BDSL-Klassifikation: 12.00.00 18. Jahrhundert > 12.13.00 Zu einzelnen Autoren
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Um 1750 gelangt die ethopoetische Funktion des Stils in den Fokus verschiedener Autoren, welche die Kategorie in Rhetorik, Poetik und Ästhetik neu vermessen. Johann Christoph Gottscheds Rhetorik weiß den Stil als Übung zu nutzen, um Empfinden und Denken der Schüler zu trainieren. Der Charakter der Schüler resultiert somit aus einem Ausbildungsprogramm, das vom Spracherwerb bis zum Verfassen von Reden reicht. Johann Jacob Breitinger erläutert in seiner Poetik, wie die Sprache auf einer semiotischen Ebene auf verschiedene Arten Kraft ausübt, um das Gemüt zu bewegen und damit sinnliche Erkenntnisse zu generieren. Stil als Übung und Stil als Darstellungsverfahren vereint Alexander Gottlieb Baumgarten in seiner Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis, die sowohl eine Vervollkommnung des sinnlichen Erkennens anstrebt als auch die Verfahren beleuchtet, die für die Darstellung der sinnlichen Erkenntnis verantwortlich sind.
Der Begriff des 'körnigen Stils' steht in der Sprach- und Literaturkritik des 18. Jahrhunderts für eine kurze und gehaltvolle, oft auch als 'nachdrücklich' beschriebene Schreibart. Im Literaturstreit zwischen Johann Christoph Gottsched und den 'Schweizern' erlangte er zugleich programmatische und polemische Bedeutung. Im Zentrum des Aufsatzes steht die für das 'Körnige' konstitutive Konstellation von Kürze, Kraft und Konkretion. Ausgehend von Theodor W. Adornos stilsoziologischer Beobachtung, dass der lakonische Stil in Briefen des 18. Jahrhunderts Ausdruck bürgerlicher Notdurft sei, zeige ich an Texten von Johann Christoph Adelung, Johann Jacob Breitinger, Gottfried Wilhelm Leibniz und Johann Gottfried Herder, dass das Stilideal des Körnigen im 18. Jahrhundert mit dem Streben nach einer Erneuerung und Bereicherung der deutschen Schriftsprache einherging. Zum Kapital, aus dem diese neue Sprache sich speisen sollte, gehörte das ausdifferenzierte Vokabular des Handwerks und des Handels. Der zeitgenössischen Theorie zufolge stellte der körnige Stil also weniger die Notdurft als den Reichtum und die Sprachmächtigkeit des Bürgertums zur Schau.
Um 1750 zeichnet sich eine grundlegende Verschiebung in der Funktion des Stilbegriffes ab, die sowohl die Theorie als auch die Praxis literarischen Schreibens veränderte. Während sich das an der frühaufklärerischen Erkenntnistheorie orientierte Ideal der ersten Jahrhunderthälfte als analytischer Stil beschreiben lässt, zielt die Dichtungstheorie und -praxis in der zweiten Jahrhunderthälfte auf einen synthetischen Stil, der sich im poetischen Text als "übersummatives Ganzes" (Ulf Abraham) manifestiert; die poetische Absicht wird durch diesen Stil in einem korrelativen Verhältnis von Text und Einbildungskraft verwirklicht. In einer vergleichenden, den historischen Kontext einbeziehenden Analyse zweier Gedichte von Barthold Heinrich Brockes und Friedrich Gottlieb Klopstock wird nachgewiesen, dass sich das Verständnis von Stil von einer Art Verdoppelung des Erkenntnisprozesses (Brockes) zu einer kognitiven Funktion (Klopstock) hin verschiebt.
Für die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde ein umfassender Wandel im Bereich des Stilverständnisses konstatiert, das ab 1750 von zwei gegensätzlichen Stilbegriffen geprägt ist: einem traditionell rhetorischen einerseits und einem sich neu etablierenden Individualstil andererseits. Der Beitrag versucht, mit einem Schlaglicht auf das Frühwerk Johann Georg Hamanns ("Sokratische Denkwürdigkeiten" und "Wolken") diesen für das Verständnis der stilgeschichtlichen Umbrüche zentralen Autor im skizzierten Diskursfeld zu verorten. Ein näherer Blick auf Hamanns sokratische Schreibart erlaubt es, die geläufige Rollenzuschreibung, die in Hamann vor allem einen Wegbereiter des Individualstils erkennt, zu problematisieren und ein Paradox herauszuarbeiten: Die Entwicklung zum Individualstil beginnt im Falle von Hamanns ironisch verstellter Maskenrede mit einer radikalen Depotenzierung der Autorinstanz.
