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"Die Kritik der Politik", schreibt Johannes Agnoli, "stellt [...] die Frage nach dem herrschaftssichernden Charakter aller Reformen und vergißt also die Frage nach dem cui bono nicht und nach der Zweckrationalität irrationalen Verhaltens der politischen Macht. Im Mittelpunkt steht nicht die Klage und das Klagen über die Unrichtigkeit der Protagonisten und die Lügenhaftigkeit des legitimatorischen Verfahrens [...]; sondern die Anklage gegen das Prinzip, daß Herrschaft naturnotwendig und höchstens zu bändigen sei; und als Schlußerkenntnis [...], daß Herrschen, daß das autokratische oder oligarchische oder parlamentarische Bestimmen über Gesellschaft allemal zu negieren sei - möge "die Form des Staates sein wie sie wolle" (Hölderlin)." Doch dies, so fügt Agnoli hinzu, "wäre immer noch Gesinnung, kein Bewußtsein." Es genüge nicht festzustellen, "daß sich die Form Staat inzwischen als falsches Projekt erwiesen, als gescheiterter Versuch in die Geschichte eingegangen ist [...] Alle Kritik - will sie mehr sein als Gesinnung - hat ein Kriterium auszuweisen, an dessen Kategorie die Übersetzung des richtigen Denkens in die Anleitung zum Handeln möglich wird." Es gehe "weder um die Wiederherstellung der Identität von Norm und Wirklichkeit noch um die Lobpreisung des Gemeinwohls als Ziels allen politischen Handelns. Will man [...] andere Verhältnisse schaffen und nicht bloß verbesserte Herrschaft, so wird die Kategorie von vornherein selbst keine formale (bonum commune) noch eine normativ-moralische (gute Verfassung gegen schlechte Politik) sein können, sondern eine materielle." Aus der Frühzeit der Form Staat stammen die ersten großen Klagen über die Unrichtigkeit der Protagonisten der Politik und die Lügenhaftigkeit des legitimatorischen Verfahrens der Demokratie. Im Unterschied jedoch zum späteren demokratischen Gejammer verschleiern sie die Frage nach dem cui bono und nach der Zweckrationalität des Verhaltens der politischen Macht noch kaum. So wenig sie auch das Prinzip, daß Herrschaft naturnotwendig und höchstens zu bändigen sei, in Frage stellen und sosehr sie im Grunde nur die Wiederherstellung der Identität von Norm und Wirklichkeit einklagen, sie beschränken sich keineswegs auf formale oder normativ-moralische Kategorien - und was damit unmittelbar zusammenhängt: sie gewähren ästhetischen Genuß. In der Frühzeit des Staats konnte dessen Kritik eben noch tragische oder komische Form annehmen.
"Spartacus", das ist der Mann mit dem entschlossenen Blick aus stahlblauen Augen, ein Gesicht mit klassisch-gerader Nase und darunter ein eckiges Kinn mit unübersehbarem Grübchen, ein Körper mit muskolösen nackten Armen und Schenkeln - "Spartacus" ist für viele der Filmschauspieler Kirk Douglas in einer seiner bekanntesten Rollen, in Spartacus von Stanley Kubrick (USA, 1960).
Nicht allzu häufig wird man in den Schriftverzeichnissen deutscher Althistoriker auf Studien zur Zeitrechnung und zum antiken Kalenderwesen stoßen, wie dies bei Jürgen Malitz der Fall ist. Im Jahr 1987 ist sein viel beachteter Aufsatz zur Kalenderreform Caesars erschienen und jüngst hat er sich unter dem Titel "Die Ordnung der Zeit", wiederum ausgehend von Caesars Reform, verschiedensten Aspekten des antiken Kalenderwesens zugewandt und einen Bogen bis in die Gegenwart gespannt. Dieses Interessengebiet des Geehrten aufgreifend, möchte der vorliegende Beitrag einen wenig erforschten Aspekt dessen beleuchten, wie Zeit in der Antike als ökonomische Ressource begriffen und instrumentalisiert wurde. ...
Das vierte Jahrhundert war ein Jahrhundert der Bürgerkriege. Diese forderten einen überaus hohen Blutzoll und lähmten teils auch die Verteidigung an den Grenzen. Ein Bürgerkrieg aber war die weitestgehende Form der Desintegration des Reiches, da die Armee auseinanderbrach, in der sich doch das Kaisertum und — wenn man auf Kaisererhebungen blickt — das römische Volk verkörperte. Zudem bedeutete Auseinanderbrechen einen gewaltigen Ressourcenverlust, da einem Kaiser nur ein Teil der ohnehin schwer zu erneuernden römischen Armee zu Gebote stand. ...
