BDSL-Klassifikation: 17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) > 17.18.00 Zu einzelnen Autoren
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Am 18.6.1906 schreibt ein junger Autor einen vierseitigen Brief an Houston Stewart Chamberlain. Ein Jahr zuvor ist dessen Kant-Buch erschienen, und die 'Grundlagen des 19. Jahrhunderts' gehen in die 8. Auflage; es sind viel diskutierte Publikationen. Die Grundlagen werden in den Augen der Zeitgenossen weniger als Rassentheorie, denn als sozialphilosophische Analyse wahrgenommen. Auch Chamberlains dickleibige Kommentare zu Wagner und Goethe werden gefeiert Nicht nur das deutsch-völkische Spektrum, sondern auch die jüdische aAvantgarde wie Karl Kraus und Martin Buber interessieren sich für den Mann. Er schafft den Sprung von der 'Fackel' zum 'Völkischen Beobachter'.
Den Brief an Chamberlain schreibt Arthur Trebitsch, der darin kundtut, daß er lange überlegt habe zu schreiben, weil er keine Berührung mehr mit den "officiellen Vertretern des philosophischen Denkens" wünsche. Die Professoren seien die, welche "sich hauptsächlich mit den Denkergebnissen anderer beschäftigen u. nicht selbst Denkergebnisse zu Tagen fördern".
Benns literarische Tätigkeit nimmt ihren Ausgang im avantgardistischen Aufbruchszenario der Künste und inmitten der theoretischen Umwälzungen in der Wissenschaft um 1910. Sie findet in der expressionistischen Dekade zu ihrer aggressiven Stimme durch eine Radikalisierung von ästhetizistischer Stimmung mit ihrer idiosynkratischen Mischung aus kultivierter Weltdistanz und introspektiver Selbstauflösung. In der Vielschichtigkeit stilistischer Strömungen der Jahrhundertwende waren allenfalls unterschwellig Einheitsmomente eines Epochengefühls wirksam. Ex negativo etwa eine Aushöhlung des religiösen Glaubens, das Poröswerden moralischer Verbindlichkeit, die Diskreditierung sittlicher Vernunft, Zweifel am wissenschaftlichen Fortschritt oder an sprachbasierter Kommunikations- und Erkenntnisfähigkeit. Unwägbar Diffuses wie allgemeine Krisenstimmungen, soziale Anomien, entfremdetes Zeitgefühl wurde seit 1900 wieder diskursfähiger, einmal mehr kursierten in Europa Phantomschmerzen über den Verlust ganzheitlicher Existenzbindungen und gesamtkultureller Einheit. Die Gründe hierfür wurden sowohl im Unglaubwürdigwerden überkommener Gottesvorstellungen oder im Nichtankommen des (neu)romantischen kommenden Gottes gesucht als auch in den Folgen umgreifend gewordener Industrialisierung, Urbanisierung und Verwissenschaftlichung. Der von Döblin als "abtrünnigen Christen" identifizierte Benn wird in der berühmten Akademierede 1932 vom "Realitätszerfall seit Goethe" sprechen.
