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Der Beitrag untersucht mithilfe literaturwissenschaftlicher Konzepte die verschiedenen erzählerischen Funktionen der politischen Grenze in Comic- Erzählungen zum Israel-Palästina-Konflikt. Hier dienen unter anderem Guy Delisles 'Aufzeichnungen aus Jerusalem' und Joe Saccos 'Palästina' als illustrierende Beispiele. Unter Zurhilfenahme von sozio-kulturellen Überlegungen werden die Funktionen der Grenze als Trenner, Aktant und Kommunikateur untersucht. Vorliegende Untersuchung liefert Ansätze, Grenz-Erzählungen zu analysieren und darüber hinaus die Grenze als wirkungsmächtiges Subjekt der Erzählung zu untersuchen.
Für die Fußnote
(2017)
Existiert eine Comic-Wissenschaft? Wer die Beiträge durchsieht, die in der hier vorliegenden Dokumentation der Tagung 'Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten' formuliert wurden, kann feststellen, dass sie alle den wissenschaftlichen Charakter wahren, der an den Universitäten in unseren Tagen gelehrt wird. Es gibt AutorInnennamen, Titel, längere Untertitel, abstracts und Fußnoten. Es ist alles in bester Ordnung: wenn die Grenzen der Comics befragt werden, müssen ja nicht gleich die Grenzen der Wissenschaftlichkeit in den Blick geraten. Doch wird sich bei der genaueren Lektüre der Eindruck nicht abwehren lassen, dass es etwas Disparates oder sogar Desparates gibt, dass zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen, Methoden und Schreibweisen Grenzen existieren, die nicht ausdrücklich benannt, reflektiert oder eben wissenschaftlich bearbeitet werden, dass die Fiktion einer Comicwissenschaft nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die vielen Forschungen und Studien sich immer wieder in die verschiedenen Fächer verteilen, wie sie in ihren unterschiedlichen Zugängen, Methoden, Gegenständen,Interessen, Wissensformen, Aussagen tradiert sind.
Das Projekt "Bibliothek der Alten" der Künstlerin Sigrid Sigurdson (Historisches Museum Frankfurt / Main) archiviert individuelle Erinnerungen, eingebunden in vielfältige Spuren, in Text-, Ton- und Bilddokumenten. Stöbert man in den zugänglichen Kartons, erkennt man, wie ein Erinnerungsgeflecht zu einem dynamischen Prozess wird, wie sich individuelle Erinnerungen mit anderen verbinden. Erinnerungen sind dabei trügerisch, selektiv, perspektivisch, fragmentarisch, labil. Wie die Kunst der "Spurensicherung", insbesondere die Archive Boltanskis, demonstriert,können sich Realität und Fiktion mischen und doch Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses sein. Bei aller Konstruktion und Unsicherheit: Erinnerungen bestimmen unser Leben ständig. Erinnern ist dabei ein vielschichtig grenzüberschreitender Prozess. Gerade die Kunst der Bildgeschichte hat den Konstruktionsprozess des Erinnerns auf unterschiedliche Weise aufgegriffen. In Miguelanxo Prados Bildroman 'Ardalén' (dt. 2013) wird Erinnerung zum grenzüberschreitenden Thema in mehrfacher Hinsicht, zwischen heute und früher, zwischen Realität und Wahn, zwischen den Persönlichkeiten. Wie die Kunst der Bildgeschichte ein prozessuales Erinnerungsgeflecht darstellbar und miterlebbar machen kann, wie sie mit einer grenzüberschreitenden intermedialen Ästhetik, die unterschiedliche Bildformen und Textsorten funktional einbindet, den Rezipienten in dieses Spiel emotional und reflexiv einbindet, soll – in vergleichende Kontexte gestellt – am Beispiel Prados sowie an Matthias Gnehms 'Der Maler der Ewigen Portrait Galerie', 2013, vorgestellt werden.
This essay on the nature of the boundary of the comics form is an analysis of US Congressman John Lewis’s autobiography March, which recounts his early days as a civil rights leader and is in the form of a comic or "graphic novel". A few key examples are examined in which normally distinct images and textual elements blend together thereby bringing into question the nature of the boundary in a more general sense as it functions in the comics. Some of the formal elements of the graphic novel analyzed by the essay include its symbolic composition, arrangement of panels and images, treatment of light and dark areas, deployment of racialized icons, and blurring of temporalities and history.
