BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten
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In memoriam Erika Greber
(2012)
Am 31. Juli 2011 ist Erika Greber mit nur 58 Jahren gestorben. Sie, die von 2008 bis zu ihrem Tod Beisitzerin im Vorstand der DGAVL war, ist mit Leib und Seele Komparatistin gewesen: Transkulturelles, transmediales und transhistorisches Denken war für sie selbstverständlich und sie besaß sowohl den breiten Wissenshorizont als auch den kritisch-tiefgründigen Scharfsinn, die dafür nötig sind. Mit ihr verliert die deutsche Komparatistik eine der engagiertesten, originellsten und leidenschaftlichsten Wissenschaftlerinnen. Durch plötzliche schwere Krankheit mitten aus dem Leben gerissen, konnte sie enthusiastisch anvisierte künftige Forschungsprojekte, Tagungen und Publikationen leider nicht mehr realisieren - so dass auch diesbezüglich ein Verlust zu beklagen ist, dessen Ausmaß wir nur erahnen können.
Die leitende Prämisse der folgenden Überlegungen besteht auch in der These, dass Hegel mit dem Ende der Kunst eine Einsicht formuliert hat, die für die literarische Moderne konstitutiv ist. Mit der vordergründigen Wiedereinsetzung Hegels verbindet sich allerdings ein kritischer Einwand, der sich wiederum von Hölderlin her formulieren lässt. Wie die Auseinandersetzung mit Hegels Ästhetik deutlich macht, lässt die Verschränkung von Gattungspoetik und Geschichtsphilosophie, den Ort der modernen Literatur auf eigentümliche Weise unbestimmt. In dem Maße, in dem Hegels einseitiger Blick auf die seiner Meinung nach vorbildliche Kunst der Antike an der Eigengesetzlichkeit der Poesie in der Moderne vorbeigeht, erscheint Hölderlins Poetik als ein Korrektiv, das die negative These vom Ende der Kunst erst produktiv werden lässt. Das Ziel der folgenden Ausführungen liegt dementsprechend darin, ausgehend von der gattungspoetischen und geschichtsphilosophischen Bestimmung von Tragödie und Lyrik bei Hegel und Hölderlin einen Begriff der Poetik zur Geltung zu bringen, der die These vom Ende der Kunst ernst nimmt und es dennoch erlaubt, eine Poetik der Moderne zu entwickeln. Damit ist zugleich das methodische Vorgehen der Arbeit gekennzeichnet. In einem ersten Schritt geht es darum, Hegels These vom Ende der Kunst in einem kritischen Durchgang durch seine Ästhetik noch einmal eine bestimmte Plausibilität abzugewinnen. Die Diskussion der Verschränkung von Geschichtsphilosophie und Gattungspoetik, die Hegels Ästhetik auszeichnet, führt in einem zweiten Schritt zu einer kritischen Rekonstruktion seiner umstrittenen Lektüre der Sophokleischen "Antigone", die zugleich zu Hölderlins Poetik als einer Alternative zu Hegels Ästhetik überleitet, in deren Zentrum die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Recht steht.
Im Geleitwort zu Ralph Stöwers Bonner Dissertation von 2009 ‚Erich Rothacker. Sein Leben und seine Wissenschaft vom Menschen‘ erklärt der Psychologie-Historiker Georg Rudinger über den Stand der Rothacker-Forschung: "Was in Sachen Rothacker vor allem zu tun bleibt, ist eine intensivere Geschichte seiner Rezeption"; und er fügt folgende These hinzu: "Die Geschichte der Nichtrezeption ist hier ähnlich interessant wie die der Rezeption." Mein Beitrag greift diese zweite Aussage auf und zeigt erstens, inwiefern tatsächlich von einer Nichtrezeption Rothackers gesprochen werden kann, und zweitens, was diese Nichtrezeption über das deutsche theoretische Feld der unmittelbaren Nachkriegszeit und über die Position Rothackers innerhalb desselben offenbart.
