BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten
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"Hegels philosophische Entwicklung in seiner Jenaer Zeit bildet eine eigene Epoche innerhalb seines Denkens, die durch eine rapide Folge von einander ablösenden systematischen Entwürfen gekennzeichnet ist". Die Illustration eines kleinen Schrittes dieser Entwicklung soll in der vorliegenden Arbeit für die Philosophie des Geistes erfolgen. Es wird zuerst (I.) die Fassung von 1805/06 relativ ausführlich dargestellt, um anschließend (II.) in einem Vergleich mit der Geistphilosophie von 1803/04 die Motive anzudeuten, die zu ihrer veränderten Abfassung geführt haben dürften. Gegenstand der Arbeit sind so allein diese beiden Textgruppen. Die Miteinbeziehung weiterer Bezüge zu vorangehenden und nachfolgenden Werken Hegels sowie übergreifend Betrachtungen zum jeweiligen Systemganzen – denn die Geistphilosophie ist ja Teil eines Systems – muß aus Gründen der Umfangsbeschränkung unterbleiben.
Auftretende Redundanzen entspringen dem Bemühen um größtmögliche Klarheit, die sich der Schwierigkeit der infrage stehenden Texte nicht ohne Weiteres abgewinnen läßt.
"Oft sagte er aus dieser Stimmung heraus: Unser Gespräch mit Franzosen bleibt doch immer das Bankett des Fuchses mit dem Storch - ewiges Mißverständnis".
Die Quelle dieses von Hofmannsthal - laut Zeugnis von C. J. Burckhardt - häufig zitierten Vergleichs der Deutschen und Franzosen mit dem Verhältnis der beiden Tiere zueinander ist bekannt; es ist die Fabel La Fontaines: "Le Renard et la Cigogne", die ihrerseits auf Äsop und Phaedrus zurückgeht. Weniger bekannt ist dagegen, daß Hofmannsthal die Fabel nicht als erster auf die beiden Völker bezogen hat, sondern daß er den Vergleich bereits bei Madame de Staël und bei Goethe vorfinden konnte. Es ist reizvoll, die jeweiligen Ausführungen miteinander zu konfrontieren und an der unterschiedlichen Akzentuierung des Vergleichs nicht nur die kulturellen Positionen der Autoren abzulesen, sondern zugleich verschiedene Spielarten des Fremdverstehens kennenzulernen.
Neben der Bewertung des Romans als modern wider Willen durchzieht die Forschungsliteratur eine weitere communis opinio. Vischer habe sich beim Schreiben des Romans längst von den idealistischen Grundsätzen seines theoretischen Hauptwerkes, der siebenbändigen "Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen" (1846-1857), abgewandt, ohne doch den künstlerischen Neubeginn der sich bereits abzeichnenden literarischen Moderne recht wahrzunehmen. Der Roman sei Produkt und Ausdruck der ästhetischen Orientierungslosigkeit Vischers, dem die "lnsuffizienzen seiner eigenen Theoriebildung, systematisch-wissenschaftlicher Argumentation überhaupt" bewußt geworden seien. Gegen diese Auffassung soll hier gezeigt werden, daß der Roman sehr wohl mit Gewinn im Zusammenhang der "Ästhetik", insbesondere der dort entwickelten Ästhetik des Zufalls und des Komischen, verstanden werden kann, wenn man den deskriptiven Gehalt von Vischers Ausführungen bewahrt, sie aber ihres idealistischen Vokabulars entkleidet und mit Bezug auf neuere literaturwissenschaftliche Begriffe reformuliert. Der Roman weist ungeachtet sonstiger Schwächen eine durchgängige künstlerische Konzeption auf, in die seine heterogenen Bestandteile funktional eingebunden und in diesem Sinne ästhetisch gerechtfertigt werden können. "Auch Einer" ist keine krisenhafte Kompilation vorausweisender Verfahren, sondern Zeugnis einer eigenständigen, in sich geschlossenen künstlerischen Idee, die weitgehend mit Überlegungen der" Ästhetik" übereinstimmt. Diese Grundidee ist insbesondere an der Motivierung des Geschehens ablesbar. Sie gibt dem Roman heute noch Interesse.
