BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten
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Die folgenden Überlegungen behandeln Phänomene der Temporalität und Zeitchoreographie in Walter Benjamins Prosamix 'Berliner Kindheit um neunzehnhundert'. Es gilt darüber nachzudenken, inwieweit es sich hierbei um ein ästhetisch induziertes Zeitarrangement handelt, von dem sich sagen ließe, dass in Augenblicken dieser faszinierenden Erinnerungsbilder die Zeit poetologisch konzeptionell geordnet, doch nicht instrumentell hierarchisiert wird. Sollen also Zeitphänomene im ästhetischen Modus betrachtet werden, so wird es unverzichtbar sein, sich der ästhetisch realisierten Zeitvarianten so zu versichern, dass eine minimale Zeitphilosophie formulierbar ist, die mehr besagt als eine rein systematisierende Zeitkasuistik. Von einer mikrologischen Zeitrettung könnte dann gesprochen werden, wenn unter dem Modus der Erinnerung dieser autobiographischen Sequenzen nicht allein Aspekte der Verräumlichung und Topographie verstanden werden, sondern stattdessen auch jene Zeitreserven in den Blick genommen werden, die besonders im Modus der Selbstwahrnehmung beim Erinnern hervorgebracht werden. Ich möchte die These vertreten, dass Benjamin als Zeitsammler, Zeitbewahrer und als uchronischer Zeitphysiognomiker auf der Grundlage einer tendenziellen Stillstellung von Zeit in diesen prosaischen Bildsequenzen gegenläufig geradezu multiple und dynamisierte Zeitphänomene und Zeiterfahrungen hervorbringt. Da diese an einen bestimmten rekursiven Wahrnehmungsmodus gebunden sind, werden zunächst Phänomene dieses Modus behandelt, um anschließend damit einhergehende Typen ästhetischer Eigenzeiten zu benennen und diese im Zusammenhang mit einer strukturierenden Logik der uchronischen Zeitlichkeit in der 'Berliner Kindheit' zu denken.
Mit den Brüdern Grimm [etablierte sich] zusehends eine ernstzunehmende Konkurrenz für den marktbeherrschenden von der Hagen [...] "Ganz allein regieren’" [...], die Vorherrschaft im neuentstehenden Fach zu gewinnen bzw. zu behaupten, danach trachtete indes nicht nur von der Hagen, danach trachteten auch die Brüder Grimm [...]. Der von ihnen beim Eintritt in die gelehrte Welt eingeschlagene Weg ging - nicht zuletzt wegen der verschiedenen Ausgangsbedingungen - allerdings in eine völlig andere Richtung als bei von der Hagen; ihr Ansatzpunkt war die Kritik und ihr Mittel die Polemik. [...] Die Geschichte dieses "Kriegs" ist zwar nur kurz, aber außerordentlich verwirrend, da nicht nur die Grimms und von der Hagen, sondern noch weitere Parteien mit jeweils eigenen Interessen involviert waren und das Streitgeschehen durch eine nicht immer ganz durchschaubare Stafette von Intrigen, Zurechtdeutungen, Halb- und Unwahrheiten sowie der durchaus gängigen Praxis der Verschleierung und des heimlichen Vorbehalts begleitet wurde.[D]er Eddastreit, auf den sich in der Folge die Charakterisierung dieses umfassenderen Wissenschaftskriegs konzentrieren soll, [ist] nur eine von mehreren Frontsetzungen im Wissenschaftskrieg zwischen den Grimms und von der Hagen.
Dinge besitzen eine Ausstrahlung, sie können bezaubern und erschrecken, faszinieren und bannen. Diese Erfahrung machen Menschen nicht nur mit 'auratischen' oder 'authentischen' Kunstwerken, auch im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit scheinen Dinge ein Eigenleben zu führen. Nachdem konstruktivistische Zugänge versuchten, ihnen genau dieses auszutreiben, kehrt es seit einiger Zeit wieder: in der Rede von der Aktivität der Objekte und der Macht der Dinge. Dies lässt sich mit der Vokabel 'Fetischismus' ideologiekritisch brandmarken oder kulturtheoretisch verherrlichen. In diesem Beitrag wird ein anderer Weg beschritten. Zu Beginn konstatiert er eine Sehnsucht nach dem unmittelbaren Gegebensein der Dinge und präsentiert sodann einen Zugriff, der diesen Befund berücksichtigt, ohne auf den Bereich des Sakralen zurückzugreifen: sei dies in magischer, mythischer oder fetischistischer Form. Vielmehr baut er auf die Phantasmagorie, die sich im Profanen ansiedelt und es erlaubt, systematisch Ästhetik und Ökonomie, Technik und Politik aufeinander zu beziehen. Die Ausführungen laufen auf die These hinaus, dass sich mit der Phantasmagorie eine kritische Alternative zum Fetisch formulieren lässt, welche die profane Moderne mit ihren produktiven Möglichkeiten und Risiken in all ihrer Ambivalenz auf den Begriff zu bringen vermag.
Ausgehend von Benjamins Texten erörtert die Wissenschaftsphilosophin Christine Blättler das in den Science Studies diskutierte Verhältnis von Genesis und Geltung und die damit verbundene Frage hinsichtlich der angemessenen Darstellungsweise von Erfahrung unter epistemologischen und sozialphilosophischen Gesichtspunkten. Sie geht dabei vom New Experimentalism aus, welcher sich gegen den in der Wissenschaftstheorie lange Zeit vorherrschenden Primat der Theorie wendet. Dem Experiment wird dabei eine autonome und objektive Funktion in der Wissensgenerierung zugesprochen. Diese Hinwendung zum Experiment steht zugleich für eine Abwendung vom Subjekt und für eine verstärkte Zuwendung zu dem, was sich als eine aperspektivische Objektivität bezeichnen ließe. Blättler setzt an diesem Punkt an, um mithilfe von Benjamins Begriff der Konstellation und seinen Überlegungen zum Erfahrungs- und Wahrnehmungswandel zu einer flexibleren Auffassung bezüglich des Verhältnisses von Objekt, Technik und Subjekt zu gelangen, die es erlaubt, den Gegensatz von Genesis und Geltung zu überwinden.
"Wir haben diesen Dichter geliebt" : Hugo von Hofmannsthal und Eduard Korrodi ; Briefe und Dokumente
(2017)
Der Schweizer Journalist, Essayist und Literaturkritiker Eduard Korrodi, geboren am 20. November 1885 in Zürich, ist heute, mehr als 60 Jahre nach seinem Tod am 4. September 1955, selbst in Literaten- oder Germanistenkreisen nahezu unbekannt. Seinen Zeitgenossen hingegen galt er als wegweisender Mentor und Anreger, als "schweizerischer Geisteswärter", als "das literarische Bundesgericht" der Schweiz und allmächtiger "Literaturpapst". Diese einzigartige Position eines "Entdeckers" und "Erweckers", "Richters" und "Vernichters" hat er in der Feuilletonredaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" zwischen 1915 und 1950 über 35 Jahre hin behauptet - "geliebt, geehrt" und "angegriffen", immer aber "ernst genommen", so dass kaum ein Schweizer Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihn nicht in Tagebüchern oder Memoiren "erwähnt" oder "in gereizter Weise 'behandelt'".
Als jüngster Sohn des angesehenen Lehrers, Schulbuchautors und Lyrikers "für den Hausgebrauch" Johann Heinrich Korrodi (1834-1910) und der Marie Zurgilgen (1852-1950), die der Vater 1882 in dritter Ehe geheiratet hatte, besucht Korrodi die Schule in Zürich und ab Oktober 1898 das Kollegium "Maria Hilf" in Schwyz. Ab dem Wintersemester 1905/06 studiert er deutsche Philologie, Alt-Isländisch und Kunstgeschichte in seiner Heimatstadt und wird hier, nach einem Berliner Auslandssemester im Winter 1907/08 bei Erich Schmidt und Richard Moritz Meyer,10 im Januar 1910 mit der von Adolf Frey (1855-1920) betreuten Dissertation "Stilstudien zu C.F. Meyers Novellen" zum Dr. phil. promoviert.
