Normative orders working paper : Normative Orders, Cluster of Excellence at Goethe University Frankfurt, Main
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2010, 06 [v.2]
Die fragmentierte Verrechtlichung des internationalen Raums, die Proliferation von Regelungsarrangements jenseits des Staates und die Diffusion globaler Normen sowie die daraus resultierenden Geltungs-, Kompetenz- und Autoritätskonflikte sind seit geraumer Zeit ein in der sozialwissenschaftlichen Literatur viel diskutiertes Phänomen. Überlappungen von nationalen Regierungssystemen und von im Völkerrecht verankerten klassischen internationalen Regimen existieren seit der Schaffung des Westfälischen Staatensystems.In jüngerer Zeit verstärkte sich der Pluralismus normativer Ordnungen jedoch global durch neuartige Typen von Regelungsarrangements jenseits des Staates. Auch unter den zwischenstaatlich geschaffenen internationalen Institutionen finden sich solche, die autonome Handlungs- und Entscheidungskompetenzen zugesprochen bekommen haben und diese als Akteure mit eigener Subjektivität ausüben. Hinzu kommt eine immer stärkere Aufnahme von „behind the border issues“ in den Aufgabenkatalog dieser Regime und Organisationen (Zürn 2004). Diese Entwicklungen führen zu einem neuen Grad an Kontestation und Umstrittenheit globaler normativer Ordnungen. Weder die Herstellung einer einheitlichen globalen normativen Ordnung noch eine Re-Nationalisierung des Rechts erscheinen heute als realistische Zukunftsprognosen. Umso wichtiger ist es daher, sich mit den Auswirkungen dieses Pluralismus’ normativer Ordnungen zu beschäftigen.
2010, 07
The first part of the following paper deals with varying points of criticism forwarded against Ordoliberalism. Here, it is not the aim to directly falsify each argument on its own; rather, the author tries to give a precise overview of the spectrum of critique. The second section picks out one argument of critical review – namely that the ordoliberal concept of the state is somewhat elitist and grounded on intellectual experts. Based on the previous sections, the final part differentiates two kinds of genesis of norms: an evolutionary and an elitist one – both (latently) present within Ordoliberalism. In combination with the two-level differentiation between individual and regulatory ethics, the essay allows for a distinction between individual-ethical norms based on an evolutionary genesis of norms and regulatory-ethical norms based on an elitist understanding of norms. A by-product of the author’s argument is a (further) demarcation within neoliberalism.
2011, 07
Based on Foucault’s analysis of German Neoliberalism and his thesis of ambiguity, the following paper draws a two-level distinction between individual and regulatory ethics. The individual ethics level – which has received surprisingly little attention – contains the Christian foundation of values and the liberal-Kantian heritage of so called Ordoliberalism – as one variety of neoliberalism. The regulatory or formal-institutional ethics level on the contrary refers to the ordoliberal framework of a socio-economic order. By differentiating these two levels of ethics incorporated in German Neoliberalism, it is feasible to distinguish dissimilar varieties of neoliberalism and to link Ordoliberalism to modern economic ethics. Furthermore, it allows a revision of the dominant reception of Ordoliberalism which focuses solely on the formal-institutional level while mainly neglecting the individual ethics level.
2017,01
Der Beitrag arbeitet die moralische Subjektivierungsform ökonomischer Verschuldung heraus. In Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsche, Max Weber und Pierre Bourdieu wird argumentiert, dass die Form der Verschuldung durch eine spezifische Zeitlichkeit geprägt ist. Die zentrale These lautet, dass sich das Zeitregime von Schuld und Schulden als paradox erweist: Einerseits ermöglicht die moderne "Entzauberung der Welt" (Max Weber) eine Öffnung auf gesellschaftliche Zukünfte hin und diese temporale Öffnung bildet auch eine notwendige Bedingung kapitalistischer Investitionstätigkeiten. Andererseits verstellt das gegenwärtige rigide Zeitregime der Schuld(en) jedoch die Möglichkeit subjektiver und politischer neuer Anfänge in der Zeit, da die Verschuldung eine Dynamik der ökonomischen Determinierung gegenwärtiger Handlungsoptionen durch den Zwang zur Rückzahlung ins Werk setzt.