Als Hans-Ulrich Gumbrecht vor einigen Jahren die Bemühungen um ein begriffsgeschichtliches Wörterbuchauf Rothackers Pläne in den 20er Jahren zurückführte, stellte er richtig fest, dass es Rothackers Ansehen zu verdanken war, dass ein solcher Plan "über die Schwelle des Zweiten Weltkriegs bewahrt wurde und dann entschlossene institutionell-finanzielle Unterstützung in der Wissenschaftsszene der jungen Bundesrepublik fand". Für Gumbrecht bestätigt dieser Einzelfall die allgemeine Charakterisierungder Geisteswissenschaften an den deutschen Universitäten während der fünfziger Jahre, die Jürgen Habermas gegeben hat: "Auf den Universitäten herrschte eine geistige Kontinuität, die durch die 30er Jahre hindurch bis weit in die Adenauerzeit hineinreichte". Gumbrecht urteilte in Bezug auf das Wörterbuchprojekt auf einer dünnen Basis: Von Rothackers Projekt war kaum mehr bekannt als seine Eisler Rezension von 1927 und seine Andeutungen im Geleitwort zum 1955 neu gegründeten Archiv für Begriffsgeschichte, das den Untertitel "Bausteine zu einem Historischen Wörterbuch der Philosophie" trägt. Gumbrecht und viele mit ihm nehmen das Historische Wörterbuch der Philosophie von Joachim Ritter, das sich ausdrücklich als "völlig neubearbeitete Ausgabe" von Eislers Wörterbuch ausweist, als Umsetzung des Rothackerschen Plans, und es gab kaum Veranlassungen, beides zu unterscheiden. Mittlerweile ist durch Archiverschließungen im Zusammenhang der Aufarbeitung der Begriffsgeschichte der 50er Jahre völlig klar, dass beide Projekte zunächst nichts miteinander zu tun haben: Es ist ein historischer Zufall, eine reine Koinzidenz, dass Ritter Ende der 50er Jahre, ohne Rothackers Wissen oder gar Mitwirkung, von einem Verlag zur Überarbeitung des Eisler gebeten wurde; Ritter wiederum war vorher von Rothacker überhaupt nicht in die Wiederaufnahme des Wörterbuchprojektes einbezogen worden. Will man also eine Kontinuität im begriffsgeschichtlichen Wörterbuchprojekt Rothackers herausstellen, muss man auf der einen Seite das HWPh Ritters ganz beiseitelassen. (Es wäre vielleicht wert, anhand der Rothackerschen frühen Pläne genauer herauszuarbeiten, worin sich ein realisiertes "ideales begriffsgeschichtliches Wörterbuch" von dem realen Ritters unterschieden hätte.) Auf der anderen Seite steht aber jetzt eine breitere, um nicht zu sagen erstmals fundierte Textbasis zur Verfügung, um Rothackers Projekt aus den 20er Jahren in seiner Intention genauer zu erfassen: Aus dem Rothacker-Archiv der ULB Bonn sind seine ausführlichen Darstellungen zum Plan eines begriffsgeschichtlichen Wörterbuchs publiziert, darunter auch sein Vortragsmanuskript zur Vorstellung des Projektes am Warburg-Institut und ein ausführlicher Brief dazu an Aby Warburg. Die neue Lage verschiebt das Gewicht: die reichhaltigen Skizzen und Ausführungen von 1927 zeigen ein weitaus ambitionierteres Projekt Rothackers als eine Bearbeitung des Eislerschen Wörterbuchs oder als der spätere pragmatische Rückzug auf die Bausteine des Archivs für Begriffsgeschichte vermuten lassen: Das begriffsgeschichtliche Wörterbuch zeigt sich als Kind der philosophischen Strömungen der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Das Nachkriegsprojekt Rothackers bleibt jedoch auf kurze Ankündigungen beschränkt und ist – außer in der Vorform der Materialsammlung – nie verwirklicht worden. Wenn wir nach der Kontinuität des Rothackerschen Projektes über den Bruch von Nationalsozialismus und Krieg hinweg fragen, dann bewegen wir uns ausschließlich auf der Ebene von Ideen, Plänen und Ankündigungen, die die Zeit der dreißiger und vierziger Jahre aussparen. Kontinuität ist hier also nicht die zwischen Nazi-Zeit und Adenauerzeit, wie im Habermas-Zitat gemeint, sondern ein scheinbar bruchloser Anschluss an die Weimarer Zeit mit der 'Lücke' zwischen 1929 und 1949. Diese 'Lücke' war in Bezug auf das begriffsgeschichtliche Projekt kontingent.
