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„Alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ behauptet der Soziologe Niklas Luhmann. Die Medien fungieren demzufolge als Vermittler und Träger von Informationen.2 Die Abbilder unserer Umwelt erreichen uns täglich in den verschiedensten medialen Ausprägungen. Während vor rund 100 Jahren noch die Gazette oder das Radio diese Funktionen erfüllten und nach der Etablierung des Fernsehens ein relatives Gleichgewicht der Massenmedien hergestellt war, ersetzen heute überwiegend Nachrichtensendungen im Fernsehen, Online-Informationsangebote und sogar Applikationen auf Smartphones diese Art der Vermittlung. Ein erneuter Umbruch in der Nutzung der Medien ist seit der Etablierung des World Wide Web evident...
Zwischen Perspektiven und Disziplinen: Ist das denn noch Kunstgeschichte? Alle reden von Bilderflut. Von einem täglichen stoßwellenartigen Einbrechen von Medienbildern aus Zeitung, Fernsehen, von Werbetafeln und aus dem Internet. In Fachkreisen hat sich der Begriff Iconic Turn durchgesetzt, die ikonische Wende der Bildnutzung und Untersuchung analog zum sprachwissenschaftlichen Modell des Linguistic Turn. Das Gefühl einer Überwältigung durch die Bilder der Massenmedien zeigt sich vor allem in der Überforderung, die unüberschaubare Bildmasse, die täglich auf den Betrachter einwirkt, zu erfassen und zu erschließen. Schuld ist aber nicht nur die große Menge an Bildmaterial, durch die das persönliche und das kollektive Bildgedächtnis stets erweitert werden - und das zum Großteil unbemerkt. Die Überforderung ergibt sich vor allem aus der Unfähigkeit, die Flut der hoch komplexen, teilweise wenig greifbaren Informationsgehalte des Gesehen zu filtern und zu verarbeiten...
Walter Benjamin sah die Vergangenheit nicht in Geschichten, sondern „in Bildern zerfallen.“1 Wie kaum ein anderes Ereignis in der Moderne drückte sich der Vietnamkrieg in einer Vielzahl von Bildern aus und kann in diesem Zusammenhang als erster und in seiner Konsequenz vielleicht als einziger TV-Krieg in der Geschichte bezeichnet werden2. Im Gegensatz zu “klassischen Ikonen“ verankerten die elektronisch generierten Bilder des Krieges ihren Staus als Medienikone durch ihre Zirkulation im Medienapparat...
Migrant Mother
(2014)
Als die Photographin Dorothea Lange im März 1936 auf dem Weg zu ihrer Familie in San Francisco den Highway entlang fuhr, hätte sie wohl nicht damit gerechnet, gleich ein Jahrhundertfoto aufzunehmen. (Abb. 1) Sie hatte soeben einen einmonatigen Aufenthalt in Süd Kalifornien hinter sich und ihre Arbeit für die Resettlement Administration waren abgeschlossen. Sie war auf dem Weg nach Hause, als sie am Rande der Straße im Vorbeifahren ein Schild mit der Aufschrift „Pea-Pickers Camp“ sah erschien ihr dies nicht ungewöhnlich. Es war die Zeit der großen Depression, in der viele Menschen arbeitslos waren und auf der Suche nach Arbeit umher zogen. Daher waren solche Camps, in denen die Wanderarbeiter ihre Zelte und Baracken errichteten, nicht selten.
Beim Durchblättern einer alten SPIEGEL-Ausgabe, die irgendwo herumlag, erregte ein Pressebild meine Aufmerksamkeit. Unter Mitteilungen war ein Photo zu sehen, das eine Person zeigte, die zum Sprung von einer Balkonbrüstung angesetzt hatte. Dieses Bild fesselte deshalb meinen Blick, weil dieser sich im Sprung befindende Mensch so gar nicht hineinpassen wollte in das mondäne, distinguierte Ambiente der Innenarchitektur. Als Fremdkörper störte er die klassizistische Fassade auf eine erhebliche, jedoch sehr leise Weise...
Unternehmen sind heutzutage nicht mehr nur Hersteller von Gebrauchsgegenständen. Ihr Firmenname und ihr Logo bedeuten für die Kunden mehr als die Kennzeichnung der hergestellten Produkte und ihre Bedeutung scheint über das bloße Verständnis von Markenprodukten als Statussymbole und Prestigeobjekte hinaus zu gehen. Wie sonst ist zu erklären, dass Menschen vor den Geschäften der Bekleidungskette „Abercrombie & Fitch“ Schlange stehen und lange Wartezeiten in Kauf nehmen, um sich Kleidung zu kaufen? Und warum sonst, musste dem Ansturm auf den Apple-Store in Peking beim Verkaufsstart des iPhone 4GS mit der Polizei entgegengewirkt werden?
Als Anfang der 50er Jahre eine globale Krisensituation mit dem Aufkommen neuer Kommunikationstechnologien und der Entstehung einer konsumorientierten Massenkultur korrelierte, veranlasste die Bilderflut von Atomtests und Reklameaufnahmen den Soziologen Lewis Mumford zur Auseinandersetzung mit einem Diskurs, der erst in der jüngsten Zeit seinen vorläufigen Höhepunkt finden sollte...
Die folgenden wissenschaftlichen Untersuchungen basieren auf dieser Fragestellung: Lassen sich die mit dem neuzeitlichen Medium der Videokamera dokumentierten Tsunamivideos mit den kunsthistorischen Abbildungen der biblischen Sintflut vergleichen? Und wenn ja, gibt es einen ikonographischen Zusammenhang zwischen den Bildern dieser augenscheinlich so konträren „Bildträgern“? Es ergeben sich somit zwei Themenschwerpunkte: Zum einen die Übertragung der beiden Tsunamis in Südasien und Japan durch das Kommunikationsmedium Handy und der Videokamera und die mit sich bringende Überlegung bezüglich der evozierten Emotionen durch diese neue Art der Dokumentation. Denn der Betrachter steht hilflos einer „Flut“ von Bildern gegenüber, die aus seinen eigenen Reihen kommen. Er sieht nicht mehr die für politische Zwecke oder von den Medien manipulierten Bilder, sondern Echtzeitzeugnisse menschlicher Schicksalsschläge und Ängste...