2011, 02
It has become commonplace to say that, in the past, international governance has been legitimated mainly, if not exclusively, by its welfare-enhancing ‘output’. There has been very little research, however, on the history of legitimating international governance by its output to validate this point. In this essay I begin to address this gap by inquiring into the origins of output-oriented strategies for legitimating international organizations. Scrutinizing the programmatic literature on international organizations from the early 20th century, I illustrate how a new and distinctive account of technocratic legitimation emerged and in the 1920s separated from other types of liberal internationalism. My inquiry, centring on the works of James Arthur Salter, David Mitrany, Paul S. Reinsch and Pitman B. Potter, explores their respective conceptions of ‘good functional governance’, executed by a non-political international technocracy. Their account is explicitly pitched against a notion of ‘international politics’, perceived as violent, polarizing, and irrational. The emergence of such a technocratic legitimation of international governance, I submit, needs to be seen in the context of societal modernization and bureaucratization that unfolded in the first half of the 20th century. I also highlight how in this account the material output of governance is intimately linked to the virtues of the organizational form that brings it about.
2010, 04 [v.2]
Die Entwicklung des Verständnisses von globaler Ordnung ist eng mit der Etablierung dessen verbunden, was in den Internationalen Beziehungen gemeinhin als „Westfälisches Staatensystem“ bezeichnet wird. Der Abschluss der Westfälischen Friedensverträge im Jahr 1648, die den Beginn einer auf rechtlicher Gleichheit und Selbstbestimmung basierenden internationalen Ordnung in Europa markieren sollen, wird dabei häufig auch als ein zentraler Meilenstein in der Entstehung der spezifischen politischen Praxis „Außenpolitik“ verstanden. Deren konstitutives Merkmal wird insbesondere im Konzept der „Souveränität“ verortet, eine befähigende Eigenschaft politischer Akteure, frei von Fremdeinfluss in einem größeren Kontext unter Herstellung von Innen-/Außen-Grenzen handeln zu können. Somit ist dieser Begriff einer der Grundprämissen, die in der Vorstellung eines „internationalen Systems“ zum Ausdruck kommt, in dem „souveräne“ Akteure in Beziehungen zu anderen „souveränen“ Akteuren treten – also „Außenpolitik“ betreiben. Nun ist die Denkfigur des Westfälischen Staatensystems bereits aus mehreren disziplinären Perspektiven heraus kritisiert worden, dennoch scheint die Vorstellung eines Systems souveräner Nationalstaaten beachtliche Standfestigkeit zu beweisen. Das Westfälische Staatenmodell – mit seinem „master concept“ Souveränität - verbindet das Konzept von politischer Autorität mit Territorialität und Gruppe und stellt somit ein einschlägiges wie analytisch handliches Ordnungsprinzip internationaler Beziehungen bereit. Oder in Stephen Krasners Worten: „it orders the minds of the policy-makers“.
2010, 04
Die Entwicklung des Verständnisses von globaler Ordnung ist eng mit der Etablierung dessen verbunden, was in den Internationalen Beziehungen gemeinhin als „Westfälisches Staatensystem“ bezeichnet wird. Der Abschluss der Westfälischen Friedensverträge im Jahr 1648, die den Beginn einer auf rechtlicher Gleichheit und Selbstbestimmung basierenden internationalen Ordnung in Europa markieren sollen, wird dabei häufig auch als ein zentraler Meilenstein in der Entstehung der spezifischen politischen Praxis „Außenpolitik“ verstanden. Deren konstitutives Merkmal wird insbesondere im Konzept der „Souveränität“ verortet, eine befähigende Eigenschaft politischer Akteure, frei von Fremdeinfluss in einem größeren Kontext unter Herstellung von Innen-/Außen-Grenzen handeln zu können. Somit ist dieser Begriff einer der Grundprämissen, die in der Vorstellung eines „internationalen Systems“ zum Ausdruck kommt, in dem „souveräne“ Akteure in Beziehungen zu anderen „souveränen“ Akteuren treten – also „Außenpolitik“ betreiben. Nun ist die Denkfigur des Westfälischen Staatensystems bereits aus mehreren disziplinären Perspektiven heraus kritisiert worden, dennoch scheint die Vorstellung eines Systems souveräner Nationalstaaten beachtliche Standfestigkeit zu beweisen. Das Westfälische Staatenmodell – mit seinem „master concept“ Souveränität - verbindet das Konzept von politischer Autorität mit Territorialität und Gruppe und stellt somit ein einschlägiges wie analytisch handliches Ordnungsprinzip internationaler Beziehungen bereit. Oder in Stephen Krasners Worten: „it orders the minds of the policy-makers“.
01/2024
Eine finalisierte Fassung des Beitrags wird 2024 in einem von Burchard/Schmitt-Leonardy/Singelnstein/Zabel herausgegebenen Sammelband („Alternativen zum Strafrecht“) erscheinen.
