Berichte des Sonderforschungsbereichs 268
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05, 269
Einmal im Jahr, einundzwanzig Tage nach dem für Ahnen und Jenseitsmächte zelebrierten Erntedank, würdigen König und Hofstaat mit einem gesonderten Fest, Bugum Yaoge~, den Vorfahren, von dem sich die Tenkodogo-Dynastie in direkter Linie herleitet: Naaba Bugum. Naaba Bugum selbst hat seinen Fuß wahrscheinlich nie nach Ye~le~yan gesetzt, wie Tenkodogo - in Anlehnung an einen nahen Regenzeitfluß - damals noch hieß. Naaba Sigri leitete den Beginn einer Expansion ein, die etwa hundert Jahre später, unter einem seiner Nachfolger, Naaba Bãogo, zur Unterwerfung der südlichen Bisa von Loanga und Bane und damit zur größten territorialen Ausdehnung vor Einzug der französischen Kolonialmacht führen sollte.
05, 177
Im SW Burkina Fasos (sechs Monate Regenzeit und durchschnittlich über 1000 mm Niederschlag) wurden mehrere Trockenwälder auf ihr Artenspektrum und die Bodenverhältnisse hin untersucht. Die Waldformationen fallen durch die Dichte der Gehölzbedeckung, ihren Lianenreichtum und das fast vollständige Fehlen von Gräsern auf. Typische Gehölzarten sind Anogeissus leiocarpus, Diospyros mespiliformis und die Liane Saba senegalensis. Der dichte Strauchunterwuchs und die fehlende Grasschicht verhindern das regelmäßige Eindringen von Buschfeuern. Wegen der Dichte und des Alters der Bäume belegen diese Waldformationen, daß an den Standorten, zumindest für einen sehr langen Zeitraum, kein Feldbau betrieben wurde. Daher konnten sich, auch auf eher als ungünstig zu bewertenden Böden, Trockenwälder ausbilden, die zumindest in ihrer Physiognomie der potentiellen natürlichen Vegetation entsprechen. Jedoch finden sich in den Wäldern oft Spuren menschlicher Aktivitäten aus der Vergangenheit, so z.B. Steinsetzungen, Siedlungshügel und Gruben. Außerdem lassen sich vielfach Anzeichen einer rezenten Nutzung beobachten, so z.B. für die Entnahme von Werkholz, das Schneiteln mancher Baumarten zur Viehfuttergewinnung, gelegentliche Beweidung und das Sammeln von Wildpflanzen.
05, 163
Die weidewirtschaftliche Nutzung beeinflußt seit Jahrtausenden den Natur- und Kulturraum der westafrikanischen Savanne. Die Beweidung durch die verschiedenen domestizierten Tierarten hat in diesem Zeitraum einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Vegetationszusammensetzung gehabt und das vor allem in der Krautschicht. Übermäßige Beweidung kann - wie zahlreiche Untersuchungen zeigen - zu einschneidenden Veränderungen in der Pflanzendecke führen, die letztlich in einer völligen Zerstörung der Vegetation gipfeln können. Dieser Prozess wird landläufig als Überweidung bezeichnet und gilt als eine der wesentlichen Ursachen für Landschaftsschäden. Die in den letzten Dekaden ständig anwachsenden Tierbestände in Afrika südlich der Sahara haben die Situation weiter verschärft. Folgerichtig konzentrieren sich Meliorationsvorschläge auf eine Verringerung der Besatzdichte auf ein tragfähiges Maß. Angestrebt wird ein geregeltes Weidemanagement, das eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen ermöglicht. Trotz teilweise jahrzehntelanger Bestrebungen konnte dieses Ziel bis dato nicht erreicht werden, so daß in jüngerer Zeit Fachwissenschaftler zu der Überzeugung gekommen sind, daß diese Mißerfolge bereits auf Fehler in den grundlegenden Überlegungen zurückzuführen sind. Die aus diesen neuen Überlegungen resultierenden Modellvorstellungen in der Weideökologie sollen an dieser Stelle vorgestellt werden. Dabei wird vor allem auf die Problematik der Beurteilung und Bewertung des Überweidungsprozesses eingegangen.
