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Die paradigmatische Institution des Speichergedächtnisses ist das Archiv, das gern als „Schatzkammer des Wissens“ oder „Gedächtnis der Gesellschaft“ angesprochen wird. Welche Aufgaben erfüllt es, wie hat es sich im Medienwandel verändert, mit welchen Problemen ist es konfrontiert? Diese Fragen führen mich im dritten und letzten Teil zu einer Gegenüberstellung von Archiv und Internet. Ich beginne mit einigen Bemerkungen zur Struktur und Organisation des Archivs. Das Archiv ist ein Ort der Ansammlung und nicht der Sammlung. Hier spielt der Zufall eine größere Rolle als die gezielte Steuerung, denn Archivgut fällt an und wird nicht eigens gesucht und in aller Regel nicht käuflich erworben. Mit den Tätigkeiten des Sicherns und Erhaltens ist es ganz auf eine Schutzfunktion zugeschnitten. Der gesellschaftliche Auftrag des Archivs liegt in der Konservierungs-, Ordnungs- und Erschließungsfunktion von Dokumenten. Archivare sind Dienstleister des Speichergedächtnisses in einer Zwischenstellung: sie halten Informationen vor, die später von anderen bewertet, aufbereitet und interpretiert werden. All das kann nicht die Aufgabe der Archivare sein, weshalb sie sich mit der Entscheidung der Auswahl zwischen dem, was relevant und was redundant ist, auch schwer tun und oft überfordert fühlen: „Was wertvoll oder Informationsmüll (wertlos) ist, ist in generellem Sinn theoretisch nicht begründbar.“
Das Gedächtnis der Dinge
(2009)
Die politische Praxis von Raub und Plünderung kultureller Wertgegenstände hat eine lange Vorgeschichte. Eine Szene, die geradezu zum Emblem dieses Komplexes geworden ist, findet sich auf einem Relief im Triumphbogen des Titus auf dem Forum Romanum. Dieser Triumphbogen wurde erbaut zur Erinnerung an den Sieg des Titus über die Aufständischen in der römischen Provinz Judäa und die Zerstörung des zweiten Tempels von Jerusalem im Jahre 71 unserer Zeitrechnung. Die einzige Mauer, die von diesem Tempel heute noch erhalten ist, ist die berühmte Klagemauer. Die entscheidende Szene im römischen Triumphbogen zeigt die Soldaten des Titus, wie sie als Kriegsbeute den Tempelschatz von Jerusalem mit sich führen: einen Altar, Silbertrompeten und das wichtigste und älteste jüdische Symbol, das der Staat Israel 1948 als offizielles Symbol wieder eingeführt hat: einen großen siebenarmigen und vermutlich goldenen Leuchter, genannt Menora. […]Die symbolische Praxis, zentrale und kostbare Kunstschätze der feindlichen Kultur als Beute zu beschlagnahmen und sich anzueignen, gehört zur Vorgeschichte der modernen Institution des Museums. Kunst und Kultur gewinnen dabei einen symbolischen und materiellen Wert, der über kulturelle Grenzen hinweg vermittelbar ist und sich aus einer politischen in eine ästhetische Praxis übersetzen lässt. Enteignung und Aneignung gehen dabei Hand in Hand.