840 Literaturen romanischer Sprachen; Französische Literatur
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Mit der Darstellbarkeit des Denkprozesses an sich beschäftigt sich der französische Lyriker und Philosoph Paul Valéry. Denn durch die Materialisierung dieser Prozesse, d. h. durch den Versuch der exakten Dokumentation, werden sie analysierbar und ihr Potential allererst begreifbar. Technische Genauigkeit wird hierbei zum methodischen Ideal. Gemäß dem Beitrag von Lucas Knierzinger sucht Valéry explizit nach einer präzisen, systematisierenden Notationsform, die mit dem variierenden Schreibfluss seiner "Cahiers" in Spannung tritt und den in der Handschrift sedimentierten Denkprozess in Erscheinung treten lässt. Mit Eggerts laboratorischen Versuchsanlagen vergleichbar, bezeichnet Valéry die Interaktion von Lesen und Sehen bei der anschließenden kritischen Betrachtung dieser faksimilierten Manuskriptseiten auch als analytische 'machine à lire'.
Liebe und Tanz sind allgegenwärtig, kontrastierende Akte ('entrées') ersetzen die strenge Bauform der Tragödie, Gesangsnummern changieren zwischen Virtuosität und Leichtigkeit: Mit Werken wie "L'Europe galante", "Les Indes galantes" oder "Les surprises de l'Amour" kultiviert das französische Musiktheater in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Opéra-ballet. Neben thematischen und gestalterischen Rokoko-Klischees halten hierüber wichtige Innovationen Einzug: musikalische Klangfarbenregie trifft, weit vor Gluck und Mozart, auf eine stoffliche Neuausrichtung der Oper. Nicht mehr mythologische Held:innen, sondern bürgerlich-komödiantische Figuren dominieren die Szene - in einem 'realen' Umfeld, das sogar den europäischen Kontinent als Schauplatz verlässt. Was der Komponist Rameau und sein Librettist Fuzelier 1735/36 mit ihren "Indes galantes" vorlegen, darf auch knapp 300 Jahre nach der Uraufführung im künstlerischen Sinne grenzüberschreitend genannt werden.
"Andromaque", die zweite Tragödie, mit der Racine an eine Euripideische Vorlage und damit an die Tradition der griechisch-antiken Tragödie anknüpft, ist ein Drama des Leidens und Mitleidens. Der vorliegende Beitrag untersucht die Sprache und Bildlichkeit der Affekte, die Racines Tragédie im intertextuellen Rekurs auf entsprechende Passagen in Homers "Ilias", Euripides "Andromache" und Vergils "Aeneis" entwickelt. Als Schlüsselaffekt der Tragödie erweist sich die 'pitié', die im Verlauf des Dramas verschiedene Formen annimmt: mal verbindet sie sich mit erotischem Begehren (Pyrrhus), mal mit Trauer und Klage (Andromache). Dabei treten uns die Emotionen und Affekte der Figuren oft im Medium prägnanter Szenen entgegen, denen besondere Bedeutungsdichte und visuelle Ausdruckskraft eigen ist. Von diesen 'Pathosszenen' gilt vor allem der in der Figurenrede wiederholt evozierten Triade von Andromache, Astyanax und Hektor Beachtung, die als sprachlich-bildhafte Figur die dramenpoetische Affektmodellierung bestimmt.