Der Titel von Spenglers Bestseller, von dem innerhalb weniger Jahre weit über 100.000 Exemplare verkauft wurden, ist aber nicht nur sprichwörtlich geworden, sondern wurde noch vor Erscheinen des zweiten Bandes als Signum seiner Zeit gelesen. "Der Untergang des Abendlandes" bringt, so seine Zeitgenossen, die Zeitströmung auf den Punkt. Ein Grund dafür ist - auch wenn Spenglers Buch noch während des Krieges konzipiert und geschrieben wurde und Spengler zudem vom deutschen Sieg überzeugt war - der verlorene Weltkrieg.
Der Wirtschaftswissenschaftler Manfred Schroeter, der 1922 bereits eine Kritik von Spenglers Kritikern unternimmt - die so zahlreich sind, daß er sie in verschiedenen Gruppen referieren kann, die von der Ägyptologie über die Mathematik und Paläontologie bis hin zur Theologie und Philosophie reichen -, weist dem Buch den Rang eines bedeutenden kulturhistorischen und zeitdiagnostischen Dokuments zu.
Michael Georg Conrad, der Wegbereiter des Naturalismus in Deutschland, konstatiert 1891 in seinem Aufsatz "Die Sozialdemokratie und die Moderne" einen entscheidenden Wandel der Literatur der Gegenwart. Wird bei Zola noch die Persönlichkeit der Figuren durch das Milieu erklärt, ohne dabei ihren zentralen Status zu verlieren, so gilt dies für die neuere Literatur bereits nicht mehr. In ihr ist die Persönlichkeit verschwunden und auch die literarischen Beschreibungen haben sich bereits an der Technik der Momentphotographie orientiert:
Sie [die Persönlichkeit, B.S.] ist gleichwertig mit dem Milieu, und das Gespräch einer Person hat für den Schriftsteller nicht mehr Bedeutung wie das Knacken eines Stuhles. Notwendig kommt man auf diese Weise zur Technik der Momentfotografie. Ein Interesse haben nur noch die Wahrnehmungen, und Aufgabe des Künstlers wird es jetzt, die Wahrnehmungen der Momente möglichst vollständig zu Papier zu bringen. Was früher behagliche, zusammenhängende Erzählung, Schilderung, Auseinandersetzung, Darlegung war, das verwandelt sich jetzt in eine Reihe unzusammenhängender, blitzartig aufgefasster, nervöser Szenen.
Vier Aspekte legen für Conrad den Vergleich der Literatur mit der Momentphotographie nahe: die Gleichwertigkeit der Erscheinungen bzw. der Gegenstände, die Orientierung der Literatur an der sinnlichen Wahrnehmung, der Versuch einer Vollständigkeit der Beschreibung und schließlich die Ersetzung der "Tableaux vivants" durch eine Folge von Einzelbildern. Alle diese Aspekte nehmen entscheidende Punkte der Auseinandersetzung mit der Photographie im 19. Jahrhundert auf, ohne aber die ansonsten zugleich formulierte Gegenposition der Literatur einzunehmen. Michael Georg Conrad ist einer der ersten Schriftsteller und Theoretiker, der konsequent eine Umwertung der Photographiekritik vornimmt und ihre Zuschreibungen auf die Literatur überträgt.
