literaturwissenschaftlicher Problemstellungen reicht, und zwar in historischer nicht weniger als in systematischer Hinsicht. Schließlich hat sich die Literatur in Europa unter ständigem Bezug auf und in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit der Bibel als 'Buch der Bücher' und 'Heiliger Schrift' herausgebildet, hat diese als Vorbild und Orientierung, als Instrument zur Autorisierung des eigenen Geltungsanspruchs, als Buch gewordene Konkurrentin und als Vorläufermodell der Dichtung gleichermaßen in Gebrauch genommen. Und ohne Zahl sind die stofflichen, motivischen, thematischen, stilistischen und kompositorischen Referenzen literarischer Texte auf die Bibel, die dabei im selben Maße als kultureller Wissensspeicher wie als ästhetisches, religiöses und gesellschaftliches Reflexionsmedium sichtbar wird.
Dass gerade das 16. und 17. Jahrhundert in der abendländischen Trinkkultur eine Zeit außerordentlich hohen Alkoholkonsums waren, ist hinlänglich bekannt. Die Berichte über große, oft tagelange Trinkgelage sind Legion und die „Tischzuchten“ des 15. und 16. Jahrhunderts wissen vom Zutrinken, vom Bescheid Geben, vom Weiterreichen des Bechers detaillierte Einzelheiten der Trinksitten zu berichten. Das Trinken mit einer Hand galt lange noch als verpönt, aber die Regularien waren oft recht kompliziert – Festgelage waren vom Willkommensgruß über die zahlreichen auszusprechenden Toasts an adeligen Tafeln ebenso wie in Zunftstuben häufig strengen Normen unterworfen, während die ländliche Kirmes ebenfalls den exzessiven Alkoholgenuss, aber weniger strenge Regeln kannte. Auch häusliche Feste und Wirtshausbesuche endeten nicht selten im Vollrausch der Beteiligten. Und der Verlauf derartiger Szenarien nahm bei dem hohen Alkoholkonsum oft bizarre Formen an – das Trinken bis
zur Trunkenheit, ja Bewusstlosigkeit war in allen sozialen Schichten und auch bei beiden Geschlechtern zu finden. Doch die Stimmen zur Mäßigung waren nicht erst seit Erasmus von
Rotterdam und mit den Reformatoren immer lauter geworden. Der Siegeszug der großen Ernüchterer Kaffee, Tee und Schokolade, der die Trinkkultur revolutionieren sollte, hatte aber erst zaghaft begonnen. Dass im 17. Jahrhundert, einer Zeit des noch immer sehr hohen Alkoholkonsums, eine so elegante und hohe Konzentration erfordernde Handgeste wie die hier in Frage stehende verbreitet gewesen sein soll, überrascht denn doch und ist einer näheren Betrachtung wert. Da nur dieser spezielle Aspekt interessiert, werden keine ausführlichen Bildbeschreibungen und Gesamtinterpretationen geboten. Die Erforschung der Gesten und Gebärden und der Körpersprache in der Frühen Neuzeit hat in den letzten zwei Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. War schon mit Norbert Elias der Übergang vom „unordentlichen Leib“ zum zivilisierten und disziplinierten „geordneten Körper“ in zahlreichen Einzelheiten zu beobachten und mit Mary Douglas der Körper und die Körpersprache als Symbol für soziale Beziehungen zu interpretieren, so ist das Feld der nonverbalen Kommunikation inzwischen reich bestellt.
[Dem] Wechsel vom Erhabenen ins Komisch-Lächerliche ist eine Komik unzugänglich, die im Innersten des Erhabenen hervorbricht und dazu korrespondierend ein Erhabenes, das durch und durch komisch durchtränkt ist. Umso mehr mag erstaunen, dass eine spekulative Ästhetik der Hochromantik, nämlich Karl Wilhelm Ferdinand Solgers "Erwin" und ein oft aus der Sicht der Entwicklung zur Moderne eher randständiger Lyriker - Eduard Mörike - diese moderne Erfahrung des Erhabenen als Komisches und des Komischen als Erhabenes auf je eigentümliche und doch korrespondierende Weise theoretisch und lyrisch erfasst haben.
(…) [Volker Mertens] beschäftigt (…) die Frage, ob (…) [man] in Siegfried tatsächlich einen (…) „Helden im Nirgendwo“ sehen k[ann], der hinter und über dem Merowinger Sigibert von Austrasien steht, der i.J. 575 ermordet wurde im Rahmen politischer Machtkämpfe und blutiger Familienzwistigkeiten –oder auch einem burgundischen Spross ähnlichen Namens. „Hat Siegfried gelebt?“ (…) Im Jahre 2000 lautet die Antwort: Helden leben in der Erzählung.