Stefan George und Alfred Schuler begegnen der sog. Krise des Historismus, die den Glauben an die Einheit von geschichtlichem und kulturellem Fortschritt erschütterte, mit einer neuen Art des Historismus, die mit einer signifikanten Umcodierung der überlieferten Wissensbestände einhergeht. Vor dem Hintergrund der kulturpessimistischen Stimmungslage des Fin de Siècle knüpft die Idealisierung der Antike hier zwar an deren bildungsbürgerlich tradierte normative Setzung durch Johann Joachim Winkelmann an, das klassische Antikenverständnis wird jedoch einer zeitbedingten Transformation unterzogen und zum vitalistischen Gegenpol einer als dekadent verstandenen Gegenwart erklärt. Unter dem Einfluss von Friedrich Nietzsches "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" (1874) wird das Griechische bei George bzw. das Römische bei Schuler als 'verlebendigte Antike' zum gegenwärtigen, heilsgeschichtlich aufgeladenen Kulturfaktor erhoben, der als produktive Kraft in der deutschen Gegenwart wirken soll.
Einführung
(2017)
Altertum und Antike sind seit je beliebte Referenzgrößen, sei es, um einem gegenwärtigen Phänomen eine besonders ausgreifende historische Dimension zu verleihen, sei es, um dieses Phänomen als "nichts Neues unter der Sonne" zu (dis-)qualifizieren. Die aktuelle Forschung zu Erscheinungsformen außergerichtlicher Streitbeilegung stellt insoweit keine Ausnahme dar. Als Illustration mag ein kurzer Blick auf die Literatur zur Schiedsgerichtsbarkeit dienen, in der etwa in Gesamtdarstellungen auf deren bereits in der Antike angelegten "hybriden Charakter […] als rechtsprechungsgleicher Streitentscheidung auf vertraglicher Grundlage" hingewiesen wird oder in Einzeluntersuchungen Überlegungen zum Ursprung der Schiedsgerichtsbarkeit angestellt werden, um nur eine der heute unterschiedenen Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung herauszugreifen. Sofern derartige Ansätze allerdings lediglich hergebrachte Forschungsmeinungen resümieren, bleibt ihr Erkenntniswert, auch aus der Perspektive des geltenden Rechts, limitiert, auch wenn konkrete Positionen auf eine aus der Antike bis in die Gegenwart reichende Tradition zurückgeführt werden. ...
Rom ist schon oft als eine "Kultur der Invektive" beschrieben worden, deren kennzeichnendes Merkmal mithin darin bestand, dass Auseinandersetzungen mittels öffentlicher, verbaler Angriffe auf die Ehre des Gegners geführt wurden. Ein prominentes Beispiel in der Überlieferung bildet das sogenannte convicium. Dabei handelt es sich um ein Geschrei oder eine laute Schmährede, mittels derer jemand öffentlich angegriffen und in seiner Ehre herabgesetzt wird. Eingesetzt wurden convicia in vielfältigen Kontexten, beispielhaft seien hier die Sanktion von Sittenverstößen, etwa durch Zuhälterei, oder die Mahnung und Sanktionierung säumiger Schuldner genannt. Der vorliegende Beitrag wendet sich der Frage zu, inwieweit man in convicia Formen außergerichtlicher Konfliktlösung erkennen kann. ...
Tiere im imperialen Diskurs : die Human-Animal Studies als Unterrichtsparadigma für das antike Rom
(2022)
Steffensen combines human-animal studies with the concept of new political history to explore innovative perspectives for teaching Roman history. He thus provides a framework that allows students to further their understanding of the political dimensions of historical consciousness and to enhance their orientation competency. Students learn to recognize and analyze power structures and relationships in historical and contemporary societies. According to Steffensen, HAS is of utmost significance for the initiation of this process. Animals played important roles in political decision-making processes in ancient Rome, and animals were meaning-making figures in governance discourses. Focusing on the practical and semantic functions of animals in the context of divination and the discourse of decadence, this essay shows that HAS can serve as a starting point for teaching in a way that addresses the formation and utilization of empire. However, Steffensen does not only seek to promote students' understanding of political processes in the past but also hopes to motivate students to assess modern-day politics.