Der "Ödipuskomplex", eine Wortprägung Freuds, ist eine seelische Dynamik, die in kindlicher Liebe zu den Eltern und in Hass auf die Eltern wurzelt und Einfluss auf die mentale Verfassung des Erwachsenen hat. Ödipus ist eine prominente Figur der griechischen Mythologie und Tragödiendichtung. Freud nimmt in seinem Gesamtwerk weit über zwanzig Mal, besonders ausführlich in der "Traumdeutung", einerseits auf die Sage vom König Ödipus, andererseits auf die Tragödie des Sophokles Bezug. Die Figur des König Ödipus, der mythologische Stoff und die Handlung des Dramas fanden Freuds Interesse, weil die dargestellte Konfliktdynamik ausgeprägte emotionale Beteiligung beim Betrachter mobilisiere. Freud nimmt eine rezeptionstheoretische Perspektive ein. Im Mittelpunkt des Interesses steht für Freud seit der ersten Erwähnung der griechischen Sage am 15.10.1897 in einem Brief an seinen Freund Wilhelm Fliess die emotionale Antwort des Publikums. Das literarische Muster der Ödipus-Geschichte schaffe ein Modell psychischer Organisation, das den Höhepunkt und die entscheidende psychosoziale Herausforderung frühkindlicher Entwicklung bildet. Da es ihm um dieses modellschaffende literarische Muster geht, nicht aber in erster Linie um das individuelle Werk des Sophokles, behandelt er die griechischen Vorbilder in eher lockerer Weise.
1958 schrieb Theodor W. Adorno:
Den Nimbus, der den Namen von Georg Lukács heute noch, [...] umgibt, verdankt er den Schriften seiner Jugend, dem Essay-Band 'Die Seele und die Formen', der 'Theorie des Romans', den Studien 'Geschichte und Klassenbewußtsein', in denen er als dialektischer Materialist die Kategorie der Verdinglichung erstmals auf die philosophische Problematik prinzipiell anwandte. Ursprünglich etwa von Simmel und Kassner angeregt, dann in der südwestdeutschen Schule gebildet, setzte Lukács bald dem psychologischen Subjektivismus eine objektivistische Geschichtsphilosophie entgegen, die bedeutenden Einfluß ausübte. Die 'Theorie des Romans' zumal hat durch Tiefe und Elan der Konzeption ebenso wie durch die nach damaligen Begriffen außerordentliche Dichte und Intensität seiner Darstellung einen Maßstab philosophischer Ästhetik aufgerichtet, der seitdem nicht wieder verloren ward. Als, schon in den frühen zwanziger Jahren, der Lukácssche Objektivismus sich, nicht ohne anfängliche Konflikte, der offiziellen kommunistischen Doktrin beugte, hat Lukács nach östlicher Sitte jene Schriften revoziert; hat die subalternsten Einwände der Parteihierarchie unter Mißbrauch Hegelscher Motive sich gegen sich selbst zu eigen gemacht und jahrzehntelang in Abhandlungen und Büchern sich bemüht, seine offenbar unverwüstliche Denkkraft dem trostlosen Niveau der sowjetischen Denkerei gleichzuschalten [...].
Wenn heute - über ein halbes Jahrhundert später - diese Zeilen wie eine unverändert gültige Charakterisierung des Philosophen und Literaturhistorikers anmuten, so nicht nur, da sich mit der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des realen Sozialismus in Ostmittel- und Osteuropa die politischen Rahmenverhältnisse, die Lukács' Arbeit in vielfacher Weise bestimmt hatten, aufgelöst haben. Schon deutlich früher war das Werk des ungarischen Intellektuellen ins Abseits des europäischen Gedächtnisses gedrängt worden.
Harry Graf Kessler war durch seine Herkunft und ebenso durch seinen Lebensstil Europäer. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg intensivierten und verdichteten sich seine Reisen zwischen Paris, Weimar, Berlin, London, München und Wien. Es ist die Zeit, in der er das Netzwerk seiner Kunst-Vermittlungen nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch verstärkt in den aktuellsten Entwicklungen in Theater, Oper und Tanz entfaltet. Im Zentrum von Kesslers mäzenatischem und ästhetischem Interesse standen in den Jahren 1909-1914 die von Serge Diaghilew geleiteten 'Ballets Russes'. Die Aufführungen dieser Ballett-Truppe aus Russland waren ein europäisches Kunstereignis, das durch Diaghilews Geschick als Impresario seit der ersten Saison in Paris, 1909, und erneut mit jedem Programm in Gastspielen in ganz Europa gefeiert wurde. Kessler hatte an diesem Erfolg einen bedeutenden Anteil. Zahlreiche Einträge in seine Tagebücher bezeugen seine Begeisterung und sein Engagement. Seit seinem ersten Besuch der Aufführungen der 'Ballets Russes' war er von der ästhetischen Innovation überzeugt, die 'die Russen' (wie er Diaghilews Truppe in Briefen und im Tagebuch häufig bezeichnete) für Theater und Ballett der Moderne bedeuteten: eine neue Form des Gesamtkunstwerks, ein Zusammenwirken von Körper, Bewegung, Rhythmus, Bild und Musik - aus dem Geiste des Tanzes.
Peter Szondi hat sich mit Walter Benjamins Trauerspielbuch bereits in seiner Dissertation 'Theorie des modernen Dramas' beschäftigt. In seiner Habilitationsschrift 'Versuch über das Tragische' setzt sich diese Auseinandersetzung fort, um dann, so scheint es, jäh mit dem Antritt des Ordinariats an der FU Berlin 1965 abzubrechen. Zwar publiziert er noch zwei Aufsätze, die Benjamin gewidmet sind. Doch ist das Trauerspielbuch in ihnen peripher. In der wissenschaftsgeschichtlichen Forschung ist dieser Sachverhalt bisher kaum reflektiert worden, weil sich nur punktuelle Anknüpfungspunkte zwischen dem Trauerspielbuch und den Untersuchungsgegenständen ergeben, denen sich Szondi nach 1965 zugewandt hat.
Die vorliegenden Überlegungen stellen die These auf, dass Szondis Vorlesungen zum bürgerlichen Trauerspiel 1968 konkrete Folge seiner Beschäftigung mit Benjamins Studie sind. Das scheint zwar paradox, weil im Sinne Benjamins kein direkter Weg vom barocken zum bürgerlichen Trauerspiel führt. Wohl nicht zuletzt deswegen wurde dieser Zusammenhang bisher auch weder von der Benjamin - noch von der Aufklärungsforschung in den Blick genommen. Gleichwohl erlaubt ausschließlich eine solche Deutung es, Szondis Interesse am bürgerlichen Trauerspiel programmatisch zu deuten. Das ist das Ziel der nachfolgenden Betrachtungen.
Arkanisierung des Vorklassikers : zur Lessing-Ausgabe von Julius Petersen und Waldemar von Olshausen
(2017)
Die Spannung von religiöser und säkularer Kommentierung prägt nicht nur den Umgang mit der Bibel, sondern auch mit anderen Texten, etwa mit den 'Klassikern' der Nationalliteraturen. Kai Bremer untersucht am Beispiel der Lessing-Philologie eine Arkanisierungsstrategie, die den Kommentar selbst hermetisch abriegelt und nur für 'Eingeweihte' zugänglich macht. So zeigt er, dass die sog. "P/O", d.h. die Lessing-Ausgabe von Julius Petersen und Waldemar von Olshausen (1925-1935) nur solchen Lesern zugänglich ist, die bereits umfassend mit der zeitgenössischen Lessing-Philologie vertraut sind und insbesondere die früheren Lessing-Kommentare der Editoren kennen. Somit 'arkanisieren' die Herausgeber ihren eigenen Kommentar und damit auch die eigenen philologischen Praktiken: Sie schaffen einen philologischen Raum, der - vergleichbar einem heiligen Raum - nur Eingeweihten zugänglich ist.
