Arbeitspapiere des EVS-Projekts Personelle Einkommensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland
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Die Untersuchungen auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchs stichproben haben ergeben, daß sich hinter der für die "alte" Bundesrepublik festgestellten weitgehenden Stabilität der Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen deutliche Veränderungen auf den vorgelagerten Stufen des Verteilungsprozesses verbergen. Bei den individuellen Erwerbseinkommen sowie bei den individuellen Faktoreinkommen (nur Bezieher) sind zwischen 1973 und 1988 die hier einbezogenen aggregierten Ungleichheitsmaße zwar kaum gestiegen; Kernel Density-Schätzungen zeigen aber einen leichten Polarisierungstrend der bimodalen Verteilung, da die Dichte in den Randbereichen der Verteilung zugenommen hat und das Dichtetal zwischen den beiden Gipfeln sich gesenkt hat. Unter Berücksichtigung des Haushaltszusammenhangs - durch Zusammenfassung individueller Faktoreinkommen auf Haushaltsebene und Gewichtung mit einer Äquivalenzskala - erweisen sich die Verteilungsänderungen als noch gravierender. Die aggregierten Ungleichheitsmaße sind stark gestiegen, und das Verhältnis der beiden Modi der zweigipfligen Verteilung hat sich umgekehrt: lag 1973 der erste Gipfel im Bereich der geringfügigen Faktoräquivalenzeinkommen noch deutlich unter dem zweiten, knapp unterhalb des Durchschnitts gelegenen Gipfel, so war 1988 der erste Gipfel deutlich höher als der zweite. Die relative Häufigkeit marginaler Faktoräquivalenzeinkommen hat im Zeitablauf also eindeutig zugenommen, ebenso wie die im oberen Einkommensbereich. Dennoch kann man von Polarisierung nur in einem weiteren Sinn sprechen, da das Dichtetal zwischen den Modi 1988 höher als 1973 liegt. Es mag beruhigend wirken, daß - zumindest in der Zeit vor der Wiedervereinigung - das Abgaben- und Transfersystem die zunehmende Disparität der Faktoreinkommensverteilung insoweit kompensieren konnte, als die relative Häufigkeit des Niedrigeinkommensbereichs - hier abgegrenzt mit 50% des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens - vergleichsweise mäßig zugenommen hat. Dieser Eindruck ist allerdings im Hinblick auf die eingangs erwähnten Einschränkungen der Datenbasis zu relativieren. Die unzureichende Erfassung des oberen und des unteren Randbereichs der Einkommensverteilung läßt vermuten, daß der tatsächliche Trend zunehmender Ungleichheit und Polarisierung durch unsere Analysen unterschätzt wird.
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Das Niedrigeinkommenssegment steht im Zentrum der Kontroversen um eine Reform des Sozialstaats. Die Kenntnis seiner soziodemographischen Zusammensetzung ist daher unabdingbar, um in der betreffenden Diskussion gehaltvoll Position beziehen zu können. Besonders interessieren in diesem Zusammenhang Zeitvergleiche. In diesem Sinne wird in der vorliegenden Studie die Veränderung der Struktur des Niedrigeinkommensbereiches in der Bundesrepublik anhand einer Abfolge mehrerer Querschnitte, welche die Jahre 1962/63 bis 1988 umfaßt, analysiert. Dem Niedrigeinkommensbereich werden - in Anlehnung an neuere Ergebnisse in der Literatur über „prekären Wohlstand“ und über Abstiegsrisiken - diejenigen Personen zugerechnet, die nicht mehr als 80 v. H. des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens zur Verfügung haben. Zur vertieften Analyse wird der Niedrigeinkommensbereich nochmals in vier Teilsegmente unterteilt. Entsprechend den relativen Besetzungshäufigkeiten zeigt sich beim Vergleich mit dem oberen Einkommensbereich für spezifische Personengruppen eine Überrepräsentation im Niedrigeinkommensbereich bzw. in seinen vier Teilsegmenten. Hierbei ergeben sich im Zeitablauf einige aufschlußreiche Trends. So erhöhte sich von 1962 bis 1988 beispielsweise für Alleinstehende, für Personen in Alleinerziehenden-, in Nichterwerbstätigenhaushalten sowie für Personen in Haushalten mit einer weiblichen Bezugsperson der Grad der Überrepräsentation im Niedrigeinkommensbereich. Gleiches gilt für Personen in Haushalten mit einem hohen Mietanteil am Haushaltsnettoeinkommen bzw. generell für Personen in Nichteigentümerhaushalten. Demgegenüber verringerte sich insbesondere für Personen im Haushaltstyp einer vollständigen Familie mit vier Kindern oder für Personen in Landwirte- und Arbeiterhaushalten von 1962 bis 1988 das Ausmaß der Überrepräsentation im Niedrigeinkommenssegment.