Im Zentrum des Beitrags steht jedoch nicht der Versuch, positiv Alternativen zum oder im Strafrecht zu formulieren. Vielmehr ist der Begriff der Alternativlosigkeit erkenntnisleitend, konkret die Identifizierung gesellschaftlich-politischer Wirkmächte und innerstrafrechtlicher Deutungsmuster, die eine (auch) strafrechtliche Bewältigung der durch den menschengemachten Klimawandel aufgeworfenen Konflikte alternativlos erscheinen lassen können.
Dazu wird die jüngst aufgekommene Debatte um ein Klimaschutzstrafrecht aus einer zukunftssoziologischen und strafrechtswissenschaftlichen Perspektive analysiert. Im Zentrum des Beitrags steht die These, dass sich gerade die Verbindung von katastrophischen Zukunftsvorstellungen – hier erschlossen über den zukunftssoziologischen Schlüsselbegriff der Imagination und deskriptiv-analytisch als „Klimakatastrophismus“ bezeichnet – und Exzeptionalisierungen des Strafrechts als Treiber in die imaginative Sackgasse der Alternativlosigkeit erweist.
Die verdichtete Imagination, das die Zukunfts eine Katastrophe sei („Klimakatastrophismus“), befördert als ein an Boden gewinnendes kollektives Deutungsmuster eine intensivierte Sozialkontrolle und Punitivität.
Der kriminalpolitisch expansive Kurs einer mit radikalisierten Selbsterhaltungsfragen konfrontierten Gesellschaft scheint in gesellschaftlich wie dogmatisch tief verankerten Exzeptionalisierungen des Strafrechts – wie der Zuschreibung, (nur) strafwürdige Sozialschädlichkeit adressieren zu dürfen, dies aufgrund einer regulativen und expressiven Ausnahmestellung aber auch in besonderer Weise zu können (oder zu müssen) – durchaus Widerhall zu finden. Dadurch entsteht ein strafrechtsexpansives (weil rechtfertigendes) Momentum, das der ohnehin in der Herausbildung begriffenen Legalisierung eines Klimaschutzstrafrechts Vorschub leistet.
Es entspricht den vornehmen Aufgaben der Strafrechtswissenschaft, diesen Entwicklungen prospektiv vorauszugreifen, sie aufzuklären und kritisch zu wenden – gerade im Hinblick auf die Gegenläufigkeit und Brüchigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen oder die Kontingenz eines als politisch gelesenen Strafrechts. Eine kritische Strafrechtswissenschaft darf sich dabei nicht allein, allemal nicht unreflektiert auf tradierte Formen der Strafrechtsbegrenzung zurückziehen.
2017,03
Wie verhalten sich Freiheit und Geld zueinander? In der liberalen Tradition der Philosophie und der Ökonomik wird Geld meist als bloßes Mittel gefasst, dessen Einführung den Austausch von Waren erleichtert, darüber hinaus jedoch keine tiefergreifenden sozialen Folgen zeitigt. Im Gegensatz hierzu wird in diesem Working Paper der Zusammenhang von Geld und (Un-)Freiheit herausgearbeitet. Im Anschluss an die Tradition kritischer Sozialphilosophie und in Auseinandersetzung mit Marx, Simmel und der neueren Geldsoziologie wird dabei in einem ersten Schritt der paradoxe Charakter dieser gesellschaftlich eröffneten Freiheit dargelegt: Zum einen kultiviert Geld in kapitalistischen Ökonomien eine individuelle Form von Wahlfreiheit. Zum anderen wird über Geld der Zugang zum gesellschaftlichen Reichtum auf ungleiche und disziplinierende Weise strukturiert: Je nach individueller Verfügung über finanzielle Mittel ist man auf unterschiedliche Weise zum Verkauf der eigenen Arbeitskraft angehalten, um den Zugriff auf Güter und die eigene Reproduktion zu sichern. Diese paradoxe Form von Freiheit wird in einem zweiten Schritt hinsichtlich ihrer Entfremdungstendenz befragt: Insofern die über die Institution des Geldes eröffnete Freiheit ihren gesellschaftlichen Ermöglichungsgrund verdeckt, kann sie als eine fetischisierte Form von Freiheit begriffen werden.
2016,01
The grammar of global law
(2016)
Legal grammar is understood as the conceptual and linguistic foundation on which legal decisions rest – law’s meta-structure, its argumentative techniques and its systematicity. The essay distinguishes between two ways of thinking about this grammar. The first way of thinking appeals to a grammar as a stabilizing factor, maintaining the coherence of the law. The second way of thinking highlights the asymmetries of power within this structure and perceives legal grammar as the medium carrying the ideological commitments of the law. As the essay ultimately argues, both perspectives react differently to the challenges of globalization that the law is confronted with. While the debate on the grammar(s) of global law is one place where future political order is negotiated, the outcome of the debate is largely open.