Die Rezeption eines Kunstwerks, sagt Schopenhauer, sei nur dann ganz befriedigend, wenn sie etwas hinterläßt, das wir, bei allem Nachdenken darüber, nicht bis zur Deutlichkeit eines Begriffs herabziehen können." Er fügt allerdings hinzu, dies sei vor allem bei solchen Kunstwerken der Fall, die den Vorzug hätten, "aus einem Guß" zu sein, "das lautere Werk der Begeisterung des Augenblicks, der Inspiration, der freien Regung des Genius […], ohne alle Einmischung der Absichtlichkeit und Reflexion", wie dies für die erste Skizze des Malers, für eine Melodie oder ein Gedicht gelte. Weniger gelte es hingegen für die Werke "von langsamer und überlegter Ausführung", an denen "die Reflexion, die Absicht und durchdachte Wahl bedeutenden Antheil" haben.
Verstand, Technik und Routine müssen hier die Lücken ausfüllen, welche die geniale Konception und Begeisterung gelassen hat, und allerlei nothwendiges Nebenwerk muß, als Cäment der eigentlich allein ächten Glanzpartien, diese durchziehen.
Der "Turm", der in drei verschiedenen Druckfassungen vorliegt, gehört offensichtlich in diese letztere Kategorie.
Philosophiegeschichte, das ist evident, ist mit den klassischen Säulen Theorie und Begriffsgeschichte eine bewährte Disziplin. Ergänzt durch relativ neue Zweige wie Diskurs-, Institutionen-, Medien- oder Metapherngeschichte besteht ein breites Spektrum philosophiegeschichtlicher Methodiken, das sich beständig bereichert. Aber eine Nichtgeschichte der Philosophie? Was sollte sie leisten? Sollte sie post festum attestieren, begründen und besiegeln, was nicht geschehen konnte? Sollte sie a posteriori diagnostizieren, unter welchen Bedingungen bestimmte Entwicklungen hätten eintreten können? Oder sollte sie im Nachhinein diktieren, was hätte eintreten müssen, aufgrund bedauerlicher ephemerer Umstände aber nicht eintrat? In den Geschichtswissenschaften ist das methodische Bewußtsein für die Alternativen historischer Situationen gewachsen, für die Möglichkeitsform von Geschichte, die aus eingetretenen und nichteingetretenen Ereignissen besteht. Es scheint legitim, auch Philosophie- bzw. Ästhetikgeschichte auf diese Möglichkeitsformen hin zu befragen, ihre Nichtereignisse und ihre Konjunktive des Negativen zu thematisieren, um daraus wenn nicht Antworten so doch weiterführende Fragen zu ziehen.
The flourishing of literature and thought during the age of Goethe may have inspired German nationalism in the 1930s, but Walter Benjamin identified other values in the period worth defending. 'Deutsche Menschen' is a short collection of edited letters by well-known German authors which Benjamin published in 1936 under the pseudonym Detlef Holz in order to hide his Jewish identity. In his inscription to Scholem's copy of the book, Benjamin wrote, "May you, Gerhard, find a chamber in this ark - which I built when the Fascist flood started to rise - for the memories of your youth," and in his sister’s copy Benjamin wrote, "This ark, built after a Jewish model, for Dora - From Walter." This essay considers what Benjamin may have meant by those inscriptions. Looking beyond discussions of "German," "Jewish," and even "German-Jewish" identity, this essay explores Benjamin's descriptions of his letter collection, asking how he conceptualized and framed it at first and how it may have changed between 1931 and 1936. The categories of tradition and agency will be my focus, which I will develop in the context of Benjamin's other writings and his particular interests in quotation and materialism. &e formation and reception of 'Deutsche Menschen' reveal a complex, ambitious project that combines many of Benjamin's ideas and goals.
Wenige Phasen in der Kulturgeschichte Deutschlands sind so sehr durch die Präsenz eines prophetischen Diskurses gekennzeichnet gewesen wie das erste Drittel des 20. Jahrhunderts. In der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und in den Jahren der Weimarer Republik, die einmal die "Krisenjahre der Klassischen Moderne" genannt wurden, taucht eine Vielzahl von selbsternannten Geistersehern, Wunderwirkern und Heilsbringern auf, die auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Zusammenlebens Abhilfe und Erlösung versprechen. Die Allgegenwärtigkeit dieses Versprechens lässt daran zweifeln, dass der von Heilssuche getragene prophetische Diskurs im Rücken einer sich fortentwickelnden Wissenschaftskultur stattgefunden hat. Vielmehr gehört sein Erlösungsversprechen zu den "beherrschenden Gedanken" der damaligen Zeit und bezeugt die prekäre Koexistenz von Wissenschaft einerseits und Prophetie andererseits. "Es sei", schreibt der Philosoph Max Scheler am Ende der Weimarer Republik, "eine beispiellose Sehnsucht nach Führerschaft allüberall lebendig", die eine entsprechende Anzahl von Propheten, Heilanden und Weltverbesserern mit sich bringt. Angesichts dieser geistesgeschichtlichen Lage konnte eine Erinnerungsfeier für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, um ein Beispiel aus dem Jahr 1922 anzuführen, leicht in die Frage münden: "Wann kommt der Retter Deutschlands?" Der Historiker Klaus Schreiner hat diese Frage, die Honoratioren aus einem kleinen Kurort in der Lüneburger Heide aufgeworfen haben, zum Titel einer umfangreichen Studie über den politischen Messianismus in der Weimarer Republik gemacht. [...]
Vom "Messias der Dichtung" soll im Folgenden die Rede sein. Wie sich zeigen wird, ist mit dieser Figur, über deren Besonderheiten und Begrenztheiten hinaus, zugleich das "Verlangen nach einem Messias der starken Hand für das Ganze" verbunden.
Im vorliegenden Aufsatz stellt die Verfasserin die Frage nach einer geschichtsphilosophischen Lesart von Toni Morrisons Roman "Beloved" (1987). Dafür vergleicht sie zunächst Friedrich Nietzsches "Zweite Unzeitgemäße Betrachtung: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben" (1874) mit Walter Benjamins "Thesen über den Begriff der Geschichte" (1940), indem sie dem nicht von ungefähr kommenden Zusammenhang von kritischer Historie und Kritischer Theorie nachspürt. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse, wie der Umgang mit Historie das (Er-)Leben in der Zukunft und für die Zukunft beeinflussen kann, wird Morrisons Roman nach den verschiedenen Entwürfen des Umgangs mit Geschichte untersucht: Anhand der Mutter Sethe und den beiden Töchtern Denver und Beloved wird anschaulich gemacht, wie sich ein 'Zuviel' an Geschichte negativ auf die Zukunft auswirken kann, aber auch, wie das Vergessen als Mittel der Ermöglichung von Zukunft fungiert.
