Beweiswert klinisch rechtsmedizinischer Untersuchungen zur Rekonstruktion rechtserheblicher Geschehensabläufe im Strafverfahren

  • In this retrospective study, case records of clinical forensic examinations and respective investigation records of the police and the public prosecutor’s (state attorney) office along with the resulting verdicts were examined in terms of type and site of injury found and extent of agreement or discrepancy between the story given by the accused party and the medical conclusions drawn from the injury pattern. Particular attention was focussed on the relevance of the expert opinion for the legal assessment through case-specific analysis of the respective verdicts. A total of 118 cases originating from the scope of the Institute of Forensic Medicine, Goethe-University Frankfurt/Main (2002 – 2005) were examined. These included bodily injury, child abuse, sexual compulsion, self-mutilation and injury patterns of individuals under suspicion of attempted or completed manslaughter/homicide. As compared to former studies, the results of this analysis were additionally correlated with the investigation records of the public prosecutor’s office (state attorney) to elucidate the importance of the forensic findings for police investigation and legal evaluation. The forensic examination involved 19 accused and 99 victims. As for the gender distribution of the victims, 51 females and 48 males were encountered. Slight female preponderance was seen in cases of sexual compulsion. The group of accused individuals consisted of 16 males and 3 females. Injuries due to blunt force impact, in particular hematomas involving skull and trunk, dominated as diagnostic findings in cases of bodily injury, sexual offenses and child abuse. In cases with suspected self-mutilation and in examinations of accused perpetrators of manslaughter/homicide scratches and lacerations prevailed. Correlating injury patterns and police inquiries, conclusions drawn from medical findings and results of police investigations were in good agreement in 46 % of the cases, but showed major discrepancies in another 25 %. In the remaining 29 % of the cases, the injury pattern did not allow for a definite expert opinion on the mode of infliction. Nevertheless, a detailed documentation of the medical findings proved to be of substantial value for police investigations. 39 % of the cases resulted in a final verdict, whilst in 59 % of the cases the charge was dismissed. Especially in the ladder forensic expert opinion was of considerable importance, since forensic assessment of injuries could either not be attributed to a certain perpetrator or contributed to the exoneration of the accused. In 2 % the judicial assessment was not available. In 82 % of the cases of child abuse the proceedings were stopped, e.g. since maltreatment could not be assigned to a particular perpetrator. In these cases, it became obvious, that forensic examination and assessment alone does not suffice, but has to be embedded in police investigations to achieve optimal results. Medical conclusions by forensic experts were – almost without any exception – considered in legal assessment and differentiatedly taken into account when weighing the sentence, thus reflecting the objectivity and neutrality of the medical assessment. In synopsis, albeit evidential value of forensic examination is assessed to be high optimal clarification of a case requires integration into the complete spectrum of investigations performed in a case.
  • In dieser retrospektiven Studie wurden rechtsmedizinische Gutachten und staatsanwaltschaftliche Ermittlungsunterlagen inklusive richterlicher Urteile zunächst auf die Frage untersucht, welche Verletzungen bei den jeweiligen Straftatbeständen erhoben werden konnten und in welchem Maß Diskrepanzen zwischen Tatschilderung und Verletzungen bestanden. Weiterhin wurde untersucht, inwieweit das rechtsmedizinische Gutachten mit der rechtlichen Begründung korreliert, bzw. welchen Stellenwert es in der rechtlichen Wertung einnimmt. Hierzu wurden 118 Fälle des Institutes für Rechtsmedizin in Frankfurt/Main aus den Deliktgruppen Körperverletzung, Kindesmisshandlung, sexuelle Nötigung, Selbstbeschädigung und Beschuldigtenuntersuchung bei Tötungsdelikten mit den dazugehörigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten der Jahre 2002-2005 ausgewertet. Die klinisch-rechtsmedizinische Untersuchung wurde bei 19 beschuldigten und 99 geschädigten Personen durchgeführt. Das Geschlecht der Geschädigten stellte sich im Verhältnis 51 weibliche zu 48 männlichen Personen dar. Das leichte Überwiegen der weiblichen Geschädigten erklärt sich durch die Deliktgruppe der sexuellen Nötigung. Bei den beschuldigten Personen überwogen Männer im Verhältnis 16:3. Bei den Delikten der Körperverletzung, sexuellen Nötigung und Kindesmisshandlung zeigten sich am häufigsten Verletzungen als Folge stumpfer Gewalt. Mit Abstand am zahlreichsten fanden sich Hämatome, überwiegend an Schädel und Rumpf. Bei den Beschuldigten von Tötungsdelikten und bei Personen mit Verdacht auf Selbstbeschädigung wurden vorrangig kratzer-/schnittartige Verletzungen erhoben. Auf Basis der polizeilichen Ermittlungen konnten bei den rechtsmedizinischen Untersuchungen in 46% der Fälle die Verletzung mit den Angaben zur Entstehung korreliert werden. In 25% der Fälle bestanden deutliche Diskrepanzen. In 29% konnte nicht sicher aus den Befunden auf die Verletzungsentstehung geschlossen werden. Es zeigte sich, dass durch eine detaillierte Befunderhebung ein wesentlicher Beitrag zur Ermittlungsunterstützung beigetragen werden kann. In 39% des Gesamtuntersuchungsgutes kam es zu einem richterlichen Urteil. In 59% wurden die Verfahren eingestellt, am häufigsten aufgrund eines fehlenden Tatnachweises gegen den Täter. In 2% konnte das Urteil nicht eingesehen werden. Es ist zu erwähnen, dass die rechtsmedizinische Expertise bei den rechtlichen Begründungen der Verfahrenseinstellungen auch dann eine erhebliche Rolle spielt, wenn fremd beigebrachte Verletzungen nicht mit einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellbar sind, so dass die Expertise auch durchaus entlastend wirken kann. 82% der ausgewerteten Fälle der Kindesmisshandlungen wurden eingestellt, da die Misshandlungstat keinem bestimmten Täter zugeordnet werden konnte. Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass das rechtsmedizinische Gutachten in diesen Verfahren nur ein Mittel des Sachbeweises ist und seinen Wert erst in der ermittlungsseitigen integrativen Zusammenschau und rechtlichen Wertung des Gesamtsachverhaltes erfährt. Die rechtsmedizinischen Gutachten wurden nahezu ausnahmslos in die rechtlichen Begründungen integriert und in unterschiedlicher Gewichtung für das Strafmaß herangezogen. Der Umstand, dass die ärztlichen Feststellungen teils strafschärfend, teils mildernd wirkten, spiegelt die Objektivität und Neutralität der Begutachtung wider. So zeigt sich, dass der Beweiswert rechtsmedizinischer Untersuchungen bei den untersuchten Deliktgruppen ein bedeutsames, jedoch nicht das einzige Mittel des Sachbeweises des Gerichtes ist. Der Beweiswert klinisch rechtsmedizinischer Untersuchungen für rechtserhebliche Strafverfahren ist somit als sehr hoch zu bewerten.

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Metadaten
Author:Natalie Rebecca Fend
URN:urn:nbn:de:hebis:30-85794
Referee:Peter Schmidt, Thomas LehrnbecherORCiDGND
Advisor:Peter Schmidt
Document Type:Doctoral Thesis
Language:English
Year of Completion:2010
Year of first Publication:2010
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2010/06/21
Release Date:2010/12/21
Page Number:147
Note:
Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden.
HeBIS-PPN:424961512
Institutes:keine Angabe Fachbereich / Extern
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
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