Comics sind nicht linear, es gibt keine Vorgabe, ob wir zuerst die Bilder betrachten oder den Text lesen. So lassen die Brüche zwischen den Paneln, zwischen den Zeichen, zwischen den einzelnen Heften auch immer einen Raum entstehen. Einen Grenzraum, der verschiedene Lesarten und Fragen ermöglicht. Die dem Comic spezifische Ästhetik der Brüche und Wiederholungen wird im Comic 'Hure h' explizit benutzt, um Fragen nach Identität, Geschlechterrollen und Begehren aufzuwerfen und gesellschaftliche Zuschreibungen zu hinterfragen. Identität wird im Comic 'Hure h' nicht als feststehende Einheit dargestellt, sondern in ihrer fragmentierten Struktur gezeigt. Die Brüche in der Darstellung von Identität und die parodistische Bezugnahme auf gesellschaftliche Akte machen den Raum für eine Grenzüberschreitung der Geschlechternormen auf. Die Differenz zwischen den dargestellten Zeichen und deren imaginierten gesellschaftlichen Konnotationen lässt die Möglichkeit entstehen, dass Normvorstellungen und Konstruktionen von 'gender' und 'sex' als solche aufgezeigt und dadurch aufgebrochen werden.
Das spontane Sich-Formieren immer neuer und jeweils einzigartiger Strukturen ist ein omnipräsentes Phänomen in unserer Alltagswelt: Man denke an Wolkenformationen am Himmel, Strömungsfiguren im Wasser, Vogelschwärme, die La-Ola- Welle im Fußballstadion, die Muster des Verkehrsflusses oder die Zacken des Dax und andere Kurven. All diese Phänomene kommen nur durch Synergie zustande: Eine mehr oder weniger große Zahl relativ kleiner Elemente muss sich koordiniert verhalten, damit sich im Großen eine Form aufbaut und sich als ein irgendwie typisches Muster in der Zeit entfaltet. Bei der La-Ola-Welle oder der Dax-Kurve wundert uns das erst mal weniger – wir sind es gewohnt, Begriffe wie 'Synergie' oder 'Zusammenwirken' in der sozialen Sphäre zu verorten. Doch wie kommen die Wellenformationen im Wasser oder die Wolkenstraßen am Himmel zustande? Sie können einen bei näherem Zusehen doch ein wenig ins Staunen versetzen. Abermilliarden von Molekülen müssen sich über (an ihrer Größe gemessen) riesige Distanzen hinweg koordinieren, um derartige makroskopische Formationen aufzubauen. Wie funktioniert das? Wie kann spontan Ordnung entstehen, obwohl nach dem zweiten Hauptsatz der Wärmelehre sich selbst überlassene Ordnung eigentlich nur zerfallen dürfte? Besonders eindringlich stellt sich diese Frage im Hinblick auf Entstehung, Aufrechterhaltung und Fortentwicklung des Lebens mit seiner überbordenden Vielfalt von Strukturen.
Als Kunst- und Bildhistorikerin fasse ich 'Synergie' als Metapher auf, als Denkfigur und Modus der Welterklärung. Die Parallelen zur Architekturmetaphorik der Kugel, vor allem seit Étienne-Louis Boullées Entwurf für ein Newton-Kenotaph (1784), liegen auf der Hand: Auch das Bild dieser Bauform impliziert eine Welterklärung, nämlich die eines mathematisch darstellbaren Kosmos.
Der bedeutendste Vertreter einer theologischen Rezeption der Synergetik ist heute der katholische Th¬eologe Alexandre Ganoczy. Ganoczy empfing seine intellektuelle Prägung im Kontext der französischen 'Nouvelle Th¬éologie', die insbesondere nach 1945 erfolgreich eine Öffnung der katholischen Glaubenslehre in Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Herausforderungen reklamierte. Die Pluralität von Weltbildern, die Etablierung einer säkularen Option als Alternative zu religiösen Überzeugungen sowie die Dominanz einer naturwissenschaftlichen Wirklichkeitsdeutung führten die Th¬eologie als Wissenschaft damals in eine Krise, deren Nötigung zur Grundlagenreflexion der Disziplin bis heute fortwirkt.