Während der Arbeit an den 'Thesen über den Begriff der Geschichte' hat Walter Benjamin den in der Geschichtsschreibung gebräuchlichen Begriff der "Quelle" einer radikalen Kritik unterworfen, die die Formen der Überlieferung überhaupt infrage stellt. Statt sich an das Schauspiel eines Stroms der Überlieferung zu verlieren, zu dem sich die Quellen vereinigt haben, frage der historische Materialist danach, wessen Mühlen der Strom treibe, wer sein Gefälle verwerte, wer ihn eindämmte, und indem er die Kräfte beim Namen nenne, "die in ihr am Werke gewesen sind", verändere er "das Bild der Landschaft" (GS I, 1160 f.). Diese Kritik sieht die "Quellen" in einen selber von Interessen und Macht bestimmten, weitgehend 'verderbten' Prozess der Überlieferung eingebunden. In der echten Geschichtsschreibung, heißt es in einem Entwurf der 'Thesen', erwachse daraus, und eben so stark wie ihr destruktiver Impuls, "der Impuls der Rettung", nicht nur vor "dem Verruf und der Mißachtung", in die Gewesenes geraten ist, sondern eben "vor einer bestimmten Art seiner Überlieferung" (WuN XIX, 128) selber. Der Begriff der "Quelle" gehört für Benjamin einer positivistisch verstandenen 'reinen' Wissenschaft der Geschichte an; der "wissenschaftliche" Charakter der Geschichte aber wird "erkauft mit der gänzlichen Ausmerzung alles dessen, was an ihre ursprüngliche Bestimmung als Eingedenken erinnert. Die falsche Lebendigkeit der Vergegenwärtigung, die Beseitigung jedes Nachhalls der 'Klage' aus der Geschichte bezeichnet ihre endgültige Unterwerfung unter den modernen Begriff der Wissenschaft." (GS I, 1231) Die 'Thesen' legen theoretisch-methodisch den Grund dafür, dass Referenztexte ganz anders aufgefasst werden als "Quellen" in einer begriffs- oder ideengeschichtlichen Darstellung. Wie aber dann, zumal in den 'Thesen' selber? Die Frage nach der Funktion der Referenzen in den 'Thesen' ist anders zu stellen als die nach einer Verwendung von Quellen, nämlich als die Frage danach, in welcher Weise Benjamin 'in' ihnen, 'mit' ihnen und 'gegen' sie denkt. So kommen auch die unterschiedlichen Formen der nicht explizit gemachten, verborgenen Referenzen ins Spiel.
In einem berühmten Brief an Ferdinand Tönnies vom 19. Februar 1909 hat Max Weber von sich gesagt, er sei "religiös unmusikalisch", eine Wendung, die auf dezente Weise den modernen Agnostizimus zu einer Sache der Veranlagung macht, einer fehlenden Disposition, die nicht zu besitzen, kaum jemanden mit Genugtuung erfüllen dürfte. Unschwer erinnert sich der Leser Webers des unverhohlenen Pathos, mit dem der Soziologe in einigen der viel zitierten Passagen seines Werks, am eindringlichsten vielleicht am Ende der beiden Vorträge über Wissenschaft und Politik als Beruf (1917/1919), die erhabene Größe jener religiösen Erfahrung in Erinnerung ruft, die ihm selbst – und den meisten von uns – abgeht. Die folgenden Überlegungen wenden sich einem anderen Theoretiker oder vielmehr Kritiker der Säkularisierung zu, Hans Blumenberg, und dem, was man seine unerwartete religiöse Musikalität nennen könnte. Sie kommt zum Ausdruck in einem Buch, das den Titel "Matthäuspassion" trägt und in dem es sowohl um das gleichnamige Evangelium geht als auch um seine Aufnahme und Transformation in Johann Sebastian Bachs Passionsoratorium. Ich möchte mit einer kurzen Charakterisierung der augenscheinlichen Widersprüche dieses Buchs beginnen, um dann zu umreißen, was Blumenberg den "Tenor" seiner Theologie nennt. Den Sinn dieses Tenors versuche ich im Anschluss zu erläutern, indem ich Blumenbergs eigenwillige Relektüre der Matthäuspassion weniger als Provokation jener theologischen Ansätze auffasse, gegen die er in dem Buch fortlaufend polemisiert, sondern vielmehr indem ich seine Geschichte von der "Weltverstrickung Gottes" in Bezug setze zum theologischen Absolutismus des spätmittelalterlichen Nominalismus, der so entscheidend für Blumenbergs Interpretation der Legitimität der Neuzeit sein sollte. Abschließend soll ein Blick geworfen werden auf die Besonderheiten von Bachs Matthäuspassion, die Blumenberg meines Erachtens übersieht und die seiner eigenen Betrachtungsweise teils widersprechen, diese aber auch teils erklären.
Die künstliche Außenweltbeleuchtung ist keine neutrale Helligkeit, die die Sichtbarkeit der von ihr bestrahlten Umgebung unmodifiziert über die Dämmerungsgrenze hinweg in die Nacht hinein weiterdauern lässt. Sie hat in aller Regel einen intrusiven Aspekt und schafft ein spezifisches, vom Tagesanblick deutlich unterschiedenes Erscheinungsbild. Meistens erzeugt sie zum Beispiel Wahrnehmungsbilder, die mit fast allen Formen von gemalten Abbildungen und mit narrativen Darstellungen gemeinsam haben, 'Unbestimmtheitsstellen' zu enthalten. Die Wahrnehmungsgeschichte der künstlich erleuchteten Stadtzentren ist von der Komplexität geprägt, die auch das Verhältnis von Kunstlicht und Raum charakterisiert. Im Verlauf der Epoche, die mit der Aufstellung der ersten Gaslaternen zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann und die mit der Einführung der elektrischen Glühbirnen, der Neon-Röhren und schließlich der LED-Dioden ihre Fortsetzung fand, hat das von diesen Lichtern erzeugte Raumerlebnis mehrfach qualitative Veränderungen erfahren. Die folgenden Ausführungen kontrastieren vier historisch aufeinander folgende Typen von Wahrnehmungsbildern der erleuchteten Innenstädte: 1.) Reaktionen aus der 'Pionierzeit' der Straßenbeleuchtung (bis Ende des 19. Jahrhunderts); 2.) Reaktionen aus der Zeit der Einführung der elektrischen Beleuchtung; 3.) die avantgardistische Kunstlichtwahrnehmung der 1920er Jahre; 4.) Wahrnehmungsbilder, wie sie aktuell angewendete Beleuchtungspraktiken nahelegen. Die beobachteten Wandlungen im Erleben der beleuchteten Stadtszenerien werden mit Tendenzen, die für die jeweiligen Stadtgesellschaften typisch sind, in Zusammenhang gebracht.
In the present context of the triumph of capitalism over real socialism, this article points out that, despite their ideological differences, both systems are bound to the same conception of history-as-progress. In contrast, it recalls Walter Benjamin's philosophy of history, marked by the critique of progress in the name of a revolutionary time, which interrupts history's chronological continuum. Benjamin's perspective is used to study the conflict of temporalities among the Soviet artists in the two decades after the October Revolution: on the one hand, the anarchic, autonomous and critical time of interruption – which is the time of avant-gade –, on the other hand, the synchronization with the ideas of a progressive time as ordered by the Communist Patty; this is the time of vanguard, whose capitalist Counterpart is fashion.
In einem Brief vom 8. Juli 1891 schreibt der junge Hugo von Hofmannsthal an den acht Jahre älteren Richard Beer-Hofmann von seinen Lektüren in Bad Fusch. Darunter findet sich eine ganze Bandbreite internationaler literarischer und philosophischer Werke: von "Gogol" über "Andersen, Immermann, Maupassant" bis hin zu "Schopenhauer". Während die rezeptionsästhetische Aufnahme und Verarbeitung der erstgenannten Autoren bei den Schriftstellern der Wiener Moderne generell eine eher marginale Rolle spielt, ist die frühe Beschäftigung Hofmannsthals mit Schopenhauer freilich keine Einzelerscheinung. Ganz im Gegenteil gehört der Philosoph in der intellektuellen und literarischen Welt des Fin de Siècle zur Allgemeinbildung und ist bereits seit dem literarischen Realismus von vielen Schriftstellern (z.B. Hebbel, Raabe und Fontane) breit rezipiert, zentrale Aspekte seiner Philosophie sind auf vielfältige Weise poetisch produktiv verarbeitet worden.