1958 schrieb Theodor W. Adorno:
Den Nimbus, der den Namen von Georg Lukács heute noch, [...] umgibt, verdankt er den Schriften seiner Jugend, dem Essay-Band 'Die Seele und die Formen', der 'Theorie des Romans', den Studien 'Geschichte und Klassenbewußtsein', in denen er als dialektischer Materialist die Kategorie der Verdinglichung erstmals auf die philosophische Problematik prinzipiell anwandte. Ursprünglich etwa von Simmel und Kassner angeregt, dann in der südwestdeutschen Schule gebildet, setzte Lukács bald dem psychologischen Subjektivismus eine objektivistische Geschichtsphilosophie entgegen, die bedeutenden Einfluß ausübte. Die 'Theorie des Romans' zumal hat durch Tiefe und Elan der Konzeption ebenso wie durch die nach damaligen Begriffen außerordentliche Dichte und Intensität seiner Darstellung einen Maßstab philosophischer Ästhetik aufgerichtet, der seitdem nicht wieder verloren ward. Als, schon in den frühen zwanziger Jahren, der Lukácssche Objektivismus sich, nicht ohne anfängliche Konflikte, der offiziellen kommunistischen Doktrin beugte, hat Lukács nach östlicher Sitte jene Schriften revoziert; hat die subalternsten Einwände der Parteihierarchie unter Mißbrauch Hegelscher Motive sich gegen sich selbst zu eigen gemacht und jahrzehntelang in Abhandlungen und Büchern sich bemüht, seine offenbar unverwüstliche Denkkraft dem trostlosen Niveau der sowjetischen Denkerei gleichzuschalten [...].
Wenn heute - über ein halbes Jahrhundert später - diese Zeilen wie eine unverändert gültige Charakterisierung des Philosophen und Literaturhistorikers anmuten, so nicht nur, da sich mit der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des realen Sozialismus in Ostmittel- und Osteuropa die politischen Rahmenverhältnisse, die Lukács' Arbeit in vielfacher Weise bestimmt hatten, aufgelöst haben. Schon deutlich früher war das Werk des ungarischen Intellektuellen ins Abseits des europäischen Gedächtnisses gedrängt worden.
Mit tiefer Trauer und großer Betroffenheit vernahmen wir die Nachricht über den Tod des Mitglieds der Redaktion unserer Zeitschrift Professor Ilpo Tapani Piirainen. Er ist am 26. August 2012 in Münster verstorben.
Ilpo Tapani Piirainen stammte aus Finnland, lebte und wirkte als Professor in Deutschland, seine dritte Heimat jedoch war ganz sicher die Slowakei, wo er den Forschungsschwerpunkt für sein ganzes Leben fand.
Zur Auffassung der Kategorien Zeit und Raum in Oswald Spenglers "Der Untergang des Abendlandes"
(2012)
Oswald Spenglers 'Der Untergang des Abendlandes' kommt mit apokalyptischem Donnern daher, der Grundton ist aber nicht unbedingt pessimistisch. Zwar wird der Glaube an eine Sinnverankerung von Weltgeschichte fallengelassen. Ohne jegliche teleologische Ladung, so Spengler, steigen die Zivilisationen aus dem "Zufall Leben", aus dem "Zufall Mensch", aus dem "Zufall Kultur" auf. Auch jene abendländische Kultur, die ihn so mächtig fasziniert und für deren Verteidigung er in den 20er Jahren im Lager der Nationalen Rechten politisch aktiv wird, ist für ihn ein letztlich folgenloses Phänomen, eine ephemere Gestaltung, die die kurze Spanne eines Jahrtausends zunächst kraftvoll emporwächst, dann unweigerlich langsam abstirbt. Gleichwohl folgert Spengler aus dem Fehlen von Fortschritt und Ziel keinesfalls, dass die Weltgeschichte eine belanglose Abfolge sich gleichgültig aneinanderreihender Begebenheiten sei. Auch wenn er kein Zielversprechen mit ihr verbindet, behält sie für ihn ein euphorisierendes Glänzen. Spengler suggeriert, man müsse nur von abstrakter Erkenntnis auf gefühlte Intuition umschalten, und schon wittere man in ihren Tiefen das Heranpulsen "kosmischer Flutungen".