Die Erzählung vom Labyrinth präsentierte sich als eine lineare Verfallsgeschichte vom 'ursprünglich und eigentlich' einwegigen Labyrinth zum Irrgarten, wie sie Eco noch mit seiner dreistufigen Fortschrittsgeschichte bestätigt und fortschreibt. Die Lektüren in den [...] Abschnitten haben aber gezeigt, daß die erste oder 'eigentliche' Labyrinthform durchaus schon jenes Netz oder Rhizom gewesen ist, die Eco schließlich als dritte Stufe [...] anführt; das 'Rhizom-Labyrinth läßt vieldimensional vernetzt die Anordnung von Zentrum und Peripherie zurück; es hat keinen Ausgang.
Die Wiederentdeckung in der Mitte des 18. Jahrhunderts und die zunächst höchst bescheidenen Wirkungsgeschichte vollziehen sich in einer europäisch bestimmten heldenepischen Arena, deren Koordinaten von Vergil und dann Homer einerseits und den nordischen Dichtern mit dem Paradigma Ossian andererseits gebildet werden.(...) [Volker Mertens bezieht sich] auf das 18. Jahrhundert. (...) [Er zeichnet] die Entwicklung des epischen Feldes in Bezug auf das ‚Nibelungenlied’ nach und entwickel[t] am Schluss Perspektiven auf den mittelhochdeutschen Text in der epischen Arena um 1200.
"Tell me where is fancie bred, / or in the heart or in the head." (III,2) Diese Elementarfrage des Kaufmanns von Venedig hat schon die Antike beschäftigt: Der griechische Arzt Alkmaion von Kroton lokalisierte im 6. Jahrhundert v. Chr. die Sinneswahrnehmungen, Gedächtnis und Vernunft im Gehirn, für andere war das Herz Zentralorgan der Gedanken oder das Zwerchfell. Wenn am Beginn des 21. Jahrhunderts das Gehirn als Prozessor aller unserer Verhaltensleistungen gilt, so scheint sich das Problem ein für alle Mal erledigt zu haben. "Wir gehen heute davon aus", schreibt Wolf Singer, "daß alle unsere Verhaltensleistungen, die höchsten kognitiven Funktionen und mentalen Prozesse eingeschlossen, auf neuronalen, also materiellen Prozessen in unseren Gehirnen beruhen." Glaube, Wille, Vorstellung, alles ehemals Innere des Ich, ist auf das Gesamtorgan des Gehirns verteilt.
Es ist üblich, die drei Autoren Marie von Ebner-Eschenbach, Ferdinand von Saat und Jakob Julius David, die (ähnlich wie der Jubilar) mit dem mährischen Land verbunden sind, zusammen zu denken und zu behandeln; man spricht gelegentlich sogar vom "mährischen literarischen Triumvirat". Für die Olmützer "Arbeitsstelle für mährische deutschsprachige Literatur" sind die drei genannten Dichter die "Vorzeigeautoren", deren anerkannt großes Werk dem tatsächlichen - oder nur virtuellen - Ansturm der Anzweiflungen der Methoden und des Sinnes der Regionalforschung standhält, wenn aus dem Lager der "großen", der "Weltliteratur"-Geschichte gefragt wird: Ist die Gefahr nicht zu groß, mit dem Objekt und den Methoden der Regionalforschung immer bloß auf Mittelmäßiges, Geringes, künslerisch Schwaches zu stoßen, sich im Fahrwasser der Trivialität, der bloßen Gebrauchsliteratur zu bewegen?
Ausgangspunkt (...) [der] Überlegungen ist die Beobachtung, daß der Münchner Hofmaler Ulrich Füetrer in seinem ‚Buch der Abenteuer’ aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts diese Erzähltechnik verwendet, die bisher vor allem am ‚Nibelungenlied’ beobachtet worden ist. Schon im Jahre 1953 hat Hugo Kuhn von der ‚Szenenregie’ in der ‚Nibelungendichtung’ gesprochen und damit ein Stichwort aufgegriffen, das von Andreas Heusler stammt. (...) Er sieht die Gebärde der Mündlichkeit zugeordnet, ihre Kontextualisierung in der Szene hingegen als Kompensationsversuch der Schriftlichkeit, wo die verlorene oder gefährdete räumliche Verortung, die durch die Situativität des mündlichen Vortrags gegeben sei, sozusagen ausformuliert wird im schriftlich konzipierten Text. Das ist ein Vorgang, den wir ähnlich in der Minnelyrik beobachten können, etwa einhundert Jahre nach dem ‚Nibelungenlied’ bei Johannes Hadloub.