Betrachtet man die literarischen Beispiele von Strafprozessgeschichten im Vormärz, so wird ersichtlich, wie eng die vormärzliche Kriminalliteratur an die Pitaval-Tradition anschließt. Der Reiz der Pitaval-Sammlungen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts bestand ja auch darin, dass der Leser Einsicht in die Abläufe des ansonsten nicht öffentlichen Gerichtswesens erhielt. Dies änderte sich auch nicht, als beginnend mit dem kontrovers diskutierten Strafrechtsprozess um Peter Anton Fonk, der von 1816 an über Jahre Gesprächsthema der gesellschaftlichen Zirkel Berlins war und der vor einem öffentlichen Geschworenengericht stattfand, Gerichtsprozesse in einigen deutschen Staaten, zuerst auf linksrheinischen Gebieten, öffentlich debattiert wurden. Das hatte zur Folge, dass, wie Anna Busch nachweist, den Gerichtsverhandlungen Redakteure unterschiedlichster Zeitungen und Zeitschriften beiwohnten, die täglich mit wortwörtlichen Auszügen aus der Verhandlung über den Fortgang des Prozesses berichteten. Die Tagespresse sei voll von Fonk und von Mutmaßungen über seine Schuld oder Unschuld gewesen. Hitzig erwähnt in seinem Repertorium zu den "Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege" von 1837 mehr als 20 selbständige Veröffentlichungen zum Fall Fonk. Damit zeigt sich übrigens, dass Studien zum Thema 'Literatur und Recht im Vormärz' auch einen Beitrag zur Beschreibung der öffentlichen Meinung ab den 1820er Jahren leisten können: Die Schriften zu den Prozessen kommentierten nicht nur Gerichtsurteile, sondern sie versuchten, gezielt Einfluss auf Gerichtsprozesse im laufenden Verfahren zu nehmen, und sie bezogen nicht selten auf diese Art liberale und demokratische Positionen, die politisieren konnten. Die Diskussion von Rechtsfällen entwickelte sich entsprechend nicht selten zu Mahnungen vor Willkür, so dass Herrscher gelegentlich von ihrem Rechte Gebrauch machten, Urteile rückgängig zu machen - etwa als Friedrich Wilhelm III. im Fall Fonk das Urteil per Kabinettsordre kassierte, wobei der König sich auch selbst auf eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Eingaben bezog, die im Ministerium eingegangen waren. Unter solchen Gesichtspunkten ist die Funktionszuschreibung von Literatur im Vormärz zu betrachten, bei der selbst der Unterhaltungslektüre aus dem Kriminalgenre eine politisierende Kommentaraufgabe zukommen konnte. Auch sind die literarischen Verhandlungen von Recht, wie Anna Busch nachweist, im Rahmen einer neu entstehenden vormärzlichen Debattenkultur zu lesen.
Frankfurt am Main im Oktober 1981. Jacob Taubes spaziert über die Buchmesse. Am Stand des Verlages, dem er schon lange Zeit als wissenschaftlicher Berater dient, macht der Berliner Religionswissenschaftler eine Entdeckung. Sein Freund, der Philosoph Hans Blumenberg, hat bei Suhrkamp ein neues Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel 'Die Lesbarkeit der Welt' und es handelt von dem Buch, das alle Bücher der Buchmesse, ja alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Bücher umfasst, es handelt vom Buch der Welt als Metapher "für das Ganze der Erfahrbarkeit". Taubes wird neugierig. Er blättert, liest sich fest, kommt bis Seite 19. Dann: ein Druckfehler. Taubes, dem Blumenberg über Jahre die kalte Schulter gezeigt hat, denkt nach, schmunzelt vielleicht, macht sich Notizen. Zu Hause greift er sich eine Postkarte und schreibt nach Altenberge bei Münster, sein, Blumenbergs, neues Buch sei "[s]pannend wie ein Roman". Er philosophiere historice und critice, dies gegen den Kollegen Henrich in Heidelberg. Und, ach ja, sein Buch enthalte einen Druckfehler, auf Seite 19 steht: "Boch"; die ganze Passage bei Blumenberg lautet: "Die Frage, wie denn in diesem Buch der Natur gelesen werden könne, in welcher Sprache es geschrieben sei und wie man ihre Grammatik herauszufinden hätte, schiebt sich erst über die metaphorische Grundschicht der Bücherkonkurrenz, in der primär Buch neben Boch, sekundär Buch gegen Buch steht."
No ensaio "Engagement", de 1962, Theodor Adorno recoloca em discussão a dicotomia entre literatura engajada e literatura autônoma, advertindo que em seu tempo a controvérsia não se situa mais no nível da sobrevivência humana ou da vida em sociedade, mas se coloca como uma especulação intelectual. O presente texto recupera as principais ideias de Adorno a respeito do tema e procura refletir sobre elas. O pensador apresenta os dois polos de pensamento sobre o problema e inicia dizendo que a tensão entre eles agora está diluída. Seguem-se então considerações sobre as confusões que envolvem o debate sobre o engagement, reflexões sobre a filosofia da arte de Sartre e sua concretização em obras de ficção, a arte e a didática de Bertolt Brecht, bem como o tratamento que o dramaturgo alemão dá ao fascismo, a relação entre o tom da poesia e a política, o problema do sofrimento ligado à obra de arte, o experimentalismo contemporâneo de Kafka e Becket, as tradições culturais da França e da Alemanha, e as relações entre a política e a arte autônoma.
This paper deals with Kant’s differentiation between artistic beauty and the sublime in nature. In this latter, Kant subsumes everything wild, uncultivated, inanimate and makes it – apparently – available to Aesthetics. As the quintessence of resistence, the "stone" stands for everything that remains the most estranged from the human sphere. In texts of Romantic authors such as Novalis, it can be seen how the "stone" in its turn takes possession of human beings and move them away from human nature. From Romanticism up to contemporary art, the sublime establishes thus a dominion of total alterity, which evades control and keeps consciousness alert to the fact that also in human beings there is an uncontrollable element demanding its rights.
Lumpen-Recycling
(2015)
Wenn Kleider abgetragen, brüchig, löcherig oder zerschlissen sind, werden sie zu Hadern, worunter laut dem Grimm’schen 'Wörterbuch' abgerissene oder abgeschnittene Stücke Zeug, Fetzen, Lumpen oder Kleidungsstücke, die "vor Alter in stücken zerfallen", zu verstehen sind. Für die Papierhersteller war dieser Abfall allerdings bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein unersetzbarer Rohstoff, womit sie das Prinzip der Wiederverwendung unnütz gewordener Dinge, also des Recycling, schon lange vor dem Zeitalter der Ökologie zur Grundlage ihres Handwerks gemacht hatten.
The aim of this paper is to analyze the concept of body developed by Luhmann's systems theory. Privileged places where one can look for the body will be the interpenetration between human beings and the concept of socialization. Another fundamental problem is the relationship between semantics and body, although the most explicit presence of the body in this theory comes with the concept of symbiotic mechanisms or symbols. The last place where this enquiry will look for a bodily reference are emotions, which were highly ignored by Luhmann. Alternative approaches explored in the paper are treating the body as a structure, as a medium or as an internal environment.
Der moderne Roman ist [...] eine Form vergegenwärtigter Zukunft in dem erläuterten Sinne und stellt sich darin dem traditionalen Erzählen entgegen, das ein Vergegenwärtigen des Vergangenen war. An dieser innerliterarischen Kehrtwende im Narrativen lässt sich ablesen, was bei der Heraufkunft des prognostischen Präsens auf dem Spiel steht. Mit der Entsprechung und der Gegenüberstellung von historischem und prognostischem Präsens hat es darum die zweite Überlegung zu tun. Sie macht in der vergegenwärtigten Zukunft den inneren Zeitstil des modernen Romans aus. Einerseits hat sie es mit einem literarischen Sonderfall des prognostischen Präsens zu tun. Andererseits zeigt sich an diesem besonderen Fall aber auch erst die Bedeutung des prognostischen Präsens für unsere Kultur insgesamt.