Queste note su memoria e oblio prendono le mosse da due fenomeni noti, pur nella loro enigmaticità, e apparentemente opposti come il déjà-vu e il jamais-vu. Accade qualcosa e si ha l'impressione che si stia ripetendo un evento già vissuto, oppure ci si trova in un luogo praticato da anni e, a un certo punto, letteralmente, non lo si riconosce più, percependolo come nuovo ed estraneo. Si tratta di sentimenti che, pur facendo parte dell'esperienza più comune, conservano un alone di opacità. Sia nella "familiarità estranea" sia nella "estraneità familiare" si ha a che fare con uno spaesamento, una vertigine emotiva che sulle prime fa retroagire la nostra comprensione. In entrambi i casi lo stupore si accompagna all'inquietudine: la portata dirompente del nuovo strappa fuori dal riparo delle proprie certezze, dall'impalcatura delle proprie conoscenze. Sono i momenti di interferenza di livelli temporali diversi, in cui alla finitudine dell'evento vissuto si giustappone l'illimitata dimensione del ricordo. La simultaneità delle sfere contrapposte, il loro cortocircuitare e sovrapporsi, dà luogo a uno spaesamento, che talvolta assume un carattere demonico, perturbante (unheimlich), per dirla con Freud. Il senso dell'Unheimlichkeit fa tutt'uno con il sentimento di angoscia o di terrore che si genera nella conversione dell'opposto, quando il noto diventa fonte di terrore, quando il familiare si fa estraneo, o anche quando l'estraneo appare come familiare. Il ritorno del rimosso, sotto forma di paure o desideri inconfessabili, rinvia ai conflitti dell'infanzia e alle fase arcaiche della vita umana. In questo senso rappresenta una "promessa" che il presente non ha saputo esaudire, e che sopravvive in tutta la sua carica sovversiva.
Frage und Untertitel dieses Aufsatzes gehen auf eine Warnung zurück, die Sigmund Freud in der Schrift Zur Einführung des Narzissmus (1914) formuliert hat. Dort heißt es: "Die Ichidealbildung wird oft zum Schaden des Verständnisses mit der Triebsublimierung verwechselt." [...] Es liegt nahe, von hier aus Idealisierung fälschlich als eine Art Sublimierung aufzufassen, denn was ist erhabener, sublimer, als ein hohes Ideal? Bei Freud bezeichnet Sublimierung im Unterschied zur Idealisierung aber durchweg ein Verfahren, mit dem Trieb umzugehen, ihn umzulenken. Der Einsicht Freuds zufolge ist das Objekt "das variabelste am Triebe", und Sublimierung ist daher nicht der Versuch, den Trieb selbst zu 'veredeln' oder zu 'vergeistigen', sondern sie ist das Unternehmen, den Trieb auf andere, zunehmend nicht-sexuelle, 'höhere' Objekte zu richten. Dem hydraulischen Modell der Triebe zufolge gibt es 'Vergeistigung' oder eben: 'Idealisierung' der Triebe selbst nicht, die nach Freud allenfalls abflauen mit dem Verlust "feuriger Jugendkraft". So ist indirekt eine weitere Klärung erbracht: Da Freud Idealisierung und Sublimierung scharf voneinander sondert, wird auch aus dieser Perspektive klar, dass mit der Sublimierung nicht der Trieb verfeinert bzw. idealisiert wird, sondern Objekte ersetzt werden.