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Der folgende Beitrag widmet sich einem blinden Fleck in vielen Theorien literarischer Erfahrung - nämlich nichtprofessionellen Leser*innen - und versucht zu zeigen, dass diese Blindheit nicht in der Ignoranz der Literaturwissenschaft, sondern in erkenntnistheoretischen und methodischen Problemen begründet ist, die wiederum mit dem Objektivitätsideal geisteswissenschaftlicher Forschung zusammenhängen, das die Auswahl der als untersuchbar angesehenen Gegenstände und die bei der Untersuchung angewandten Methoden determiniert.
This article is an inquiry into the concept of metaphysical experience through a joint discussion of two authors and philosophers with different approaches that nevertheless converge in the reclamation of the concept and rely both on the experience of death as an example. In both cases, the authors are guided by the central problem of how not to relinquish metaphysical experience to unscrutinized immediacy or a powerful conversion which enjoins subjection, putting it in contact with aesthetics and ethics at once. Theodor Adorno situates metaphysical experience as a problem of philosophy of history and devotes attention to the contemporary possibility of experiences that evoke transcendence. The transformations he identifies in the concept also lead him to propose art as a domain where metaphysical experience is alive. The implicit personal investment Adorno makes is much more clear in Lacoue-Labarthe who, in a dialogue with Maurice Blanchot, shows the experience as deeply bound up with literature and its links to subjectivity. The article argues that the main difference between the two approaches is modal and temporal from the side of the object, aside from the different modes of interrogation recognized with the labels deconstruction and critical theory.
Von Wissenschaft und Kunst lässt sich nicht mehr mühelos als Komplementärpaar sprechen. Die Bestimmung der aktuellen Kulturperiode wird so erschwert. Sie vollzieht sich zumindest vorerst 'ex negativo', als Abgrenzung zur abgelaufenen. Hierbei entsteht, so die These, eine veränderte Bezugslogik, die zu einer neuen Ästhetik herausfordert und Kunst und Wissenschaft entsprechend neu ins Verhältnis setzt, auch weil parallel hierzu die sich verzweigenden Naturwissenschaften den empirisch messbaren Untersuchungsobjekten einen in der zeitgenössischen idealistischen Naturphilosophie bis dato undenkbar hohen Stellenwert einräumen. Diese neue Ästhetik ist durchdrungen von den Termini und Vorstellungen der jetzt wirksamen Naturwissenschaften und setzt insofern einen Prozess der begrifflichen Diffusion und Infiltration in Gang. Sie versteht sich als Wissenschaft vom Schönen, das aber nicht nur die Kunst, sondern auch die Natur betrifft und nach begrifflicher Klärung verlangt. Für die wissenschaftliche wie für die literarische Prosa bedeutet die Entwicklung der Ästhetik auch eine Umstellung der Darstellungsverfahren auf die noch recht unbestimmte Situation. Der mikroskopische Blick der Naturwissenschaften führt zur Beobachtung kleinster Teile. Textlich wird darum ebenfalls auf Verknappung zu kleinster, aphoristischer Prosa gesetzt. Diese Entwicklung verläuft jedoch nicht einfach je für sich, sondern erweist sich als Explorationsphase des eigenen Selbstverständnisses unter den Bedingungen von Gegenteiligem.
Bei Walter Benjamin steht die Moderne im Zeichen des Verlusts. Denn er fasst Moderne nicht als Erfüllung vorgeformter Geschichte, sondern in den Spuren ihres Verschwindens. Zum Schauplatz dieser negativen Gründungsfigur wird für Benjamin der Begriff der Erfahrung. Modern ist, wer um die Erfahrung gebracht worden ist. Und so schildert Benjamin den Dichter, der von einer Ecke aus, das Glücksspiel beobachtet, als einen um seine Erfahrung gebrachten: "Der Dichter nimmt nicht am Spiele teil. Er steht in seiner Ecke; nicht glücklicher als sie, die Spielenden. Er ist auch ein um seine Erfahrung betrogener Mann, ein Moderner." (GS I, 636) Das Erkennen der Moderne im Zeichen des Verlusts und Betrogenseins entsteht durch eine Rückschau. Im zurückgewendeten Blick erscheint Moderne in der Differenz von Vergangenem und Gegenwärtigem, von vormaliger Fülle und Mangel im Jetzt. Bei aller "Schönheit" (GS II, 442), die Benjamin dabei dem Entschwinden abgewinnt, ist die vollzogene Figur melancholische Trope. Aus der melancholischen Differenz heraus scheint die Kontinuität der translatio abgebrochen. Auf diesen Bruch richtet Benjamin immer wieder seinen Blick, ob er nun über die veränderten Rezeptionsbedingungen von Kunst im "Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit" spricht oder über den Unterschied von Roman und Erzählung. Während die Erzählung bei Benjamin für das Einst einsteht, in dem Erfahrung noch tradierbar war, bedeutet die Moderne des Romans demgegenüber einen irreversiblen Verlust des Austauschs von Erfahrungen: "Es ist, als wenn ein Vermögen, das uns unveräußerlich schien, das Gesichtertste unter dem Sicheren, von uns genommen würde. Nämlich das Vermögen Erfahrungen auszutauschen." (GS II, 439)1 Was uns "genommen wurde", scheint auf immer verloren und daher ist, was uns offenbar ausweglos bleibt: Die Melancholie. Jedoch bietet Benjamin selbst eine Perspektive an, wie mit dieser Figur der Moderne umzugehen ist und somit einen Ausweg aus der Melancholie heraus. Dieser Ausweg zeigt sich im Begriff der Übung an. Denn Übung bei Benjamin - und das möchte ich zeigen - ist doppelt markiert: Sie steht zum einen für jenes Einst an Erfahrung, das mit der Moderne verschwunden ist. Zum anderen ist sie das, was die Moderne weiterbringt. Sie trainiert den Körper, schult die Sinne. Kurz: Sie übt im Umgang mit der Technik und damit im Umgang mit der Moderne. Allerdings - und das ist die Crux an der ganzen Sache -, ist sie dabei stets in Gefahr: Umzuschlagen nämlich in Dressur, um damit den Menschen der Technik zu unterwerfen. Dass Benjamin diesen feinen Unterschied gesehen hat, darin besteht seine Aktualität. Sie steht dabei ganz im Licht der Antike. Denn mit dem Begriff der Übung und seinem unterschiedlichen, doppelten Gebrauch aktualisiert er ein geläufiges Verfahren der Antike. Entgegen seiner eigenen Insistenz auf Verlustfiguren wie den "Abschied für ewig" (GS I, 623) oder der "Liebe [...] auf den letzten Blick" (ebd.), führt seine Verwendung der Übung vor, dass die Moderne selbst in ihren melancholischsten Zügen und der Verlustmarkierung der Erfahrung, sich übend mit ihren eigenen Bedingungen auseinandersetzt und auf diese Weise die abgebrochene Erfahrung gänzlich unmelancholisch wieder ins Spiel bringt.