05, 017
Wasserfahrzeuge sind die ersten Verkehrsmittel der Menschheit. Es gibt Überlegungen, ob sie eine zentrale Rolle beim Vordringen der neolithischen Lebensweise nach Mitteleuropa gespielt haben, aber auch zwingende Annahmen, dass sie bereits in weitaus früherer Zeit zur globalen Verbreitung des Menschen beigetragen haben. Im Rahmen des Frankfurter Sonderforschungsbereichs "Westafrikanische Savanne" wurden im nigerianischen Teil des Tschadbeckens Untersuchungen an einem Boot vorgenommen, dessen Alter eine neue Sicht über die Beteiligung Afrikas an der Geschichte der Verkehrsmittel erfordert. Das im Folgenden vorgestellte Boot stammt aus einer Zeit, die im Tschadbecken archäologisch nur außerhalb der damaligen Erstreckung des Mega-Tschads faßbar ist und die der Erfindung der ältesten Fortbewegungsmittel der Menschheit einen originär afrikanischen Ursprung verleiht.
05, 215
Die Faktoren, die das Gefüge und den Aufbau eines Satzes bestimmen, sind möglicherweise schwerer zu definieren als die die Landschaft bestimmenden Geofaktoren. Verkürzt gesagt, richten sich die verschiedenen Satztypen nach den mannigfaltigen Intentionen, die der Sprecher mit seiner Aussage verbindet. Die Mittel, die die einzelne Sprache zum Ausdruck dieser vielfältigen Intentionen beim Aufbau und bei der materiellen Ausstattung eines Satzes zur Anwendung bringt, müssen etwas mit dem je spezifischen "Geist" einer Sprache zu tun haben; sie bestimmen letztendlich den Charakter einer Sprache. Ob sie im Geiste einer großen Redundanz und Explizität auf den Plan treten und zur Wirkung kommen oder ob äußerste Sparsamkeit, Kargheit und Ökonomie das äußere Bild eines Satzes prägen, dürfte unter anderem von zwei Grundfaktoren abhängen) vom geschichtlichen Schicksal der betreffenden Sprachgemeinschaft, d.h. von ihrer kulturellen Entwicklung, den inneren Prozessen und äußeren Kontakten und Einflüssen, denen sie im Laufe der Jahrhunderte und -tausende unterworfen war, und von dem geistigen Charakter und Format der Sprechergemeinschaft. Zur praktischen Demonstration des hier Gemeinten bietet sich aus mehreren Gründen die Sprache der Tangale im Raume südlich von Gombe an.
05, 113
Bei den hier vorgestellten ethnologischen und geomorphologischen Aspekten von Brunnen und Getreidespeichern in der firgí-Region Musenes wird besonders die "angepaßte Technologie" der hier lebenden Menschen deutlich. Die kulturelle Entwicklung der Region hängt eng mit den besonderen naturräumlichen Bedingungen zusammen. Die Eigenbezeichnung als firgiwú (die Leute des Tons) verweist auf eine Beziehung der Bewohner zum Naturraum, in dem Ton eine besondere Rolle spielt und für den es spezielle Berufszweige gibt. Die Ressource Ton wird, gleichwohl im Bewußtsein, daß es sich hierbei um regionalspezifische Aspekte handelt, als integrierendes Moment über die ethnischen Grenzen hinweg als Teil ihrer firgiwú -Kultur verstanden. Offensichtlich hat diese eine lange Tradition. Interessant wäre, ob in anderen ähnlich ausgestatteten Naturräumen in Westafrika eine vergleichbare Anpassung bzw. Nutzung des Naturraumes zu finden ist, bzw. wie dort die Nutzungsstrategien aussehen.
