Jahresgutachten ... / Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen
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1999
Die Lebenswelt ist in eine tiefe Krise geraten: das natürliche Kapital unseres Planeten, die biologische Vielfalt, erleidet drastische Verluste.Wir erleben gegenwärtig die 6.Auslöschung der Gen- und Artenvielfalt. Sie könnte die letzte große Krise, bei der vor 65 Millionen Jahren u. a. die Saurier ausstarben, an Geschwindigkeit sogar noch übertreffen. Mit dem Verlust der Tier- und Pflanzenarten gehen ihre genetischen und physiologischen Baupläne verloren, die z. B. für die Medizinforschung von großem Wert sein können. Im Bereich der Landwirtschaft stehen pflanzengenetische Ressourcen auf dem Spiel, die durch traditionelle Bewirtschaftung in Jahrhunderten herangezüchtet wurden. Diese Gen- und Artenverluste wiegen um so schwerer, als es sich um irreversible Vorgänge handelt: Verlorenes bleibt verloren, verpaßte Chancen kehren niemals wieder. Die wesentliche Ursache für das Artensterben ist der Mensch, der die Landschaften und Ökosysteme der Welt durch Raubbau an Wäldern, Flächenkonversion für die Landwirtschaft, Urbanisierung usw. verändert. Das Areal für Ackerbau ist um fast das fünffache gewachsen, während die tropischen Regenwälder – ein „Hauptorgan“ der globalen Biosphäre – flächenmäßig mehr als halbiert worden sind.
1996
Erstmals in der Geschichte wirkt sich menschliches Handeln auf die Erde als Ganzes aus. Die daraus resultierenden globalen Umweltveränderungen bestimmen das Verhältnis der Menschheit zu ihren natürlichen Lebensgrundlagen völlig neu. Dieser in seiner Geschwindigkeit einzigartige, vielfach bedrohliche Transformationsprozeß wird als Globaler Wandel bezeichnet. Er kann nur verstanden werden, wenn die Erde als ein System begriffen wird. Auch für die Wissenschaft ist dies eine große Herausforderung: Sie muß erklären, wie sich das System Erde durch anthropogene Eingriffe verändert, wie umgekehrt diese Prozesse durch die natürliche Veränderung des Erdsystems beeinflußt werden und schließlich, ob und und in welchem Maße Steuerungsmöglichkeiten des Globalen Wandels bestehen. Die Reichweite menschlichen Handelns läßt sich am Beispiel des anthropogenen Klimawandels illustrieren. So tragen die Kohlendioxidemissionen des deutschen Straßenverkehrs dazu bei, daß die Bewohner von 20.000 km entfernten Koralleninseln durch den Anstieg des Meeresspiegels ihrer Heimat beraubt werden. Damit steht die Menschheit nicht nur vor einem ethischen Dilemma, sondern auch vor einem schwierigen, möglichst schnell und kompetent zu beantwortenden wissenschaftlichen Fragenkomplex. Diese Probleme können letztlich nur von interdisziplinären und internationalen Forschungsverbünden gelöst werden.
1995
Die Berliner Klimakonferenz im Frühjahr 1995 hat einmal mehr deutlich gemacht: Um den vom Menschen verursachten Klimaveränderungen gegenzusteuern, ist ein Umdenken auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene notwendig. Ein solcher Prozeß muß für alle globalen Umweltveränderungen einsetzen; die Haupttrends dieser Veränderungen haben sich in den vergangenen Jahren nicht entschärft, sondern eher verschärft. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) beschreibt in dem vorliegenden Jahresgutachten Wege zur Lösung globaler Umweltprobleme. Zwar sind in vielen Bereichen endgültige Lösungen noch nicht erkennbar, aber der Beirat geht davon aus, daß bei entsprechendem Willen und Handeln der Beteiligten die anstehenden Probleme im Prinzip lösbar, also irreversible katastrophale Entwicklungspfade nicht zwangsläufig sind. Ob diese Wege auch beschritten werden, ist aber offen, denn es bedarf dazu erheblicher Umorientierungen im lokalen, nationalen und globalen Maßstab. Zwei Wege sind parallel zu verfolgen: Zum einen müssen die gesellschaftlichen Voraussetzungen zur Lösung globaler Umweltprobleme verbessert werden; diese Maßnahmen auf individueller und institutioneller Ebene fordern Staat und Gesellschaft. Zum anderen müssen für verschiedene Bereiche globaler Umweltprobleme in einem demokratischen Abstimmungsprozeß internationale Vereinbarungen formuliert bzw. verschärft und mit geeigneten Maßnahmen durchgesetzt werden.