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Einige Bemerkungen zum Begriffsfeld ›Nation‹ im Mittelalter. Von der "natio" zur Nation

  • Im Mittelalter war der Begriff der Nation zwar schon klar umrissen, aber die Nation in unserem Sinne gab es nicht. Das Wort ›Nation‹ ist entlehnt aus dem Lateinischen nâtio (-ônis), einer Ableitung von nâscî (nâtus sum), geboren werden, das mit dem lateinischen genus‚ Geschlecht, Art, Gattung verwandt ist. Das Wort bezeichnet seiner Etymologie nach eine Gemeinschaft von Menschen derselben Herkunft, die durch gemeinsame Abstammung verbunden sind; dann anschließend eine Gemeinschaft von Menschen gleicher Kultur, Sprache. Demgemäß bezeichnete lat. natio schon in der Antike und noch lange im Mittelalter die Abstammung oder den Herkunftsort einer Person und zwar in Bezug auf politisch nicht organisierte Bevölkerungen. Anfangs bezeichnete also die Nation die Herkunft einer Gruppe von ausgewanderten Menschen, die sich mit der Bevölkerung vermengte, in die sie sich eingliederte. So wurde das Wort besonders gebraucht, um die Herkunft der Studenten einer Universität zu bezeichnen: es ist die Rede von ›Universitätsnationen‹, wobei »mit diesem Wort […] ursprünglich eher Himmelsrichtungen als Nationen im späteren Sinne gemeint« waren. Es entstand in Paris die Einteilung in vier Nationen: Gallikaner oder Gallier, zu denen auch Italiener, Spanier, Griechen und Morgenländer zählten, Picarden, Normannen und Engländer, die auch die Deutschen und weitere Nord- und Mitteleuropäer beinhalteten. […] Es gab an der 1348 gegründeten Universität Prag ebenfalls vier gleichberechtigte ›Nationen‹, in die sich die einzelnen Studenten organisierten. Die polnische Nation umfasste die Studenten aus Preußen, Schlesien oder aus einer polnischen Stadt mit deutscher Bevölkerung, d. h. aus dem gesamten östlichen Raum; zur böhmischen Nation gehörten die Böhmen, die Tschechen, die Ungarn und die Südslaven, zur bayerischen Nation die Schwaben, die Bayern, die Franken, die Hessen, die Rheinländer und die Westfalen, zur sächsischen Nation die Norddeutschen, die Dänen, die Schweden und die Finnen. So hatte der mittelalterliche Nationbegriff nichts zu tun mit dem modernen, seit der Französischen Revolution in den Vordergrund getretenen, und noch weniger mit dem Nationalismus.

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Metadaten
Verfasserangaben:Danielle Buschinger
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-237027
URL:http://www.iablis.de/iablis_t/2005/buschinger05.html
ISBN:3-934877-48-6
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):IABLIS : Jahrbuch für Europäische Prozesse
Verlag:Manutius Verlag Heidelberg
Verlagsort:Heidelberg
Herausgeber*in:Ulrich Schödlbauer
Dokumentart:Wissenschaftlicher Artikel
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):22.12.2011
Jahr der Erstveröffentlichung:2005
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Datum der Freischaltung:22.12.2011
Freies Schlagwort / Tag:Begriffsgeschichte
GND-Schlagwort:Nation; Mittelalter
Jahrgang:2005
Seitenzahl:6
HeBIS-PPN:427779561
Institute:Extern
DDC-Klassifikation:8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik
Sammlungen:CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
BDSL-Klassifikation:05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte / BDSL-Klassifikation: 05.00.00 Deutsche Literaturgeschichte > 05.04.00 Studien
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