05, 093
Anlaß für die exemplarische Untersuchung des Siedlungsmusters der Gulmance-Siedlungen südlich der Chaîne de Gobnangou waren die augenfälligen Siedlungsdisparitäten und die unübersehbaren Kongruenzen zu den naturräumlichen Gegebenheiten in der Region. Schon der Blick auf eine Karte der Bevölkerungsdichten in den einzelnen Provinzen Burkina Fasos zeigt, daß die Siedlungsdichte in den nahezu ausschließlich von Gulmance besiedelten Provinzen Gourma und Tapoa weit unter dem Landesdurchschnitt liegt. Innerhalb der Provinz Tapoa wiederum fällt auf, daß Gebieten mit relativ hoher Bevölkerungsdichte nahezu unbewohnte Regionen gegenüberstehen. So reihen sich die Ortschaften der Gulmance in den Vorländern des Höhenzuges von Gobnangou dicht an dicht, während die Flachlandschaft rund um die Provinzhauptstadt Diapaga äußerst dünn besiedelt ist. Ebenso ist die südlich des Gobnangou-Massivs liegende Pendjari-Ebene, deren überwiegender Flächenanteil von Nationalparks eingenommen wird, nahezu unbesiedelt.
05, 243
Lehnwörter dienen als wichtiges linguistisches Indiz für Sprachkontakt, d.h. der Koexistenz mehrerer Sprachen innerhalb einer bestimmten Region, deren Sprecher diese Sprachen alternativ verwenden. Sprachkontakte können im politischen, historischen, geographischen und/oder kulturgeschichtlichen Kontext betrachtet werden. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit linguistischen Einflüssen des Kanuri, einer nilosaharanischen Sprache, auf das Gamergu, das zur afroasiatischen Sprachfamilie gehört. Beide Sprachen werden in Nordost-nigeria gesprochen. Anhand von Beispielen aus dem Bereich der Lexik soll ein Zusammenhang von Geschichte und Linguistik deutlich werden. Lehnwörter im Gamergu finden sich in allen Bereichen des Kulturwortschatzes. Die hier aufgeführten Beispiele können dem semantischen Feld "Naturraum" im weiteren Sinne zugeordnet werden, wie z.B. Pflanzen, Bäume, Tiere, Himmelsrichtungen, Mineralien und Körperteile.
05, 203
Während über Flora und Vegetation der Wälder, Savannen und Äcker Westafrikas zahlreiche Veröffentlichungen vorliegen, hat man sich mit der ruderalen Flora und Vegetation der Siedlungen bisher nur wenig beschäftigt. Im Rahmen der Forschungen des SFB 268 wurde daher in zwei Ortschaften von Burkina Faso eine Bestandsaufnahme der spontan im Siedlungsbereich und in seiner engeren Umgebung an Ruderalstandorten auftretenden Pflanzenarten durchgeführt, wobei, gemäß den Zielen des SFB 268, auf eine interdisziplinäre Relevanz der Ergebnisse Wert gelegt wurde. Daher standen die Fragen nach der Nutzung der Spontanflora durch die Bevölkerung im Vordergrund des Interesses. In der vorliegenden Arbeit wird über die für die menschliche Ernährung genutzten krautigen Wildpflanzen des Siedlungsbereiches berichtet.
05, 189
Unermüdliche Pflanzer sind die meisten Mosi, die - gemeinsam mit den Bisa - in Tenkodogo, Verwaltungshauptstadt der Provinz Boulgou im Südosten Burkina Fasos, die Bevölkerungsmehrheit stellen. Im Zentrum ihrer agrarisch geprägten Vorstellungswelt stehen die Kulturpflanzen, vor allem die Hirsearten Sorghum bicolor und Pennisetum americanum, von deren gutem Gedeihen das Überleben in jenem Gebiet weitgehend abhängt. Diese in der täglichen Ernährung unentbehrlichen Pflanzen spielen allerdings in unseren Ausführungen keine Rolle. Wir wollen vielmehr zeigen, wonach selten oder nicht genutze Wildpflanzen, vor allem Kräuter und Gräser, ihren Namen erhielten. Ihre Taxonomie stützt sich wesentlich auf Ordnungssysteme des Alltags, basierend auf der "natürlich-sozialen" Organisation und Opposition von Drinnen und Draußen, welche durch die Gegensätze Kulturland und Busch, Nutzpflanze und Unkraut, Haustier und Wildtier, Gruppenoberhäupter und gesellschaftliche Außenseiter, Menschen und Geister repräsentiert werden.