Wenn man die Broch'schen Betrachtungen durchblättert, wie auch jene einiger Zeitgenossen, scheinen sie nicht nur ideengeschichtliche Resonanz, also rein akademisch-historisches Interesse, auszulösen, vielmehr erinnern viele Äußerungen an die Gegenwart oder regen zu Vergleichen mit der späteren Moderne (oder eben: mit der Postmoderne, Spätmoderne oder zweiten Moderne) an. Man stolpert über Beobachtungen, die sich in gegenwärtigen zeitdiagnostischen Studien wiederfinden, zum Teil bis in die Wortwahl hinein. Natürlich könnte man beide Arten von Literatur, damals wie heute, damit abtun, dass sich kulturpessimistisches Vokabular immer in gleicher Weise darstelle und demgemäß die verwendeten Denkfiguren immer ziemlich ähnlich seien. Man könnte aber auch dem Gedanken nachgehen, ob es sich nicht bei den beschriebenen Phänomenen um solche handelt, die seinerzeit, schon an der Wende zum 20. Jahrhundert, ihren ersten "Anlauf" zu verzeichnen hatten, während sie, nach mancherlei Bremsversuchen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts erst in der Gegenwart zur vollen Entfaltung gelangt sind. Es könnte ja sein, dass schon in jener Zeit, als die Moderne erst so recht zu sich selbst gekommen ist, kräftige Tendenzen hin zu jener Welt spürbar und wahrnehmbar geworden sind, die als Postmoderne zu bezeichnen man sich mittlerweile angewöhnt hat. Die historische Zeitdiagnose könnte sich mit der aktuellen Zeitdiagnose überlagern. Es könnte - schon damals - von "uns" die Rede gewesen sein. Wie "postmodern" war Broch?
"Der Arme wartete tausend Jahre vor der Pforte des Paradieses, und dann, als er ein kleines Schläfchen nahm, öffnete und schloß es sich."
Sprichwort aus Persien
War das nicht das Kernmotiv der Türhüter-Legende in Kafkas "Der Proceß"? In der Kafka-Forschung, so dachte ich, wird dieses eigentümlich narrative Sprichwort wohl schon seit langem bekannt sein; und ich nahm mir vor, mir darüber Gewissheit zu verschaffen. Soviel ich inzwischen gesehen habe, wird jedoch in den Quellenstudien zur Türhüter-Legende weder das persische Sprichwort erwähnt noch auch irgendeine andere Quelle mit vergleichbarem Inhalt. Ich stelle daher einige Beobachtungen zur Diskussion, die mir für die Annahme eines Quellenbezugs zu sprechen scheinen. Um mehr als eine Annahme kann es sich nicht handeln, da ich die von Kafka mutmaßlich genutzte Quelle nicht habe ermitteln können. Ich denke aber, dass der Textvergleich selbst dann erhellend ist, wenn ein Quellenbezug auszuschließen sein sollte, käme dabei doch zum Vorschein, dass die Türhüter-Legende ein Motiv enthält, das in seiner Grundform in einer sozusagen archaischen Phantasietätigkeit beheimatet ist.
Die kulturhistorische Forschung hat Gertrud Kantorowicz (1876-1945) - anders als ihren Cousin, den berühmten Mediävisten Ernst Kantorowicz - nur gelegentlich beachtet. Dabei hat die Simmel-Vertraute, promovierte Kunsthistorikerin und wohl einzige Dichterin des George-Kreises ein nicht unbeträchtliches Werk hinterlassen, darunter etwa eine bislang nicht gewürdigte Reihe von Michelangelo-Nachdichtungen und die bedeutende Übersetzung von Bergsons "L'évolution créatrice".
The theme of Wagner's opera 'Tannhäuser' is the conflict between the artist and society, between nonconformism and servility to the dictates of a regime, with all its dogmas and taboos. This theme remains real and 'modern' to this day, and it has been acted out several times in German history. 'Truth fanatics' – artists, academics and intellectuals – have repeatedly been ostracized, boycotted or mocked. One such figure was Alfred Döblin, nowadays a half-forgotten novelist who returned to post-war Germany after several years of exile to participate in the country's spiritual regeneration. Döblin's novel 'Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende' – begun during the writer's Hollywood exile – can be viewed as a work of 'Trauerarbeit' – a way of dealing with the Nazi past. This paper examines the questions asked by Döblin and the problems he faced in the nascent Federal Republic of Germany, using his 'Hamlet' as a source of illustrative examples. Wagner's 'Tannhäuser' – a work to which Döblin was strongly drawn – serves as a framework.