Mit den Brüdern Grimm [etablierte sich] zusehends eine ernstzunehmende Konkurrenz für den marktbeherrschenden von der Hagen [...] "Ganz allein regieren’" [...], die Vorherrschaft im neuentstehenden Fach zu gewinnen bzw. zu behaupten, danach trachtete indes nicht nur von der Hagen, danach trachteten auch die Brüder Grimm [...]. Der von ihnen beim Eintritt in die gelehrte Welt eingeschlagene Weg ging - nicht zuletzt wegen der verschiedenen Ausgangsbedingungen - allerdings in eine völlig andere Richtung als bei von der Hagen; ihr Ansatzpunkt war die Kritik und ihr Mittel die Polemik. [...] Die Geschichte dieses "Kriegs" ist zwar nur kurz, aber außerordentlich verwirrend, da nicht nur die Grimms und von der Hagen, sondern noch weitere Parteien mit jeweils eigenen Interessen involviert waren und das Streitgeschehen durch eine nicht immer ganz durchschaubare Stafette von Intrigen, Zurechtdeutungen, Halb- und Unwahrheiten sowie der durchaus gängigen Praxis der Verschleierung und des heimlichen Vorbehalts begleitet wurde.[D]er Eddastreit, auf den sich in der Folge die Charakterisierung dieses umfassenderen Wissenschaftskriegs konzentrieren soll, [ist] nur eine von mehreren Frontsetzungen im Wissenschaftskrieg zwischen den Grimms und von der Hagen.
Merkwürdig muten Hofmannsthals Worte den heutigen Leser an, der in Anbetracht der jüngsten Jahrhundertwende über die vorhergegangene liest:
Welch ein Erlebnis aber auch, dieses neunzehnte Jahrhundert, so wie der deutsche Geist es durchzumachen hatte, [...] bis endlich in diesem ganzen scheingeistigen Bereich die Luft unatembar wurde, bis endlich aus diesem Pandämonium von Ideen, die nach Lebenslenkung gierten - als ob es lebenslenkende Ideen geben könnte - , er sich losrang, unser suchender deutscher Geist, bewährt mit dieser einen Erleuchtung: daß ohne geglaubte Ganzheit zu leben unmöglich ist - daß im halben Glauben kein Leben ist, daß dem Leben entfliehen, wie die Romantik wähnte, unmöglich ist: daß das Leben lebbar nur wird durch gültige Bindungen.
Dem 19. Jahrhundert entkommen zu sein, ist in Hofmannsthals berühmt-berüchtigter Rede "Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation " gleichbedeutend mit einem Ausbruch aus erstickender Enge zu neuem Leben. Das endlich überwundene Säkulum war für ihn charakterisiert durch komplementäre Fehlentwicklungen. Der "scheingeistige Bereich" eines philiströs auftrumpfenden Bildungskanons auf der einen Seite und auf der anderen das "Pandämonium" eines abgehobenen Wissenschaftsidealismus hatten die Ansprüche der Lebenswirklichkeit zunehmend verdrängt - zum einen durch topische "Verengung des Raumes", zum anderen durch romantische "Vergeudung des Raumes".
Herauszufinden, aus welchen verborgenen Quellen sich das Denken und Schreiben eines Autors speist, hat die Literaturwissenschaft stets gereizt. Das gilt für die positivistische Einflussforschung wie für deren methodisch versiertere Neuauflage, die Intertextualitätsforschung. Auch bei der vorliegenden Studie meint man es auf den ersten Blick mit einer Arbeit zu tun zu haben, die dieser in die Kritik geratenen Forschungstradition zuzurechnen ist. "Der frühe Walter Benjamin und Hermann Cohen" - schon der Titel des Buches unterscheidet sich kaum von anderen, beliebigen Überschriften wie "Walter Benjamin und Bertolt Brecht", "Walter Benjamin und Ludwig Klages" oder "Benjamin und Karl Kraus". Und blättert man im Inhaltsverzeichnis herum, so setzt diese Tendenz sich fort, denn dort erfährt man, dass das Buch ausgiebig über Benjamin und Felix Noeggerath, Benjamin und Stefan George, Benjamin und Ludwig Strauß sowie Benjamin und Gustav Wynecken informieren wird. (Auszug aus Rezension in literaturkritik.de)
Die Vorgeschichte von "Des Minnesangs Frühling" als einem Gemeinschaftswerk von Karl Lachmann und Moritz Haupt reicht in den Herbst 1934 zurück. Im Oktober dieses Jahres trafen Haupt und Lachmann das erste Mal im Hause von Karl Hartwig Gregor von Meusebach [...] zusammen. [...] Ein Ergebnis der überlieferungshistorisch orientierten Debatte der letzten Jahre liegt, wenn ich richtig sehe, in der Einsicht, daß eine so gut wie ausschließlich auf formale und ästhetische Urteile gegründete Philologie zu sehr diachrone, entwicklungsgeschichtliche Gesichtspunkte favorisiert. [...]) Eine Ausgabe von "Des Minnesangs Frühling", die sich [...] stärker von der Tradition verabschieden, als dies schon durch die Neubearbeitung geschehen ist, müßte [...] wohl ohne die namenlosen Lieder auskommen.