Dieser Zusammenhang soll im Folgenden genauer erörtert werden. Den Anfang bildet ein Hinweis auf die Gegenüberstellung von Erzählen und Roman in dem Essay, den Walter Benjamin Nikolaj Leskow gewidmet hat (1). Danach folgt in zwei Schritten eine kurze terminologiegeschichtliche Charakteristik dessen, was hier analog zum 'historischen Präsens' das 'prognostische Präsens' genannt wird (anhand der augustinischen Zeittheorie [2] und im Hinblick auf die probabilistische Philosophie des 19. Jahrhunderts [3]). Am Ende wird die Erörterung noch einmal zur Frage des romanartigen Erzählens und seiner inneren Zeitform der vergegenwärtigten Zukunft zurückkehren (4).
Rüdiger Campe argumentiert für die Kontinuität der Rhetorik über die Zäsur von 1800 hinweg. Gegenläufig zu Martin Urmann setzt er jedoch an der bei Descartes und Lamy abgewerteten Übung an, die im Zuge der Bildungsreform endgültig von der Bildfläche verschwunden schien. In der Moderne knüpft allenfalls Raymond Queneau mit seinen "Stilübungen" (1947) an die sich in der französischen Tradition länger erhaltene Praxis an, aber das wohl eher unter ästhetischen als rhetorischen Gesichtspunkten. Dass die Überführung schulischer Übungen in ästhetische Verfahren und stilistischen Ausdruck im modernen Sinne einen Zusammenhang bilden könnten, den Baumgartens Ästhetik von 1750 noch einmal pointiert, war trotz der jüngeren Forschung zu Baumgarten, die seine Bedeutung für das Fortleben der Rhetorik in der Moderne immer wieder hervorgehoben hat, allenfalls zu ahnen. Der Zusammenhang war gleichsam blockiert durch die historische Zäsur, die Rhetorik von Stil trennt, denn in der Folge hat Stil es nicht mehr mit rhetorischen Regeln, sondern mit Dialektiken von Norm und Abweichung zu tun. Diesen ganzen Bereich nennt Campe die taxonomische Dimension des Stils. Und sie trägt auch Verantwortung für die im 20. Jahrhundert notorische Inkriminierung von Stil als verkapptes Machtinstrument. Sehr deutlich wird diese Abwehr beispielsweise an Theodor W. Adornos gespaltenem Verhältnis zum Stil. Campe ergänzt die taxonomische Dimension des Stils um eine praxeologische - prominent verkörpert im Begriff der Schreibszene - die direkt aus der rhetorischen Praxis kommt. Was später Stil sein wird, ist in der Rhetorik nicht in den Regelwerken, weder in der Tropenlehre noch in den 'genera dicendi' zu suchen, sondern in der Praxis, die 'hexis' heißt und eigentlich das Wesen der Rhetorik ist. Dem Eindruck eines radikalen Bruchs entgegen hat das Üben nicht aufgehört und insistiert noch dort, wo es mit 'Werken' im modernen Sinne um etwas anderes zu gehen scheint.
Este texto tem por objetivo recontextualizar uma das teorias literárias mais produtivas surgidas na segunda metade do século XX, na medida em que ela interagiu com conceitos filosóficos amadurecidos na mesma época. Em particular, pretendemos discutir o modo como a Estética da Recepção, desenvolvida ao longo dos anos 1960 e 1970, na Universidade de Konstanz, pôde e ainda pode proporcionar iluminações à literatura quando associada aos estudos de Jürgen Habermas junto à Escola de Frankfurt, também ao longo daquelas décadas e das seguintes.
Die Wissenschaftshistorikerin Jimena Canales setzt Benjamins Kunstwerk-Aufsatz und die "Kleine Geschichte der Photographie" in ihren wissenschaftshistorischen Kontext. Seine Reflexionen zur Fotografie stehen, so Canales, paradigmatisch für eine veränderte Wahrnehmung der Fotografie, die von den Zeitgenossen nicht länger als originalgetreue, sondern künstliche Abbildung der Wirklichkeit angesehen wird. Benjamins Analogie von Fotografie und Psychoanalyse nimmt Canales zum Anlass, die Trennung von Natur- und Geisteswissenschaft und die damit verbundene strikte Abgrenzung von hermeneutischen und experimentellen Methoden in Frage zu stellen.
A tradução parece trazer dificuldades que exigem soluções diversas que, escolhidas contigencialmente, podem ter implicações históricas e políticas duradouras. A tradução da Bíblia por Lutero é um exemplo marcante da força histórica da tradução e das polêmicas quanto à sua forma. Em "A Tarefa do Tradutor", Benjamin estabelece duas temporalidades distintas para a vida de um texto literário e a de suas traduções, instaurando um debate a respeito dos diferentes tempos históricos que atravessam um texto, em sua relação com as diferentes línguas. A partir dessas considerações, nos propomos a discutir certas dificuldades concretas experienciadas na tradução de citações de uma obra literária dentro de um texto crítico de Benjamin, "Am Kamin", um dos textos em que desenvolve sua teoria do romance. Como traduzir hoje as citações que Benjamin faz do romance "The old wives tale" de Arnold Bennet, citações da tradução para o alemão dos anos 1930, de um texto inglês de 1908 que emula um narrador do início do século XIX, e que não foi ainda traduzido para o português? Por fim, apresento o texto traduzido, "À Lareira".
A influência de Bertolt Brecht sobre Walter Benjamin é comumente atribuída à assimilação da tradição de crítica marxista pelo último. O presente artigo busca realizar uma crítica imanente e teórica da obra de ambos com o fito de investigar outras faces possíveis dessa influência. Sendo assim, o objetivo é demonstrar que o "Efeito de distanciamento" (em alemão "Verfremdungseffekt") utilizado por Brecht em seu teatro épico tem um papel fundamental na leitura que Benjamin fará do cinema e aparece nas quatro versões do ensaio sobre "A obra de arte na época de sua reprodutibilidade técnica", bem como na sua teoria sobre a "aura".
"Idiom", "Trauerspiel" und "Dialektik des Hörens" sind die Überschriften der drei Teile dieses Beitrages, der Benjamins Rezeption im Werk Luigi Nonos behandelt. Genauer gesagt: Es handelt sich eher um die verblüffende Konvergenz von Nonos Denken mit Benjamins Philosophie, unabhängig davon, ob, wie, wann und in welcher Breite Nono sie sich bewusst angeeignet hat. Zwischen ihnen steht ein Exkurs über die Idee des opus perfectum et absolutum und dessen Entfaltung vom 'organischen' zum 'autopoietischen' Werkbegriff, dem Nono sich widersetzt.
O presente artigo aborda alguns dos principais escritos de Anatol Rosenfeld sobre teatro, sobretudo O teatro épico, obra em que se debruça sobre os preceitos da dramaturgia de Brecht, bem como seu trabalho como organizador de antologias de autores canônicos da literatura alemã (Lessing, Goethe, Schiller), para mostrar como essas influências se cruzam em sua análise da produção teatral brasileira dos anos 1960. Nas entrelinhas da crítica de Rosenfeld, percebe-se a dimensão ética que ele atribuía à sua atividade intelectual e, ainda, um esforço de adaptar o potencial transformador do teatro brechtiano às demandas de um contexto político e cultural específico como o brasileiro.
Walter Benjamin fordert, die "undialektische Trennung zu überprüfen, die man zwischen Natur- und Geisteswissenschaft zu etablieren suchte". Damit beabsichtigt er, die Geisteswissenschaften zu modernisieren, deren wahre Bestimmung er in der Auseinandersetzung mit den aktuellen Phänomenen der Gegenwart sieht. Im Aufsatz wird gezeigt, dass Benjamin die Trennung von Natur- und Geisteswissenschaft mithilfe der dialektischen Methode, die er dem historischen Materialismus entlehnt, zu überwinden beabsichtigt. Anstatt eines unversöhnlichen Gegensatzes geht er von einer Dialektik von Natur- und Geisteswissenschaften aus.