The poetic language of the Nobel Prize winner Nelly Sachs has already been examined from several points of view. Nelly Sachs has often been mentioned in connection with Klopstock and Hölderlin owing to her 'high tone' (cf. e.g. Paul Hoffmann's article 'On Nelly Sachs' Pathos' from 1994).
However, even earlier than the style which Hoffmann characterized as the "seed of the concise, hermetic late style with a more moderate pathos", literary techniques other than pathetic speech can be found in the work of Nelly Sachs. In the poems 'WE ARE SO sore', 'SOMEONE COMES', 'A PUNCH' behind a hedge, there is a laconic style, far removed from all hermeticism, which is able precisely to depict the impact of the Shoah on its survivors. This style seems to be cognate with Kaschnitz's late elliptical works, Celan's "greyer language", and Bachmann's laconic poems, all from the 1960s. It is this particular style that is examined in this article.
Dějiny šlechtického rodu Lichnowských otevírají vhled do evropského kulturního panoramatu od poslední čtvrtiny 18. století až do konce první poloviny 20. století. Členové této knížecí rodiny se proslavili nejen svou vlastní literární a hudební tvorbou, ale také kulturními kontakty se soudobými umělci. Taktéž biografie kněžny Mechtildy Lichnowské (1879–1958) je protkána přátelstvími s německy a anglicky píšícími autory, hudebními skladateli a v neposlední řadě soudobými malíři. Předložená studie navazuje na dlouhodobý výzkum zabývající se fenomenální kulturní kontinuitou šlechtického rodu Lichnowských a přibližuje kontakty kněžny Mechtildy Lichnowské a Hugo von Hofmannsthala. Přátelství obou autorů bylo formováno jejich literárními a hudebními zájmy, jež ovlivňovaly vzájemnou, umělecky podnětnou výměnu názoru. Reflexe dramatické tvorby Hugo von Hofmannsthala a obraz jejich několika setkání, zachycený ve vzájemné korespondenci, doplňují mozaiku informací o literární tvorbě, kontaktech, názorech a uměleckém vývoji obou spisovatelů.
L'intera riflessione filosofica di Günther Stern/Anders si snoda intorno al motivo della indeterminatezza costitutiva dell'essere umano che non riesce mai a cogliere la propria essenza in un nucleo definito e stabile, ma soltanto nell'accettazione della propria irriducibile contingenza. È questo il cuore di quell'antropologia negativa che Anders aveva già abbozzato nell'ambito di una conferenza tenuta nel 1929 presso la "Kantgelleschaft" di Francoforte e dal titolo "Die Weltfremdheit des Menschen" (fino a poco tempo fa disponibile solo nella versione francese, da cui è stata mutuata la versione italiana: La natura dell’esistenza e Patologia della libertà). Questo scritto giovanile - che nella intenzione originaria doveva essere solo il primo
passo di un sistema di antropologia filosofica - abbozza in sorprendente anticipo rispetto ai tempi e in maniera del tutto autonoma motivi che diventeranno correnti dopo le riflessioni antropologiche di Plessner e di Gehlen. Al centro dell'argomentazione andersiana sono infatti i temi dello "sradicamento", della "contingenza" e della "vergogna (Scham)" costitutiva all'essere umano che non può mai padroneggiare la propria origine.
Mais do que um princípio formal, a noção de ensaísmo de Robert Musil adquire o duplo estatuto de uma "utopia" e de uma atitude diante da realidade. É esse duplo viés que permitirá à arte preservar-se como potência crítica e epistemológica num contexto de crise cultural e de valores na Europa no início do XX. Este artigo aborda a noção de ensaísmo de Musil a partir de seus textos críticos e de seu romance "O homem sem qualidades", demonstrando como as idéias expostas no registro estritamente "ensaístico" se configuram no âmbito da representação poética, consumando assim a "utopia" pretendida pelo autor, de fundar novas relações entre as esferas da razão e do sentimento, da ciência e da arte, da objetividade e da subjetividade.