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Die folgende Darstellung versucht, ästhetische Erziehung am Beispiel eines klassischen Schultextes, nämlich Schillers Wilhelm Tell, unter die Lupe zu nehmen. In gängigen Unterrichtshilfen, aber auch in fachwissenschaftlichen Darstellungen bleibt die Problematik der ästhetischen Erziehung weitgehend ausgeklammert zugunsten entstehungsgeschichtlicher Themen oder historischer und politischer Aspekte. Jedoch ist dieses Drama Schillers gerade für die Behandlung der Frage, worin sich ästhetische Erziehung oder ästhetisches Lernen manifestieren, gut geeignet; und das nicht allein deshalb, weil es zu Schillers theoretischer Abhandlung eine anschauliche Entsprechung liefert, sondern weil die für ästhetische Erziehung paradigmatische Spannung zwischen Denken und Empfinden im Gegensatz zu anderen seiner Dramen, etwa Maria Stuart oder Wallenstein, in diesem seinem letzten Stück an einer einzigen Figur vorgestellt wird.
Was Goethe als irritierter Beobachter des historischen Prozesses – für ihn bekanntlich »das schrecklichste aller Ereignisse« – unternommen hat, lief auf Versuche hinaus, dieses Politikschicksal zu »gewältigen«, in der Naturwissenschaft und – mit inneren Sperren zunächst – in der Dichtung. Ein solcher Bewältigungsversuch soll hier näher besichtigt werden, eingebunden in einen literarischen Dialog mit Schiller: die Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (1794/95), Goethes erster bedeutender Beitrag zu den Horen, über den durch die neuere Forschung Erstaunliches in Umlauf gesetzt worden ist.
"Schiller und die Aufklärung" - das ist ein Feld, weit und gut bestellt zugleich. Und mit Neuentdeckungen ist einstweilen nicht zu rechnen. Doch ist das Thema selten einmal so grundsätzlich gestellt worden, wie es die Sache zu fordern scheint. Berührungspunkte mit einschlägigen Interessen der Schiller-Forschung sind jedoch allemal reichlich vorhanden: Probleme der sogenannten "Jugendphilosophie" oder auch der Kant-Rezeption Schillers lassen sich selbstverständlich nicht ohne den Sinnkomplex der "Aufklärung" diskutieren. So fraglos Schillers Teilhabe am Großprojekt der "Aufklärung" aber auch sein mag, eine Gleichsetzung mit deren Idealen erschien der Schiller-Forschung doch problematisch. Daß Schiller das Königsprinzip der Aufklärung, den Gedanken der Autonomie des vernunftbestimmten Menschen, nicht nur geteilt, sondern auch künstlerisch immer wieder umspielt hat, ist angesichts eindeutiger Bekenntnisse wohl nicht zu bezweifeln.