Th¬e main principle of holism – "the whole is more than the sum of its parts" – can be traced back to ancient philosophical studies. Although the term itself was coined by Jan Christiaan Smuts in 1926, the earliest formulations can already be found in Taoism, in the philosophy of Lao Tzu, as well as in Aristotle's 'Metaphysics'. However, a complete and profound sense of the principle has only been revealed in such theories as Gestalt psychology (Kurt Koffka, Max Wertheimer and others), the general systems theory (Ludwig von Bertalanffy), and the theory of complexity (synergetics) as formulated by the Moscow school of synergetics (Sergey Pavlovich Kurdyumov), to name just a few. ¬inking in this direction, from the whole to the parts (subsystems), is quite unusual for classical science which, in its course of analysis, usually moves from distinct parts to the whole. In synergetics, according to Hermann Haken, order parameters determine how parts (subsystems) of complex systems behave. A select few order parameters, as Haken says, encompass the complex behavior of diverse parts and, therefore, lead to enormously reducing the complexity in a description of a given system.
Im russischen Denken vollziehen sich um 1900 Transpositionen des Synergiebegriffs aus dem theologischen Diskurs, der sich durch seine Herkunft für eine universalistische Verwendung eignet. Dabei werden die Implikationen der gottmenschlichen 'cooperatio' und des anthropologischen Transformationspotentials auf andere Relationen in Natur und Gesellschaft übertragen. Zudem haben zu Beginn des 20. Jahrhunderts holistische Modelle des Zusammenwirkens Konjunktur. Entsprechende synergetische Figurationen in Religionsphilosophie, Kunst und Wissenschaft der russischen Moderne, ihre ambivalente Rezeption in frühsowjetischen Werken und das Wiederaufleben von Synergieparadigmen in der postsowjetischen Ära sind Gegenstand der folgenden Darstellung.
'Synergetics', a fascinating interdisciplinary science initially proposed by Hermann Haken in the late 1960s, is a framework for understanding the interaction effects of very large complex systems, with an emphasis on explaining how self-organized macroscopic phenomena can emerge as a result of these underlying interactions. An especially exciting aspect is that entirely new and distinct properties of the system can emerge somewhat spontaneously. e approach has seen great success in a host of fields ranging from physics and chemistry to brain science and economics.
Der Biologe Conrad Hal Waddington entwickelte in den 1950er Jahren ein theoretisches Modell für biologische Entwicklungsprozesse, mit dem er das systemische Zusammenspiel von Genen, Umwelteinflüssen und den vorfindlichen biologischen Strukturen bei der Herausbildung neuer Strukturen fassen wollte. Er stützte sich dabei auf erste Versuche, Selbststabilisierungsprozesse in komplexen Systemen mathematisch zu modellieren, wie sie damals im Umfeld der Kybernetik unternommen wurden. Mit seinen Bemühungen versuchte er, die Synthese aus Evolutionstheorie und Genetik um die Embryologie zu erweitern und in einer nicht-reduktionistischen, holistischen Konzeption biologischer Entwicklungsprozesse zu vereinigen – ein Unternehmen, an dem er seit Anfang der 1940er Jahre arbeitete.