In seinem Frühwerk "Über die neuere deutsche Literatur" arbeitet der junge Johann Gottfried Herder an der Herausbildung einer neuen Prosa. Durch kommentiertes Zitieren aus den "Briefen, die neueste Literatur betreffend" entwirft er das Ideal einer 'biegsamen' und 'behaglichen' ungebundenen Schreibweise, die sich ganz wesentlich in Stilversuchen manifestiert - in beschriebenen, kritisierten und zitierten sowie denjenigen des Verfassers selbst.
Am Nachdruck, wie er bei Johann Christoph Gottsched, Johann Jacob Bodmer, Johann Jacob Breitinger, Johann Georg Sulzer und Johann Gottfried Herder diskutiert wird, lässt sich exemplarisch beobachten, wie eine Gruppe von rhetorischen Verfahren zur Kennzeichnung von nationalen Kollektivstilen ausgebaut wird. Eine wichtige Voraussetzung für die Ausweitung des Nachdrucks von einer Stilfigur zu einem 'nachdrücklichen Stil', so die hier verfolgte These, ist der über physikalische Leitvorstellungen von Druck, Stoß und Wurf geleistete metaphorische Anschluss an ästhetische Kraftvorstellungen.
Der Beitrag sucht Georg Christoph Lichtenbergs Position im Sprachdenken der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu bestimmen. Diese ist durch eine Kombination von anthropologischen und technisch-pragmatischen, sprachhandwerklichen Überlegungen zur "Wörterfertigung" geprägt, bei der Fragen von Lexik und Nomenklatur im Vordergrund stehen. Zu den Leitkriterien des guten Stils gehören Lichtenberg zufolge Wahrheit und Genauigkeit sowie Natürlichkeit und Individualisierung.
Das von der A und A Kulturstiftung in Auftrag gegebene Repertorium zum Briefwechsel von Elise Reimarus soll der Forschung neue Impulse zur Beschäftigung mit der Hamburger Aufklärerin geben. Es lenkt die Aufmerksamkeit auf eine weit verzweigte, bislang aber nur ausschnitthaft bekannte Korrespondenz. Die Verzeichnung soll zum einen den Umfang der Überlieferung kenntlich machen und einen Überblick über das Korrespondenznetzwerk geben, zum anderen die inhaltliche Auswertung der überlieferten Briefe durch Standort- und ggf. Veröffentlichungsangaben erleichtern.
Johann Christoph Gottsched hatte als Aufklärer ein zentrales Ziel: Die Bildung der Frau. Denn, wie Steffen Martus in seiner Studie zur Epoche der Aufklärung schreibt, "an Töchtern, Ehefrauen und Müttern erprobte man, wie sich die neue Weltweisheit mit einer neuen Lebenshaltung verbinden" lässt. Wenn der Mensch tatsächlich von Natur aus vernunftbegabt ist, und zwar unabhängig von Stand, Geschlecht und ethnischer Herkunft, dann muss man Frauen auch zu Gelehrten, Dichterinnen oder gar zu Doktorinnen erziehen können. So argumentierten viele Intellektuelle in der Zeit. [...] Wie aber verhielt sich die Programmatik der weiblichen Aufklärung zur sozialen Realität? Welche Chancen hatten gebildete und dichtende Frauen wirklich, gab es die Möglichkeit zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung? Oder handelt es sich letztlich nur um Männerphantasien, um leere Gedankengebäude von Akademikern, denen Frauen als intellektueller Spielball dienten? Ich denke, dass gerade die Rolle einer 'femme de lettre', einer gebildeten, selbstbewussten Frau in der Frühaufklärung in der Tat sehr ambivalent war: Man begegnet ihr mit Bewunderung, Anerkennung und Staunen – vom "Wunderthier" wie in einem Kuriositätenkabinett ist oft die Rede -, aber auch mit Misstrauen und Missgunst, Polemik und Sexismus. Diese Ambivalenz lässt sich am Beispiel einer Autorin besonders gut zeigen: Christiana Marianna von Ziegler - Verfasserin saftiger Satiren und sanfter Schäferlyrik, selbstbewusste Salonière und treusorgende Professorengattin, fromme Kantatendichterin und emanzipierte Aufklärungsfeministin.
This article analyses processes of collective and individual identity formation in European travel writing from the late eighteenth and the middle of the nineteenth century and argues that these processes are based not least on the national stereotypes described and performed in the texts. I explore how the genre-specific stylistic elements of multilingualism and intertextuality inform the performance of auto- and hetero-images and in doing so suggest converging travel writing studies and imagological studies. To illustrate my thesis, I analyse travelogues by Charles Dickens and Karl Philipp Moritz.