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Ein ungewöhnlicher Zufall wollte es, daß mir vor einiger Zeit beim Durchblättern eines Buches ein Brief in die Hände fiel, welcher sogleich meine Aufmerksamkeit erregte. Zum einen war es das übergroße Format der Briefbögen, sodann eine klare ebenmäßige Schrift, vor allem aber war es der Absendeort "Kaltungo", der mich veranlaßte, die einzelnen Seiten genauer in Augenschein zu nehmen. Der sechs Seiten lange Brief wurde am 1. August 1961 von Mr. FADA FESON, einem Lehrer der "Junior Primary School Ture", an Herrn ARND RUF in Feldberg, Bärental geschrieben und ist bis auf die Anrede, einige kurze Zitate sowie einen fünfzeiligen Absatz am Ende auf Hausa verfaßt. Der Anlaß des Schreibens ist ganz offensichtlich in mehreren historisch-ethnographischen Fragen des Adressaten zu sehen, um deren Beantwortung sich der Schreiber bemühte. Dieser Brief schien mir allein schon deshalb einer Veröffentlichung wert, weil hier verschiedene kulturgeschichtliche Themenbereiche eines Volkes und eines Gebietes angesprochen werden, die heute kaum mehr bekannt, vielleicht sogar schon vergessen sind.
Zentrum und Peripherie : Prinzipien der Landverteilung bei den Mosi im Raum Tenkodogo (Burkina Faso)
(1995)
Die Stadt Tenkodogo liegt auf der Siedlungsgrenze zweier Ethnien - der Mosi im Norden und Nordwesten und der Bisa im Süden - und zugleich am nördlichen Rand des Mosistaates Tenkodogo, dessen Hauptstadt sie auch ist. Der südlichste Staat der Mosi liegt somit überwiegend nicht auf Mosi-, sondern auf Bisaterritorium. Die Untersuchungen in diesem Gebiet konzentrierten sich auf zwei Siedlungen, die sich unter unterschiedlichen Aspekten für einen Vergleich besonders gut anboten. Anhand dieser beiden Siedlungen soll den Kriterien der Raumaufteilung und Landverteilung in diesem Gebiet nachgegangen werden. Wichtige Fragen dabei sind: Gibt es Erklärungen für die Lage der beiden Siedlungen im Raum? Wie wird das Land verteilt? Wie gestaltet sich die Landzuteilung und die Arbeitsorganisation innerhalb der einzelnen Familien, bzw. der Bewohner der verschiedenen Gehöfte? Lassen sich aus all dem schließlich übergeordnete Prinzipien und Präferenzen ablesen, die über die konkrete Frage der Landverteilung hinaus Rückschlüsse auf andere gesellschaftliche und politische Bereiche ermöglichen?
Bei den hier vorgestellten ethnologischen und geomorphologischen Aspekten von Brunnen und Getreidespeichern in der firgí-Region Musenes wird besonders die "angepaßte Technologie" der hier lebenden Menschen deutlich. Die kulturelle Entwicklung der Region hängt eng mit den besonderen naturräumlichen Bedingungen zusammen. Die Eigenbezeichnung als firgiwú (die Leute des Tons) verweist auf eine Beziehung der Bewohner zum Naturraum, in dem Ton eine besondere Rolle spielt und für den es spezielle Berufszweige gibt. Die Ressource Ton wird, gleichwohl im Bewußtsein, daß es sich hierbei um regionalspezifische Aspekte handelt, als integrierendes Moment über die ethnischen Grenzen hinweg als Teil ihrer firgiwú -Kultur verstanden. Offensichtlich hat diese eine lange Tradition. Interessant wäre, ob in anderen ähnlich ausgestatteten Naturräumen in Westafrika eine vergleichbare Anpassung bzw. Nutzung des Naturraumes zu finden ist, bzw. wie dort die Nutzungsstrategien aussehen.
Zum Landnutzungswandel in der südlichen Sudanzone am Beispiel des Bauchi State (Nordost-Nigeria)
(1995)
In der südlichen Sudanzone Westafrikas sind die Aktivitäten des wirtschaftenden Menschen seit langer Zeit die Hauptfaktoren der Landschafts- und Vegetationsgestaltung. Die ursprüngliche natürliche Vegetationsdecke - entsprechend der klimatischen Gegebenheiten wahrscheinlich laubabwerfende Trockenwälder - ist durch anthropogene Eingriffe in vielfältiger Weise verändert oder auch gänzlich beseitigt worden. Die Veränderungen bestehen einerseits aus direkten Eingriffen durch Rodung (für Siedlungs- und Anbauflächen), die selektive Nutzung von Pflanzen (Brennholzeinschlag und Holzkohleherstellung, Bauholznutzung, Beweidung, Laubschneiteln und Sammeltätigkeiten) und durch gelegte Buschfeuer (Aufspüren von Jagdwild, Stimulanz neuen Graswachstums und "Öffnen" der Pflanzendecke vor Unterkulturnahme). Andererseits haben die anthropogenen Einwirkungen je nach Art, Intensität und Dauer auch die natürlichen Standortbedingungen (vor allem Boden, Wasserhaushalt und Klima) verändert. Nicht zu vernachlässigen sind des Weiteren die nachhaltigen Eingriffe in den Wildtierbestand. In weiten Teilen Westafrikas wurde der am Anfang des 20. Jahrhundert noch recht arten- und individuenreichen Wildtierbestand fast vollständig verdrängt oder ausgerottet. Im vorliegenden Beitrag sollen am Beispiel des südöstlichen Bauchi State die Veränderungen der allgemeinen sozioökonomischen Rahmenbedingungen und die wichtigsten Maßnahmen zur Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft und der dadurch bedingte Landnutzungswandel skizziert werden. Ausgangspunkt ist dabei der Zustand der Landschaft zu Beginn der Kolonialzeit, die hier in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts begann.