Im Laboratorium von Synergetics : Buckminster Fullers Lehre vom Zusammenwirken more geometrico
(2016)
Der Beitrag kann nicht mehr als eine Hinführung zu den Fragestellungen und Ergebnissen einer Synergetik und energetisch- synergetischen Geometrie sein, die Buckminster Fuller (1895–1983) in seinem Werk 'Synergetics' in zwei Bänden 1975 und 1978 zusammengefasst hat. Aber aus dieser Summa des Fullerschen Forschens und Denkens geht nicht ohne Weiteres hervor, dass die geometrischen Forschungen in einer wechselwirkenden Verbindung stehen zu Fullers eminenter Entwurfspraxis und Experimentalbauten, die er in zahllosen Workshops mit Studenten vor allem in den 1940er und 1950er Jahren errichtet und erprobt hat. Diesem experimentellen Bauen von Strukturen schien die Bezeichnung 'Architektur aus dem Laboratorium' angemessen zu sein, die Fuller für seine früheste Dokumentation verwendete. Das ambulante Laboratorium, das er immer mit sich geführt hat, um es temporär auf dem Campus einer Arts School, eines Colleges, einer Universität zu errichten, muss immer mitgedacht werden, wenn von Geometrie und Synergie die Rede ist. Fullers Laboratorium ist nicht nur das Testgelände für Konzepte und ¬eorien. Vielmehr ist seine Hands-on-Praxis in erster Linie Quelle neuer Einsichten und Basis von Erfindungen. Sie sind selbst Ergebnis eines Zusammenwirkens, nämlich des Zusammenwirkens von Menschen in einer stimulierenden Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden in einer Umgebung, die dem Experiment Raum gibt.
Die Theorien der Autopoiese und der Synergetik werden oft synonym als Selbstorganisationstheorien aufgefasst, obwohl es gravierende Unterschiede zwischen beiden gibt, die das konzeptionelle Verständnis von 'Selbstorganisation' betreffen. Die auf die Kybernetik zurückgehende Autopoiese beschäftigt sich mit der Selbsterhaltung und der Selbstreproduktion von Systemen, die Synergetik dagegen ist eine ¬Theorie für die ursprüngliche Entstehung von Systemen und die Emergenz von Systemeigenschaften. Was sie eint, ist der universelle Geltungsanspruch, den die Begründer für ihre ¬Theorien erheben, der jedoch naturgemäß nicht eingelöst werden kann. Im Folgenden soll ausgehend von der Genese des Begriffs 'Selbstorganisation' die Entwicklung systemischer Ansätze nachvollzogen und deren modellierendes Potential herausgestellt werden.
If reductionism and a search for deterministic, predictive 'laws' of nature represented the dominant research strategy – and world view – of the scientific community during the 20th century, 'emergence' has become a major theme, if not the dominant approach in the 21st century, reflecting a major shift of focus toward the study of complexity and complex systems. However, this important 'climate change' in the scientific enterprise has been accompanied by much confusion and debate about what exactly emergence is. How do you know it when you see it? Or don't see it? What are its defining properties? Is it possible to predict emergence? And is there more to emergence than meets the eye? Beyond these meta-theoretical issues, there is a deep question that is often skirted, or even ignored. How do we explain emergence? Why does emergence emerge? Here, I will briefly recount the history of this important concept and will address some of the many questions that surround it. I will also consider the distinction between reductionist and holistic approaches to the subject, as well as the distinction between epistemological and ontological emergence (that is, the ability to deduce or predict emergence versus the concrete reality of an emergent phenomenon). I will argue that living systems are irreducibly emergent in both senses and that biological evolution has quintessentially been a creative emergent process that is fully consistent with modern (Darwinian) evolutionary theory. Furthermore, as I will explain, novel 'synergies' of various kinds have been responsible for the 'progressive' evolution of more complex living systems over time. e selective advantages associated with emergent, synergistic effects have played a major causal role in the evolutionary process.
Mein Beitrag handelt von zwei Begriffen, die gleichermaßen gut eingeführt sind, aber üblicherweise nicht gemeinsam verhandelt werden: Sympathie und Synergie. Die Disziplinen und Kontexte, in denen sie heute auftreten, sind weit voneinander entfernt: Die Synergie hat ihre Domänen in Technik und Wirtschaftswissenschaft, der Sympathie sind vor allem Philosophie und Psychologie zugetan. Freilich sind diese Wörter so nahe miteinander verwandt, dass es verwunderlich oder gar bedauerlich ist, sie beziehungslos nebeneinander stehen zu sehen. Immerhin gibt es Diskussionen, in denen dieses Tandem zwar nicht namentlich auftritt, aber der Sache nach zum ema gemacht wird. Diese Diskussionen möchte ich aufgreifen und vorantreiben, denn das Tandem Synergie/Sympathie hat, wie ich meine, erhebliches sozialtheoretisches Potential.
