Zur Problematik der Populationsimmunität von viralen, impfpräventablen Erkrankungen am Beispiel Masern und Mumps
- Grundproblematik und Zielstellung: Masern- und Mumpsinfektionen sind als typische Kinderkrankheiten bekannt, die in der Regel komplikationslos verlaufen und eine lebenslange Immunität hinterlassen. Es gibt jedoch, vor allem bei der Erkrankung im Erwachsenenalter oder von kleinen Kindern und immungeschwächten Personen, auch schwerwiegendere Verläufe. Diese bringen häufiger Komplikationen (Masernpneumonie mit einer Häufigkeit von 1:1000, sowie das Enzephalitisrisiko) mit sich, können bleibende Schäden verursachen oder führen selten sogar zum Tod. Aus diesem Grund ist seit 1973 eine Impfung gegen Masern sowie seit 1976 eine Impfung gegen Mumps (in Kombination mit Röteln als MMR seit 1980) öffentlich empfohlen. Diese Ausarbeitung soll nun den Verlauf der Immunitätslage der Bevölkerung in den Jahren 2001 bis 2005 darlegen und das Vorhandensein von etwaigen Immunitätslücken bezüglich dieser Krankheiten untersuchen. Methodik: Zur Bestimmung der Immunität wurden Serumproben ausgewertet, die am Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikum Frankfurt am Main vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 auf Antikörper gegen Masern (n = 3.405) und Mumps (n = 2.875) untersucht wurden. Bei der Bestimmung der Seroprävalenzen wurde nach Altersgruppe und Geschlecht differenziert. Ergebnisse: Sowohl bei Masern als auch bei Mumps sind bei tendenziell abnehmender Immunität zum Teil erhebliche Immunitätslücken zu finden. Die masernspezifischen Antikörper stiegen zunächst bis zum Jahr 2003 auf 95,7 % Seropositive an, fielen jedoch bis 2005 stetig wieder auf 75,2 % ab. Die immunitätanzeigenden Antikörper gegen Mumps erreichten in keinem der Jahre Werte über 60 %. Im Bezug auf das Geschlecht wiesen in der Regel die Frauen höhere Immunitätsraten auf als die Männer. Im Vergleich der Altersgruppen zeichneten sich bei beiden Krankheiten deutliche Immunitätslücken im Kindesalter sowie bei den Jugendlichen und im jungen Erwachsenenalter ab. Bei den Masern waren nahezu kontinuierlich über den gesamten Untersuchungszeitraum Immunitätslücken bei den Altersgruppen der 1 bis 4 Jährigen und der 15 bis 19 Jährigen erkennbar, die zwischen 20 und 50 % lagen und von 2001 bis 2005 zunahmen. Die Immunität im Erwachsenenalter war grundsätzlich höher als im Kindesalter, zeigte jedoch ebenfalls über die Jahre fallende Tendenzen und nahm 2005 durchschnittliche Werte von knapp 90 % an. Ab dem 60. Lebensjahr sank der Anteil der Seropositiven jedoch wieder auf im Mittel 75 % ab. Bei Mumps lagen die Immunitätsraten im gesamten Kindesalter kaum höher als 70 %, 2005 sogar unter 50 %. Im jungen Erwachsenenalter stieg die Anzahl der Seropositiven dann zögerlich von Werten um die 60 % bei den 20 bis 29 Jährigen auf 80 bis 90 % bei den 40 bis 59 Jährigen an. Ab dem 60. Lebensjahr nahm der Anteil der Seronegativen ähnlich wie bei den Masern zu. Folgerungen: Die vorliegende Arbeit zeigt, dass weiterhin Immunitäts- und Impflücken bei Masern und Mumps bestehen und sich diese sogar bis zum Jahr 2005 in ihrer Größe ausgedehnt haben. Vielmehr als zuvor weisen nun auch höhere Altersgruppen größere Immunitätsdefizite auf. Folge hiervon sind die steigenden Erkrankungszahlen im Erwachsenenalter und die dadurch bedingte Erhöhung der Komplikationsraten im Krankheitsfall. Es gilt also, auch in Anbetracht des von der WHO gesetzten Ziels der Maserneradikation, verstärktes Augenmerk auf den Erhalt und den Ausbau der Populationsimmunität bei Masern und Mumps zu legen. Um weitere Ausbrüche dieser Krankheiten zu verhindern, muss das Impfverhalten in der Bevölkerung dringend verbessert werden. Ziel ist es hierbei, Impfraten von mindestens 95 % für die erste Applikation zu erreichen.
- Background and objective: Measles and mumps viral infections are typical childhood diseases which normally pass without complications and result in lifelong immunity. However, there are have also been severe cases especially in older adults or people with immune deficiency who have had more complications that may cause permanent damage and even in some cases death. Because of these complications, it has been recommended in Germany that people are vaccinated against measles and mumps since 1973 and 1976, respectively (MMR since 1980). This study shows the situation of measles and mumps immunity from 2001 to 2005 and explores the presence of immuno-deficiencies relative to these diseases. Method: To determine if immunity to the viruses was present, serum samples from January 2001 to December 2005 were tested for specific antibodies against measles (n = 3.405) and mumps (n = 2.875) at the Institute of Medical Virology Frankfurt/Main. Serum testing was segregated by gender and age groups. Results: The immunity level for both diseases was shown to be decreasing in part due to a low level of vaccinations. Immunity to measles increased to 95,7 % in 2003, however; during the following two years the immunity level decreased to 75,2 %. Immunity to mumps was never more that 60 % in any given year. In comparing genders, women showed higher immunization levels than men. With regard to the different age groups, children under 4 years of age, teenagers and young adults showed a decreasing rate of immunity for the diseases. Measles immunity levels decreased each year of the study period for children less than 4 years of age and also for teenagers between 15 and 19 years of age. Lack of immunization grew from 20 to 50 % during the study period. The adult immunity levels were consistently higher than for children and teenagers, however; as of 2005 the immunity level was approximately 90 %. For the age group of 60 years and older, the seropositive rates decreased to about 75 %. Mumps antybody levels for children never reached more than 70 % during the entire study period and were only about 50 % in 2005. Immunity to mumps slowly increased to 60 % for the age group 20 to 29 year olds and between 80 and 90 % for 40 to 59 year olds. Seronegative rates also increased for those over 60 years of age. Conclusion: This study shows that there is a growing and detectable deficiency in the level of immunity for measles and mumps. Higher seronegative rates were found in all adult age groups. Due to the decrease in immunity for adults, infection rates increase for measles and mumps with a higher rate of severe complications. To maintain and increase the population’s immunity to measles and mumps, immunizations must continue in order to reach the WHO’s goal in eventually eradicating both diseases. Immunization rates of at least 95 % are required to prevent outbreaks of the diseases.