In Tenkodogo, Burkina Faso, bietet sich gegenwärtig noch Gelegenheit, die Schlachtung von Rindern sowohl im sakralen als auch im profanen Kontext beobachten zu können. Diese Situation ist Moment einer Veränderung, nämlich der Verlagerung von der Schlachtung im rituellen zur Schlachtung im gewerblichen Rahmen. Am Hof des traditionellen Herrschers von Tenkodogo werden immer weniger Stiere während der rituellen Feste eines Jahres an den Gräbern der Ahnen geopfert. Immer mehr Rinder werden täglich auf dem modernen Schlachthof von Tenkodogo vermarktet. Sowohl im sakralen (rituellen) als auch im profanen (gewerblichen) Zusammenhang werden die Tiere geschlachtet, d.h. getötet, gehäutet, ausgenommen und grob zerteilt. In beiden Fällen führt dies dazu, daß die Körperteile der geschlachteten Rinder zum größten Teil vom Menschen verbraucht, d.h. klein zerteilt, verteilt, zubereitet und verzehrt werden. Beides, sakrale wie profane Schlachtung, dient der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch (Fleisch verstanden als Sammelbegriff für alle essbaren Bestandteile eines Tierkörpers, d.h. Muskel, Fett, Blut, Organe, Sehnen/Knorpel, Knochen/Knochenmark und Haut). Daneben spielen auch andere Ziele eine Rolle, etwa die Gabe an die Ahnen oder der Lebensunterhalt der gewerblichen Fleischer. Dennoch kann man, aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Ernährung für den Menschen, zu Recht davon ausgehen, daß die vorrangige Funktion sakraler und profaner Schlachtung in der Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch besteht. Im Folgenden sollen sowohl ideelle Zusammenhänge als auch handwerkliche Methoden sowie die Verteilungssysteme im Rahmen beider Bereiche beschrieben und verglichen werden.
Probleme der Nutzung von Weideressourcen bei den Shuwa-Arabern im nigerianischen Tschadbecken
(1995)
Die Weidewirtschaft, wie die Shuwa-Araber des Tschadsee-Gebietes sie betreiben, ist ein Forschungsbereich, in dem sich die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt in einem Savannen-Habitat besonders deutlich nachvollziehen lassen. Die Weidepflanzen sind von Klima- und Bodenverhältnissen und die Herdentiere in einem nicht unerheblichen Maße von geomedizinischen Faktoren wie der Verbreitung der Tsetse-Fliege abhängig. Der Mensch beeinflußt durch sein wirtschaftliches Management, die Auswahl und Zucht seiner Haustiere, die Frequentierung von Weidearealen und Transhumanzrouten, künstlich angelegte Buschfeuer, Anlage von Forstreserven etc., die naturräumlichen Gegebenheiten. Er wirkt mit diesen Eingriffen auch auf Selektionsmechanismen in der Pflanzenwelt hin und gestaltet die Savanne gewissermaßen zu einer "Kulturlandschaft" um. Die Savanne Westafrikas dient zu einem Großteil als Weideland, und bei dieser Nutzungsart tritt die Interdependenz zwischen dem Menschen und seiner "natürlichen" Umwelt besonders deutlich hervor. Es ergibt sich daraus eine Vielzahl von Fragestellungen, die hier zumeist nur anzusprechen, aber nicht erschöpfend zu beantworten sind. Einige der Grundfragen für diese Thematik können wie folgt formuliert werden: - Wie "natürlich" ist der als Weideland dienende Savannenraum? - Mit welchen naturgegebenen Determinanten werden die Tierhalter konfrontiert? - Über welche kultur- bzw. ethnospezifischen "Pläne" verfügen sie, um sich den Bedingungen ihrer ökologischen Nische anzupassen? - Trägt die viehwirtschaftliche Produktion eher zur Zerstörung oder zur Bewahrung der natürlichen Ressourcen bei?