Der Beitrag untersucht die Stellung des Synergiebegriffs in naturwissenschaftlichen, besonders biologischen Erklärungen. Der langen Geschichte des Konzepts entsprechend, reichen die betrachteten Anwendungsfälle von der Antike bis in die Gegenwart. Die epistemische Rolle des Synergiebegriffs wird dabei im Kontext verwandter Begriffe diskutiert, die ebenfalls holistische Relationen bezeichnen, etwa dem des Emergenzbegriffs, mit dem aber, im Gegensatz zu 'Synergie', vom Ganzen zu den Teilen geblickt wird. Ein besonderer Fokus der Untersuchung liegt auf der Frage, wie es diesen Brückenbegriffen gelingt, eine analytische und eine synthetische Perspektive in der Betrachtung von ganzheitlichen Systemen miteinander zu verbinden.
Energie und Katalyse sind Schlüsselbegriffe zum Werk von Wilhelm Ostwald. Seine Naturphilosophie nannte er selber "Energetik". Für seinen Katalysebegriff erhielt er den Chemie-Nobelpreis. Nach ersten Vorlesungen in Leipzig über Naturphilosophie erschien 1908 sein Werk 'Grundriss der Naturphilosophie', in dem er ein modernes Konzept der Naturphilosophie im Rahmen der Naturwissenschaft entwirft.Im Folgenden wird dieses Programm geprüft, und Ostwalds allgemeine Gesetze sowie Prinzipien werden mit heutigen Weiterentwicklungen konfrontiert. Dabei zeigt sich, dass seine naturphilosophischen Konzepte von großer Aktualität sind.
Der Wissenschaftshistoriker Arthur O. Lovejoy (1873–1962) äußerte in den 1930er Jahren eine für damalige Verhältnisse provokante Ansicht. Als Begründer der Ideengeschichte kam er nämlich zur Überzeugung, dass die Geschichte menschlichen Denkens eine verblüffende Uniformität oder sogar Trivialität an den Tag lege: "Die scheinbare Originalität vieler Systeme beruht allein auf der neuartigen Verarbeitung und Anordnung der bereits bekannten Bestandteile, aus denen sie hervorgehen". Diese Bestandteile verglich Lovejoy mit den chemischen Elementen des Periodensystems und sah die primäre Aufgabe der Ideengeschichte analog zur analytischen Chemie darin, unter der Oberfläche der scheinbaren Verschiedenheit historischer Konzepte tiefer liegende Strukturanalogien, Redundanzen und Gemeinsamkeiten aufzuspüren. Solche wiederkehrenden sowie disziplinübergreifenden Denkfiguren in der Geschichte der Philosophie und Wissenschaften nannte Lovejoy 'Elementarideen'.
Die byzantinische Philosophie ist ein relativ junger Forschungsgegenstand. Erstmalig 1949 in dem in Paris erschienenen Buch von Basilios Tatakis, 'La philosophie byzantine', dokumentiert, gehört sie heute zum Kanon der Philosophiegeschichte. Darüber hinaus gibt es Versuche, einzelne Motive, Methoden und Konzepte dieser Philosophie in der gegenwärtigen Praxis und selbst in anderen, nicht eigentlich philosophischen Fachbereichen fruchtbar zu machen. Die meisten Versuche stützen sich dabei auf ein Schlüsselkonzept der byzantinischen Philosophie: auf die Energienlehre und den eng damit verbundenen Synergie-Begriff. Die Energienlehre war konstitutiv für ihre Positionen, bildet aber keinesfalls das gesamte Gerüst der byzantinischen Philosophen. Die Verabsolutierung dieser Lehre seitens einiger Interpreten heute verfehlt nicht nur den Gehalt der byzantinischen Philosophie, sondern verführt zu einem pseudowissenschaftlichen und paramystischen Aberglauben. Im Folgenden soll es um die historische Lehre gehen, die sich in den philosophischen Auseinandersetzungen innerhalb der byzantinischen Tradition, etwa im Streit zwischen Gregorios Akindynos (ca. 1300–1349) und Gregorios Palamas (1296/97–1359), herauskristallisierte. Synergie wird dabei als ein Element der Selbstidentifikation dieser Philosophie verstanden, die ihrerseits über die alltägliche Erfahrung reflektiert.