Analyse drogenassoziierter Auffälligkeiten im Straßenverkehr

  • Das Ziel dieser Dissertation war die Suche nach Drogenkonzentrationen, ab denen ein signifikanter Anstieg der Unfallraten im Straßenverkehr zu beobachten ist. Hierüber sollte die Grenzwertforschung für Drogen vorangetrieben werden, um für diese in Zukunft einen Grenzwert analog dem des Alkohols zu finden. Dies galt in besonderem Maße der Droge Cannabis, da diese zweifelsfrei die am häufigsten konsumierte illegale Substanz darstellt. Auswertungsgrundlage bildete dabei ein großes Kollektiv von 20.458 auffällig gewordenen Verkehrsteilnehmern, welche seit dem Jahre 1995 vom Institut für Forensische Toxikologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main registriert und seit 1997 in einer Datenbank verzeichnet worden waren. Diese Personen sollten auf diverse Parameter, wie beispielsweise Alter, Geschlecht und Art des begangenen Deliktes bei Vorliegen bestimmter Konzentrationen berauschender Substanzen untersucht werden. ... Dabei war auf sämtliche allgemein bekannten Drogen wie beispielsweise Cannabis, Kokain, Opiate und Amphetamine, sowie einige Medikament hin untersucht worden. Vorteil dieses Datenmaterials war die Fähigkeit zur Abbildung der Realität, was drogenassoziierte Ereignisse im Straßenverkehr betrifft. Nachteil war ein mangelndes nüchternes Vergleichskollektiv, das in der Lage gewesen wäre, die nüchtern am Verkehr teilnehmende Allgemeinheit abzubilden, da sämtliche Personen der Selektion durch die Polizei aufgrund des Merkmals „Verkehrsauffälligkeit“ unterlegen hatten. Als statistische Auswertungsmethode bot sich aufgrund der Beschaffenheit des Datenmaterials die so genannte Konfigurationsfrequenzanalyse (KFA) an, welche als komplexe Erweiterung der Kreuztabellenanalyse aufgefasst werden kann. Hierüber war aber zusätzlich eine Identifizierung einzelner, statistisch signifikant über- oder unterfrequentierter Werte möglich. Weiterhin wurden die unterschiedlichsten Risikoanalysen mittels Berechnung des Odds Ratio durchgeführt, um bestimmte stärker gefährdete Gruppen bzw. den Verkehr stärker gefährdende Drogen identifizieren zu können. Die Datenlage dieser Arbeit wies stellenweise große Ähnlichkeiten zu Ergebnissen anderer Studien auf. Andererseits kollidierten einige Befunde mit bisher bekannten Ansichten. Bei einer insgesamt von 14 bis 94 Lebensjahren reichenden Spanne, waren doch die meisten verzeichneten Personen zwischen 18 und 34 Jahre alt, wobei insgesamt der Männeranteil mit 93 % deutlich überwog. Allerdings wiesen Frauen bzgl. des Gesamtkollektivs eine größere Assoziation mit Unfallgeschehen auf. Dagegen war dieses Verhältnis in der Gruppe der Cannabiskonsumenten eindeutig umgekehrt. Eine Assoziation zu Unfällen zeigten sich darüber hinaus bei Betrachtung der Gesamtdatenbank, besonders bei Personen über 34 Jahren. Bei Vergleichsanalysen des Unfallrisikos bestimmter Drogen und Alkohol, konnte keine Droge das ermittelte Risiko des Alkohols auf den Verkehr übertreffen. Besonders der Vergleich zu Cannabis könnte nun aber vorschnell zu dem Schluss führen, dass von diesem keine Gefährdung des Straßenverkehrs ausgeht, da hier im Vergleich zu den übrigen Substanzen die geringste Assoziation zu Unfällen vorlag. Allerdings gilt hier erneut zu betonen, dass aufgrund des fehlenden nüchternen Vergleichskollektivs eine Aussage über die Gefährlichkeit von Cannabis im Straßenverkehr nur im Vergleich zu anderen berauschenden Mitteln möglich war. Eine Kalkulation des absoluten Risikos einer Droge war somit nicht möglich. Nach den vorliegenden Daten ereignet sich der typische Drogenunfall relativ unabhängig vom Alter, abhängig vom männlichen Geschlecht, nicht selten unter Mischkonsum diverser Substanzen und vor allem bei Nacht. Grundsätzlich fiel im Verlauf der Datenanalyse, trotz des ursprünglich auf Drogen – vornehmlich Cannabis - fokussierten Interesses, regelmäßig der Alkohol durch seinen starken Zusammenhang mit Verkehrdelikten auf. Während der Analysen zeichneten sich darüber hinaus bezüglich einiger Substanzen erstaunliche Ergebnisse ab, welche häufigere Unfallraten bei niedrigeren Drogenkonzentrationen demonstrierten. Es ergab sich ein bislang in der Forschung wenig beachteter Gedankenansatz, der zur These führte, dass möglicherweise drogennaive Personen aufgrund einer kaum ausgebildeten Toleranz gegenüber den konsumierten Substanzen, eher in Verkehrsdelikte wie Unfälle involviert sind, als drogenadaptierte Dauerkonsumenten. Fraglich ist aber, wie mit dieser Information in der Praxis umgegangen werden könnte. Es ergäbe sich folgendes Dilemma: für die Bewertung der tatsächlichen Leistungseinbußen eines Fahrers unter dem Einfluss von Drogen, müsste auch sein Konsummuster berücksichtigt werden. Diese Rechtsprechung existiert allerdings derzeit für kein berauschendes Mittel, ebenfalls nicht für Alkohol, obwohl hier ebenfalls von geringeren Leistungseinbußen durch Toleranzentwicklung ausgegangen werden kann. Das Dilemma bestünde somit in der Kollision von Wissenschaft und Ethik. Wissenschaftlich wäre es also sicher richtig einen Gelegenheitstrinker mit einer bestimmten Alkoholkonzentration im Blut als weniger fahrtüchtig zu erachten, als einen toleranten Alkoholiker mit gleicher BAK. Doch neben ethischen Bedenken und Fragen nach Gerechtigkeit findet dieser Gedanke seine Grenze schon allein bei der Vorstellung nach der praktischen Durchführbarkeit. So sollte diese Arbeit nicht als Schlusswort in der Diskussion um Alkohol und Drogen im Straßenverkehr angesehen werden, sondern vielmehr zu weiteren Untersuchungen in dieser Richtung anregen. Diese Notwendigkeit ergibt sich allein aus den Tatsachen, dass Drogen im Straßenverkehr präsent und Unfälle mit diesen assoziiert sind. Weiterhin konnte bisher stets nach Einführung gesetzlicher Regelungen, wie beispielsweise den Promillegrenzen beim Alkohol, ein Rückgang der Verkehrstoten verzeichnet werden. Da sich bei den Personen des Kollektivs dieser Arbeit die meisten Unfälle vor allem im Bereich legaler Alkoholisierungen ereignet hatten, sollten weitere Überlegungen und Untersuchungen prüfen, ob nicht konsequenterweise die Einführung einer 0,0 Promillegrenze gerechtfertigt, wenn nicht sogar notwendig ist, um die Sicherheit auf den Straßen ein weiteres Stück voran zu treiben.
