Article
Refine
Document Type
- Article (2) (remove)
Language
- German (2)
Has Fulltext
- yes (2)
Is part of the Bibliography
- no (2)
Keywords
- Transit Zones (2) (remove)
Institute
Die Transitzentren sind der neueste Clou der Unionsfraktion zur angeblichen Steuerung der Fluchtmigration und zugleich ein alter Hut. Am Montag verständigten sich CDU und CSU darauf, Transitzentren an der bayerisch-österreichischen Grenze einzurichten, um ihre größte parteipolitische Krise abzuwenden. Die Transitzentren waren bereits im Herbst 2015 Bestandteil eines Ressortentwurfs des Bundesinnenministeriums, den die SPD im letzten Moment verhinderte. Man wolle "Massenlager im Niemandsland" verhindern, wie der damalige Justizminister Heiko Maas sagte. Auf europäischer Ebene sind indes mit den "regionalen Ausschiffungsplattformen", die in außereuropäischen Drittstaaten errichtet werden sollen, sowie mit den "kontrollierten Zentren" auf europäischem Boden vergleichbare Lager geplant. Der Spiegel fasste die EU-Gipfel-Ergebnisse wie folgt zusammen: "Europa orbánisiert sich". Die Überschrift erfasst tatsächlich den Kern des Problems. Hinter dem sog. Asylstreit der letzten Wochen steckt nicht nur ein parteipolitischer Konflikt zwischen Innenminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es geht im Kern darum, eine illiberale und anti-europäische Form des Rechtsstaats in Deutschland zu implementieren, die in Ungarn schon weit vorangeschritten ist. Auf lange Sicht ist es das Ziel von nationalistischen Akteuren, dass rechtsstaatliche Garantien nur noch formell auf dem Papier bestehen. Der autoritär transformierte Rechtsstaat ist dann nur noch eine Attrappe, weil Betroffene zu ihm faktisch keinen Zugang mehr haben.
Am 21. November 2019 hat die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) seine Entscheidung über die ungarischen Transitzonen gefällt (Rs. Ilias and Ahmed vs. Hungary), die im Sommer 2015, inmitten der großen Fluchtbewegungen in Europa, eingerichtet wurden. Die zwei Beschwerdeführer Herr Ilias und Herr Ahmed, beide Staatsangehörige aus Bangladesch, verbrachten 23 Tage in der Transitzone, bevor sie nach der Ablehnung ihrer Asylanträge nach Serbien verbracht wurden. Sie legten Individualbeschwerden vor dem Straßburger Gerichtshof ein und machten geltend, dass ihre Abschiebung nach Serbien das Verbot der Folter oder der inhumanen bzw. erniedrigenden Behandlung nach Art. 3 EMKR verletzt habe, die Bedingungen in der Transitzone ebenfalls mit Art. 3 EMRK unvereinbar gewesen seien sowie ihr Aufenthalt in der Transitzone faktisch einer Inhaftierung entsprochen habe und dies eine Verletzung ihrer Freiheit begründete (Art. 5 Abs. 1 und 4 EMRK). Die Entscheidung dürfte in Bezug auf Transitzonen an europäischen Landgrenzen einen Präzedenzfall geschaffen haben – wobei das Urteil sehr problematische Implikationen enthält.