Anlaß für die exemplarische Untersuchung des Siedlungsmusters der Gulmance-Siedlungen südlich der Chaîne de Gobnangou waren die augenfälligen Siedlungsdisparitäten und die unübersehbaren Kongruenzen zu den naturräumlichen Gegebenheiten in der Region. Schon der Blick auf eine Karte der Bevölkerungsdichten in den einzelnen Provinzen Burkina Fasos zeigt, daß die Siedlungsdichte in den nahezu ausschließlich von Gulmance besiedelten Provinzen Gourma und Tapoa weit unter dem Landesdurchschnitt liegt. Innerhalb der Provinz Tapoa wiederum fällt auf, daß Gebieten mit relativ hoher Bevölkerungsdichte nahezu unbewohnte Regionen gegenüberstehen. So reihen sich die Ortschaften der Gulmance in den Vorländern des Höhenzuges von Gobnangou dicht an dicht, während die Flachlandschaft rund um die Provinzhauptstadt Diapaga äußerst dünn besiedelt ist. Ebenso ist die südlich des Gobnangou-Massivs liegende Pendjari-Ebene, deren überwiegender Flächenanteil von Nationalparks eingenommen wird, nahezu unbesiedelt.
Die weidewirtschaftliche Nutzung beeinflußt seit Jahrtausenden den Natur- und Kulturraum der westafrikanischen Savanne. Die Beweidung durch die verschiedenen domestizierten Tierarten hat in diesem Zeitraum einen wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung der Vegetationszusammensetzung gehabt und das vor allem in der Krautschicht. Übermäßige Beweidung kann - wie zahlreiche Untersuchungen zeigen - zu einschneidenden Veränderungen in der Pflanzendecke führen, die letztlich in einer völligen Zerstörung der Vegetation gipfeln können. Dieser Prozess wird landläufig als Überweidung bezeichnet und gilt als eine der wesentlichen Ursachen für Landschaftsschäden. Die in den letzten Dekaden ständig anwachsenden Tierbestände in Afrika südlich der Sahara haben die Situation weiter verschärft. Folgerichtig konzentrieren sich Meliorationsvorschläge auf eine Verringerung der Besatzdichte auf ein tragfähiges Maß. Angestrebt wird ein geregeltes Weidemanagement, das eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen ermöglicht. Trotz teilweise jahrzehntelanger Bestrebungen konnte dieses Ziel bis dato nicht erreicht werden, so daß in jüngerer Zeit Fachwissenschaftler zu der Überzeugung gekommen sind, daß diese Mißerfolge bereits auf Fehler in den grundlegenden Überlegungen zurückzuführen sind. Die aus diesen neuen Überlegungen resultierenden Modellvorstellungen in der Weideökologie sollen an dieser Stelle vorgestellt werden. Dabei wird vor allem auf die Problematik der Beurteilung und Bewertung des Überweidungsprozesses eingegangen.
Einmal im Jahr, einundzwanzig Tage nach dem für Ahnen und Jenseitsmächte zelebrierten Erntedank, würdigen König und Hofstaat mit einem gesonderten Fest, Bugum Yaoge~, den Vorfahren, von dem sich die Tenkodogo-Dynastie in direkter Linie herleitet: Naaba Bugum. Naaba Bugum selbst hat seinen Fuß wahrscheinlich nie nach Ye~le~yan gesetzt, wie Tenkodogo - in Anlehnung an einen nahen Regenzeitfluß - damals noch hieß. Naaba Sigri leitete den Beginn einer Expansion ein, die etwa hundert Jahre später, unter einem seiner Nachfolger, Naaba Bãogo, zur Unterwerfung der südlichen Bisa von Loanga und Bane und damit zur größten territorialen Ausdehnung vor Einzug der französischen Kolonialmacht führen sollte.
Die seit 1990 laufenden archäologischen Forschungen des SFB 268 in NE-Nigeria haben mittlerweile zur Entdeckung zahlreicher Siedlungsstellen geführt, deren Keramik Eckwerte in der endsteinzeitlichen und früheisenzeitlichen Besiedlungsgeschichte des südwestlichen Tschadbeckens aufzeigt. Zu den Plätzen Konduga und Gajiganna A-D wurden in der Kampagne 1993 weitere 11 Fundstellen der beiden letzten vorchristlichen Jahrtausende entdeckt. Sie streuen in einem ca. 48km2 großen Gebiet südöstlich von Gajiganna. Auf vier dieser Stellen wurden Testgrabungen, auf sieben Fundplätzen Begehungen vorgenommen. Dazu kommen über 30 wahrscheinlich eisenzeitliche Fundplätze, die ebenfalls nur begangen wurden. Für den relativ kleinen, exemplarisch ausgewählten Untersuchungsraum besteht somit eine umfangreiche Fundplatzliste, die für die nachfolgenden Betrachtungen eine solide Grundlage bietet.