BDSL-Klassifikation: 17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) > 17.17.00 Stoffe. Motive. Themen
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Die Großstadt als apokalyptischer Raum in der frühexpressionistischen Lyrik und Bildenden Kunst
(2013)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Apokalypse eine prominente Form der künstlerischen Artikulation. Ihre immanente Zerstörungsgewalt schlägt sich nicht nur sozial und politisch nieder, sondern auch ideengeschichtlich und ästhetisch, wobei Negation, Abkehr von mimetischen Darstellungen sowie Abstraktion und Destruktion gängige Darstellungsmittel sind. Besonders in der Zeit um den Ersten Weltkrieg lässt sich dabei eine "Hochkonjunktur apokalyptischer Bildlichkeit und Tonlagen" erkennen.
Doch was verstehen wir eigentlich unter Apokalypse? Im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in den Künsten operieren wir mit einem Begriff, der aus dem letzten Buch der Bibel stammt, welches seinen Namen aus dem ersten Wort im griech. Original erhielt: άποκάλυψις, was mit Enthüllung oder Offenbarung übersetzt wird. Als Gattungsbezeichnung Apokalyptik wird der Begriff auf religiöse Schriften angewandt, die geheimes Wissen über die Geschichte und Zukunft der Welt und deren Ende offenbaren. Obwohl sich apokalyptische Schriften schon im Alten Testament finden, ist die Johannesoffenbarung aus dem Neuen Testament Namensgeberin dieser literarischen Gattung und hat die europäische Geisteshaltung maßgeblich beeinflusst.
Die Johannesoffenbarung ist geprägt durch ein dichtes Handlungs- und Bildgeflecht. Mit einer Fülle an Bildfolgen werden die Schrecken der kommenden Endzeit, das Weltgericht und die Errichtung eines kommenden Heils dargestellt. Die Apokalypse enthält Motive, die zum kulturellen Gemeingut avancierten. So verbinden wir mit apokalyptischen Szenarien beispielsweise folgende Beschreibung aus der Offenbarung: "da ward ein großes Erdbeben, und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut, und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde" (Offb 6,12–13).
Ferner sind die apokalyptischen Reiter sowie Plagen, Sintflut und Finsternis Motive, die wir mit Zerstörung und Weltuntergang assoziieren. Zudem findet sich in der Apokalypse ein steter Dualismus zwischen Alt und Neu, Ende und Anfang, Gut und Böse, den wir auf qualitativer, moralischer sowie personaler und bildlicher Ebene auch in der expressionistischen Kunst finden.
Darstellungen der Erwerbsarmut sind in der deutschen Literatur spätestens seit dem 19. Jahrhundert weit verbreitet, prominente Beispiele stellen etwa Georg Büchners "Woyzeck" als schockierende gesellschaftliche Analyse des Teufelskreises aus Armut, Erniedrigung und Unterdrückung des Paupers sowie Gerhart Hauptmanns "Die Weber" als desillusionierende Darstellung der Ausbeutung des Proletariats dar. In den 20er und 30er Jahren gerät eine neue soziale Schicht in den Fokus der Aufmerksamkeit, die in zahlreichen sozialen Studien und literarisch, nun vorrangig nicht mehr in der Form des sozialen Dramas, sondern im Genre des neusachlichen Romans, aufgegriffen und beleuchtet wird: die Angestellten.