Der Sonderstatus der Literatur im engeren Sinne oder eben der Texte des traditionellen Kanons ist gewissermaßen das Mitbringsel, mit dem die Mediävistik sich an der kulturwissenschaftlichen Love-Parade beteiligen kann. Sie hat in dieser Veranstaltung mit anderen Disziplinen nicht in erster Linie darüber zu berichten, wie es im 13. Jahrhundert tatsächlich war (also die von ihr verwaltete Sachliteratur einzubringen), sondern darüber, wie literarische Bilder des Hoch- und Spätmittelalters organisiert sind, welche Handlungs- und Empfindungsmöglichkeiten den literarischen Figuren dieser Epoche zukommen können, welche diskursiven Redeordnungen sie erproben, welche Formen der Memoria entwickelt werden. Die möglichen Antworten dürften allenfalls (...) in vermittelter Form zu kulturwissenschaftlichen Fragen passen. Es wäre niemandem damit gedient, wenn die Literaturwissenschaft diese Vermittlungsleistung von sich wiese, jede fachliche Ausdifferenzierung ausblendete und ihr Wissen vom Sonderstatus des Subsystems ‚Literatur’ und ihre an diesem Wissen ausgerichteten Methoden aufgäbe.
Rezension zu Zoran Konstantinović: Grundlagentexte der Vergleichenden Literaturwissenschaft aus drei Jahrzehnten. Arbeiten von Zoran Konstantinović. Ausgewählt u. hg. zu seinem 80. Geburtstag von Beate Burtscher-Bechter u.a. Innsbruck (Studienverlag) 2000. (Comparanda; 1). 445 Seiten.
Um Theorie und Methodologie der Vergleichenden Literaturwissenschaft sowie um die Literaturgeschichte Mittel- und Südosteuropas zentrieren sich die Forschungen des Innsbrucker Komparatisten Zoran Konstantinović. Ihm zu Ehren haben nun Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Innsbrucker Instituts für Vergleichende Literaturwissenschaft einen Sammelband herausgegeben, der die besten Aufsätze aus seiner dreißig Jahre währenden Tätigkeit in Innsbruck zusammenstellt.
Nur wenige Arbeitsgebiete der Komparatistik sind in vergleichbarem Maße durch die Forschungen einer Einzelperson geprägt wie die 'Stoff- und Motivforschung' durch die langjährigen Bemühungen Elisabeth Frenzels. Ihr Name steht in propädeutischen Seminaren des Komparatistikstudiums häufig synonym für die Auseinandersetzung mit den 'Inhalten der Literatur'. Neben mehreren Einführungen und Forschungsberichten dürften ihre beiden Handbücher 'Stoffe der Weltliteratur' und 'Motive der Weltliteratur' in den meisten komparatistischen Seminar- und Handbibliotheken zu finden sein.
Den Stand der Psychoanalyse in Deutschland kann man nicht anders beschreiben, als indem man konstatiert, sie stehe im Mittelpunkte der wissenschaftlichen Diskussion und rufe bei Ärzten wie bei Laien Äußerungen entschiedenster Ablehnung hervor […].