Der Literatur- und Kulturwissenschaftler Kyung-Ho Cha widmet sich in seinem Beitrag Benjamins Reaktion auf die Entdeckung der Kernspaltung im Jahre 1938. Den Ausgangspunkt des Aufsatzes bildet der Vergleich zwischen der Methode, die seiner Arbeit am Passagen-Werk zugrunde liegt, und der "Methode der Atomzertrümmerung", womit er sich auf die Kernspaltung bezieht. Im Aufsatz wird gezeigt, wie Benjamin mit dem Begriff aus der Kernphysik die in der Geschichte verborgenen und unsichtbaren Energien zu erfassen versucht.
Der folgende Beitrag stellt die Frage nach der Aktualität Gadamers für die gegenwärtige Literaturtheorie. In einem ersten Teil wird das Hauptanliegen von Gadamers Philosophischer Hermeneutik im Hauptwerk „Wahrheit” und Methode deutlich gemacht und erklärt, warum für jenes die Poetik von solch zentraler Bedeutung ist. Im zweiten Teil werden drei Richtungen der Gadamerrezeption in der neueren Literaturtheorie skizziert – nämlich die Tendenz der literarischen Hermeneutik Gadamers Werk nicht als Interpretationslehre, sondern nur als Theorie des Verstehens zu betrachten, weiter die Ablehnung von Gadamers Verteidigung eines einheitlichen Sinnes des Kunstwerks in der postmodernen Literaturtheorie und schließlich die Übernahme einzelner Theoreme Gadamers im Rahmen der literaturgeschichtlich ausgerichteten Rezeptionsästhetik von Jauß. Im abschließenden dritten Teil wird in Abgrenzung zur Rezeptionsästhetik der Vorschlag gemacht, Gadamers Ästhetik und Poetik konsequent als eine Theorie des Lesens zu rekonstruieren und darauf hingewiesen, dass in der komplexen Struktur des Leseprozesses verschiedene in ihrem Charakter entgegengesetzt wirkende Momente von Gadamers Theorie integriert werden können.
At the forefront of those who tenaciously pondered this issue are, I would claim, Walter Benjamin and Ludwig Wittgenstein. Benjamin and Wittgenstein both are philosophers of language who tried to establish in unique ways the doctrine of resemblance respectively: "Lehre vom Ähnlichen" and "[Lehre der] Familienähnlichkeit." What they see and find in language are not communication and mutual understanding but instead one of the weirdest phenomena in/of the world, viz., resemblance (likeness) in/of language. This phenomenon, I would insist, indicates the correlation of appearing and disappearing, of differentiating and integrating, and of dividing and imparting of language as such. For Benjamin and Wittgenstein, to sum up, language is a paradigmatic paradoxical site of (dis)appearance, differentiating integrity, and divisive imparting. For this reason, it is worthwhile to pin down where their thoughts on language converge and where they diverge.
O artigo aponta afinidades entre os pensamentos de Erich Auerbach e Siegfried Kracauer, discutindo procedimentos metodológicos e questões críticas recorrentes. A ênfase recai sobre matizes e implicações de suas concepções de realismo estético e sobre o interesse de seus trabalhos para o debate teórico e para o exercício da crítica literária hoje.
In einem Brief an Florens Christian Rang vom 9. Dezember 1923 schreibt Benjamin: "Mich beschäftigt […] der Gedanke, wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten. Dabei gilt mir als ausgemacht, daß es Kunstgeschichte nicht gibt". Dieser schroffen Feststellung folgen zwei Seiten, in denen Benjamin es sich zum Ziel setzt zu erläutern, was er mit diesem Satz meint, wobei er Fragen stellt und Hypothesen liefert. Benjamin hat hier also keinen dogmatischen Text verfasst, sondern es handelt sich um einen problembezogenen Brief, mit dem er sich an den Freund wendet, in der Hoffnung, dass er sich über dieses schwierige Thema äußern wird. Nach der Feststellung, dass er "ohnehin unter einer gewissen Einsamkeit [leidet,] in die Lebensverhältnisse und Gegenstand [seiner] Arbeit [ihn] gedrängt haben", schließt er nämlich: "Sollten Dir diese Überlegungen trotz ihrer Dürftigkeit die Möglichkeit einer Äußerung gewähren, so würde ich mich sehr freuen".
Eine Antwort Rangs ist nicht erhalten. Benjamins Text gibt uns (mit anderen seiner Schriften, in denen die Kunstgeschichte eine wesentliche Rolle spielt) allerdings einige Indizien, um zu verstehen, was ihn bewegte. Wenn Benjamin sagt, dass "es Kunstgeschichte nicht gibt", spricht er nicht vom Nichtbestehen dieses Fachs, sondern er artikuliert seine Unzufriedenheit bezüglich der Art und Weise, in der die Kunstgeschichte bis dato gewirkt hat, und stellt in diesem Sinne eine Forderung: die Forderung, dass die Kunstgeschichte in einer neuen Form beginnen, oder besser gesagt, wieder beginnen möge. Es geht um eine Wiedergeburt der Kunstgeschichte und ihrer Methoden. Wenn wir den Text weiterlesen, verstehen wir, dass nach Benjamin die traditionelle Kunstgeschichte keine nützliche Antwort auf die Frage liefert "wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten", weil sie mit der Histoire und nicht mit der Geschichte zu tun hat.
Eine der konstanten Fragen in Benjamins Werk ist die nach der Wirkung der geschichtlichen Bedingungen auf schriftliche und bildliche Texte.
Zwischen 1930 und 1931 schreibt und entwirft Benjamin einige seiner scharfsinnigsten und originellsten Texte. Wenn wir in einer Sentenz das Knäuel von Erfahrungen zusammenfassen möchten, das die Schriften dieser Jahre verbindet, so könnten wir an den Titel der Zeitschrift im Kreis um Brecht erinnern: 'Krise und Kritik'. In einer Schilderung seiner eigenen Verfassung dieses Jahres schreibt Benjamin an Scholem: "[T]rotzdem ich nicht die mindeste Vorstellung von dem habe, "was werden soll" - geht mirs gut. [...] [I]ch komme mir zum ersten Mal im meinem Leben erwachsen vor. Nicht nur: nicht jung mehr, sondern erwachsen indem ich eine der vielen in mir angelegten Daseinsformen nahezu realisiert habe. [...] Ich habe einen der - wahrscheinlich kurzen, vorübergehenden - Augenblicke erreicht, wo ich mich niemandem mehr abzufragen und die Bereitschaft habe, den verschiedensten Mobilisierungsbefehlen zu folgen. [...] Mein nächster Umgang ist seit ungefähr einem Jahr Gustav Glück, Direktor der Auslandsabteilung der Reichskreditgesellschaft, von dem Du eine Art Porträtabriß - cum grano salis zu verstehen - in dem "Destruktiven Charakter" findest, den ich Dir übersandte. Du erwähntest ihn nicht?" (GB IV, 61 f.). Der fragliche Text, das Fragment 'Der destruktive Charakter' aus dem Jahre 1931, das, wie es scheint, Benjamin sehr am Herzen lag, verdichtet in einem 'Denkbild' all jene Motive, die seine Textproduktion der Krisis charakterisieren. Dass es sich tatsächlich um ein Portrait eines Freundes von Karl Kraus handelt, kann nicht mit Gewissheit angenommen werden. In jedem Fall ist Gustav Glück, jenseits aller Biographismen, der Name den Benjamin jener Figur eines Revolutionärs geben wollte, die dann die Zeit des Übergangs, der Wende und der Krise verkörpert. 'Der destruktive Charakter' ist das hermeneutische Paradigma, das der Autor heraufbeschwört, um das Motiv des Grenzüberschritts aufzurufen. Er stellt das Bild fragiler und verlorener Umrisse vor, in der sich jene essenzielle Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft aufhält, die die Gegenwart ist - eine Figur, der Benjamin in einigen entscheidenden Passagen seines Werks auch den Namen 'Schwelle' verliehen hat. Auf den folgenden Seiten soll eine hermeneutische Auslegung vorgenommen werden, die den destruktiven Charakter als eine Figur der Schwelle begreift, d.h. als Figur einer dynamischen Koexistenz zwischen dialektischen Polen, die sich in einer produktiven Spannung befinden. Der destruktive Charakter steht am Kreuzweg, an einem Ort, der auf eine mögliche Veränderung hindeutet. Nach dieser Perspektive wird Benjamins Denken in eine philosophische Tradition gestellt, die von Aristoteles bis hin zu Derrida die Kategorien der Potenz, der Möglichkeit und der Virtualität privilegiert.