  • The aim of this doctoral thesis was to find drug levels which are associated with a significant increase of traffic accidents. This should stimulate research on values for drug analogous to limit values existing for blood alcohol. Especially the drug cannabis was investigated, because it is unquestionably the most often consumed illegal substance. The basis of evaluation was a group of 20.458 drivers who have been registered in a database of the Institute of Forensic Toxicology of the Johann Wolfgang Goethe's University, Frankfurt/Main, since 1997. These data were evaluated for various parametres like age, gender and type of the offence committed by presenting certain concentrations of intoxicating substances. Cannabis, cocaine, opiates, amphetamines as well as some medicine drug were involved. The data provided a survey of drug-related events in traffic. A disadvantage of the study was the lack of a control group which would represent unimpaired drivers, because all person were arrested by the police on account of signs of traffic violations. For statistical evaluation the “configuration frequency analysis” (KFA) which can be understood as a complex enlargement of the cross table analysis. An identification of single, statistically significant values was possible. Furthermore different risk analyses were carried out by calculation of the odds ratio to be able to identify certain threatening groups or the most dangerous drugs. The data of this work exhinited great similarities to the results of other studies. On the other hand, some findings are in contrast to established views. Nevertheless, including age groups from 14 to 94 years, most persons were between 18 and 34 years old. With 93% men clearly predominated. However, women were more involved in traffic accidents. This relation was reverse in the group of the cannabis consumers. In addition, a close association with accidents was predominant in the group of older than 34 years old persons. In a comparative analysis of the accident risk due to certain drugs and alcohol, no drug was more dangerous than alcohol in driving. But, when compared to cannabis, it may lead to the conclusion that this drug is not a particular risk causing traffic accidents. However, it has to be emphasized that in the absence of a control group, a comparision of the danger of cannabis in the traffic is only possible by comparing it with that of other intoxicating substances. A calculation of the absolute risk of a certain drug was therefore not possible. According to the present data the typical drug accident occurs relatively independent on the age, but mainly with males often under the influence of various substances and particularly at night. Despite of the initially focused interest on drugs – mainly cannabis – in the course of data analysis alcohol was more often associated with traffic offences. During the analysis of the data surprising results were obtained demonstrating more frequent accident rates with low drug concentrations. This led to the conclusion that drug-naive people – in contrast to drug-adapted long-term consumers – are more involved in traffic offences like accidents because of their low tolerance. However, it is difficult to apply this fact in practice. For the assessment of the actual performance of a driver under the influence of drugs, his consumption pattern would also have to be considered. But no verdict exists for non-intoxicating substance and none for alcohol, although it could be assumed less impairment through tolerance development. A dilemma exists, therefore, in the collision of science and ethics. Academically, it would be correct to consider a casual drinker with a certain alcohol concentration in his bllod as less driving competent, than a tolerant alcoholic with the same concentration. However, besides ethical doubts and questions concerning justice these suggestions are practically not feasible. Therefore this work should not be seen as an epilogue in the discussion about alcohol and drugs in traffic, but rather stimulate other investigations in this direction. This is due to the fact that drugs and associated accidents occur in traffic. After the introduction of legal regulations, such as for example with legal blood alcohol limits, a decline of road casualities could be observed. Because most accidents in this study group had occurred within legal alcohol limits, other considerations should be investigated, whether a logically consequence is the introduction of 0.0 % blood alcohol concentration to increase road safety.

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Metadaten
Author:Frederic Hecker
URN:urn:nbn:de:hebis:30-74896
Referee:Gerold Kauert
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2010/02/19
Year of first Publication:2009
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2009/12/14
Release Date:2010/02/19
Note:
Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden.
HeBIS-PPN:419768122
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
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