Mit dieser Beschwerde, die hier den Anfang machen soll, kommt Sigmund Freud in seinem 1914 erstmals veröffentlichten Aufsatz "Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung" auf die Widerstände zurück, denen die Psychoanalyse seit ihrem Auftritt auf der Bühne der Wissenschaft ausgesetzt ist. Genau 50 Jahre später wird Jacques Lacan, dessen vielzitierte "Rückkehr zu Freud" den wohl konsequentesten Versuch einer Fortführung der Freudschen Lehre darstellen dürfte, sich an ebenso grundlegender Stelle, in einem Seminar über "Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse", über ganz ähnliche Probleme beklagen. Ähnlich, aber nicht identisch - denn Lacan klagt über seine "Exkommunikation" aus der psychoanalytischen Vereinigung Frankreichs, also über die Wider stände, die seiner Lehre von Seiten seiner Analytiker-Kollegen entgegengebracht werden, just zu dem Zeitpunkt, als er auf das zurückkommen will, was bisher nie analysiert worden ist: das Begehren Freuds. Wer also allgemein nach dem unbewussten Begehren der Menschen fragt, hat mit Widerständen von Laien und Wissenschaftlern zu rechnen, wer nach dem unbewussten Begehren Freuds fragt, mit denen der Analytiker. Widerstände aber, so lehrt die Psychoanalyse, gehen vom Unbewussten aus und treten dort auf, wo der Patient mit verdrängten und somit Unlust erregenden Vorstellungen konfrontiert wird.
Nachruf
(2001)
Die DGAVL hat eines ihrer prominenten Mitglieder verloren - Ulrich Schulz-Buschhaus, Professor für Romanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ulrich Schulz-Buschhaus war Romanist mit deutlichen Schwerpunkten sowohl in der französischen als auch in der spanischen und italienischen Literaturgeschichte, verstand sich aber nachdrücklich auch als Komparatist, zu der ihn nicht nur die mehrsprachliche Tradition seines Faches prädestinierte, sondern auch sein Interesse für Formenlehre, Methodologie, für die Kanonproblematik und vor allem sein Engagement für die Zukunft der Literaturwissenschaft.
Moralistik und Neue Sachlichkeit : ein Kommentar zu Helmuth Plessners "Grenzen der Gemeinschaft"
(2002)
Plessners "Grenzen der Gemeinschaft" in einem literaturgeschichtlichen Kontext zu lesen, scheint auf den ersten Blick ganz unproblematisch und wird vom Autor durch verschiedene Hinweise auch nahegelegt. Auf den zweiten Blick wird allerdings schnell klar, daß ein solches Unterfangen auch einige Schwierigkeiten bereitet. Doch es gilt, diesen Versuch zu unternehmen, weil sich gerade aus der literarhistorischen Kontextualisierung eine Anzahl wichtiger Perspektiven eröffnet. Sowohl die diachronen Bezüge zur Moralistik des 17. und 18. Jahrhunderts als auch die synchronen zur zeitgenössischen Literatur sind komplex. Das Vorwort weist den Text als einen Essay aus, der sich explizit an ein breites Publikum wendet und nicht in erster Linie Fachfragen diskutiert, sondern auf eine intensive Diskussion, „die vom Leben her“ kommt, eingehen will. Plessner situiert sich damit programmatisch in einer europäischen Gattungstradition, die von Montaigne und Locke ausgehend in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts weist. Die großen Debatten, die seit dem ersten Weltkrieg über Politik und Moral, Kultur und Zivilisation, Gesellschaft und Gemeinschaft geführt wurden, haben, so Plessner, „kulturpolitische, erkenntnispolitische, wirtschaftspolitische“ Aspekte. Plessner spricht hier nicht nur als Philosoph, sondern auch als Intellektueller und zitiert eine noch kaum erschlossene Anzahl verschiede-ner zeitgenössischer Diskurse.