Wenige andere Denker des vergangenen Jahrhunderts haben es vermocht, ein vergleichsweise vielfältiges, komplexes und gleichzeitig einheitlich inspiriertes, dazu einen unübertroffenen kulturellen Reichtum enthaltendes und ausstrahlendes Werk geschaffen zu haben, wie Ernst Bloch.
Ernst Bloch, geboren in Ludwigshafen am Rhein 1885, gestorben 1977 in Tübingen, ist mit seinem Werk in der Zwischenkriegszeit aufgetreten. Nach dem Studium von Philosophie, Germanistik, Physik und Musik promovierte er 1908 mit einer Arbeit über Heinrich Rickert. Hörer bei Georg Simmel, befreundet mit Georg Lukács, Margarete Susman, Max Scheler, verblieb er mit ihnen im Verhältnis eines regen intellektuellen Austausches, und selbst eine starke Individualität, ließ sein Bewußtsein zum gefühlt-reflektierten Begegnungsort werden sowohl der reichlich zu Jahrhundertanfang sich ausschüttenden künstlerisch-philosophischwissenschaftlichen Versuche (Expressionismus, Phänomenologie, Bergson, neue Physik, Marxismus) als auch der Erbschaft der alten Meister, zu denen er sich, trotz der trennenden Jahrhunderte, als Schüler bekannte: Aristoteles, Thomas von Aquin, Eckhart, Jakob Böhme, Kant, Fichte, Hegel und Goethe. Kaum ein anderer Denker unserer Zeit hat in sich solchen kulturellen Reichtum verarbeitet und in ein vielfältiges, umfassendes, mehrschichtiges Werk einfließen lassen.
Das erste Buch, 'Geist der Utopie' (1918), sollte eine Proklamation der neuen Philosophie sein. Mitten in der Darstellung der Atmosphäre des Jahrhundertanfangs: des Zerfalls, der Todesbedrohung, der Vermischung der bisher getrennten Sphären der Wirklichkeit, der Ahnungen des Endes der Welt und Neuanfangs und intensiver künstlerischer Selbstsuchen, gründete es eine Metaphysik, in der vom Dunkel des jeweils als Augenblick Gelebten ausgehend über dessen kulturelle Vermittlungen und Weltprozesse sein Adäquates, das Selbst der Menschen und somit das Wesen der Welt im Akt der Selbstbegegnung faßbar wären.
Franz Janowitz je autorem skici s názvem "Die Biene". Tento krátký alegorický text sice používá metaforu včely, v té době již tradiční, netradičně ji ovšem přenáší do oblasti podstaty sexuality ženského pohlaví, čímž metafora nabývá oproti obvyklé pozitivní konotaci konotaci negativní. Autor prostřednictvím této dekontextualizace zdánlivě pojednává o životě včel, ve skutečnosti se ale zabývá ženskou sexualitou v duchu filozofie Otty Weiningera, jíž byl prokazatelně ovlivněn.
Anfang April 1884 entdeckte Freud im "Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften" eine Rezension zu einem kurzen Aufsatz Theodor Aschenbrandts. Aschenbrandts Artikel war vier Monate zuvor in der "Deutschen Medicinischen Wochenschrift" erschienen und stellte einen in Europa noch weitgehend unbekannten Wirkstoff vor, an dessen Erforschung nun Sigmund Freud erhebliche Zukunftshoffnungen knüpfte.
Aschenbrandt hatte in seiner Studie vom 12. Dezember 1883 in der "Medicinischen Wochenschrift" während einer Waffenübung eines bayerischen Armeekorps den Soldaten Kokain verabreicht und dabei eine beträchtliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit, insbesondere der Marschfähigkeit unter erschwerten Bedingungen, sowie länger ausbleibende Erschöpfung durch Nahrungs- und Schlafentzug festgestellt. Das weckte das Interesse Freuds, der 1884 als schlecht bezahlter Assistenzarzt des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ein verstärktes Interesse daran hatte, sich durch wissenschaftliche Forschungen einen Namen zu machen
"Oft sagte er aus dieser Stimmung heraus: Unser Gespräch mit Franzosen bleibt doch immer das Bankett des Fuchses mit dem Storch - ewiges Mißverständnis".
Die Quelle dieses von Hofmannsthal - laut Zeugnis von C. J. Burckhardt - häufig zitierten Vergleichs der Deutschen und Franzosen mit dem Verhältnis der beiden Tiere zueinander ist bekannt; es ist die Fabel La Fontaines: "Le Renard et la Cigogne", die ihrerseits auf Äsop und Phaedrus zurückgeht. Weniger bekannt ist dagegen, daß Hofmannsthal die Fabel nicht als erster auf die beiden Völker bezogen hat, sondern daß er den Vergleich bereits bei Madame de Staël und bei Goethe vorfinden konnte. Es ist reizvoll, die jeweiligen Ausführungen miteinander zu konfrontieren und an der unterschiedlichen Akzentuierung des Vergleichs nicht nur die kulturellen Positionen der Autoren abzulesen, sondern zugleich verschiedene Spielarten des Fremdverstehens kennenzulernen.
Warum geht Benjamins Flaneur nicht zur Oper? Wir kennen seine Routen durch das Paris Haussmanns; wir kennen die Stationen seines Weges, in den Passagen, den Panoramen, den Bordellen. Die Avenue de l'Opéra, mit ihren geraden Sichtlinien und den nahen Warenhäusern ist ihm vertraut, der Gang ins Gebäude selber aber scheint ihm fremd. Im Passagenwerk wird die Oper dreimal erwähnt, Wagner zweimal – mit Oper ist jedes Mal das Gebäude gemeint, die Wagner-Passage ist ein Zitat von Adorno. Klang, Musik, Gehör – das alles fehlt bei Benjamin, oder ist zumindest erstaunlich selten. Das lässt einerseits die Vorstellung, mit Benjamin gewappnet in die Oper zu gehen, als etwas absurd erscheinen, andererseits vermittelt es den Eindruck, als ob es zwischenzeitlich zum Klischee verkommen sei, mit Adorno in die Oper zu gehen.
Im Folgenden möchte ich aber versuchen, eine Benjamin'sche Sicht auf die Oper zu entwickeln. Dennoch glaube ich nicht, dass man bei einem solchen Unterfangen die theoretische Taubheit Benjamins, sein genuines Desinteresse an Musik und Oper, einfach forsch korrigieren kann, ganz so als wäre Benjamin selber vielleicht dazu gekommen, hätte er mehr Zeit und Welt gehabt. Das hieße also, wir müssen mit Benjamin die Oper denken, und mit Benjamin die Oper nicht denken, uns mit Benjamin der Oper verschließen, sie ignorieren. Das klingt paradox, aber glücklicherweise war Benjamin ja Dialektiker. In einer bisher ungedruckten Vorlesungsreihe zur Dialektik wandelt Theodor W. Adorno in den Spuren seines toten Freundes – er flaniert, und zwar in die Oper. Ich glaube, dass Adorno uns [...] einen ersten Wink gibt, wie Benjamin zur Oper gegangen sein könnte – nämlich gar nicht.