Inadäquate Therapien bei implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren : Ursachen, klinischer Verlauf und prognostische Bedeutung / vorgelegt von Patrick Karim Khattar

  • Die primär – und sekundärprophylaktische Versorgung durch einen plötzlichen Herztod bedrohter Patienten mittels Implantierbarer Cardioverter Defibrillatoren hat sich in mehreren groß angelegten Studien einer rein konservativ-medikamentösen Behandlung gegenüber als überlegen erwiesen. Ein Hauptproblem dieser Therapieform ist jedoch die mit 25 – 40% berichtete hohe Inzidenz inadäquater Therapieabgaben. Bisher weitgehend ungeklärt blieben die prognostische Bedeutung, eventuelle Risikofaktoren sowie die daraus abzuleitenden therapeutischen Implikationen des Auftretens inadäquater Therapieabgaben. Die vorliegende Arbeit analysiert die Daten 783 (630 Männer, 153 Frauen. Medianes Alter 65 Jahre) konsekutiv im Zeitraum von 1993 bis 2005 in der Medizinischen Klinik III – Kardiologie und Angiologie – Abteilung für Elektrophysiologie der Universitätsklinik der Johann Wolfgang Goethe-Universität implantierter Patienten über einen medianen Nachbeobachtungszeitraum von 37 Monaten. Implantiert wurden nach allgemein anerkannter Indikationsstellung Cardioverter Defibrillatoren der Firmen CPI/Guidant, Ela-Medical, Medtronic Inc. und St. Jude Medical. Zum Einsatz kamen hierbei Ein – Zwei – und Dreikammergeräte (Einkammer = 511, Zweikammer = 239, Dreikammer = 33). Die Sachkontrolluntersuchungen fanden im ersten Jahr nach Implantation dreimonatig, danach halbjährlich sowie bei Notwendigkeit außerplanmäßig statt. Hierbei wurden jeweils alle stattgehabten, von den Implantierbaren Cardioverter Defibrillatoren registrierten Ereignisse ausgedruckt und auf Speichermedien gesichert. Die archivierten Elektrogramme der in diesem Zeitraum aufgetretenen 11.942 tachykarden Ereignisse bilden die Grundlage der Analyse der vorliegenden Arbeit. Hierbei wurden alle aufgetreten inadäquaten Therapiegaben an Hand der Elektrogramme einer von neun ätiologischen Kategorien zugeordnet. Der aktuelle Status aller 783 Patienten wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit, soweit unbekannt und somit notwendig, telefonisch oder per Briefkontakt mit den weiterbehandelnden Ärzten und Zentren eruiert. Im Rahmen der Untersuchung wurden Parameter betreffend der Erkrankungen der Patienten (Herzinsuffizienz, Koronare Herzerkrankung, Dilatative Cardiomyopathie, Klappenvitien und vorbekannte atriale Tachykardien) sowie zu ihrer zum jeweiligen Untersuchungszeitpunkt aktuellen Medikation (Klasse-I-Antiarrhythmika, Sotalol, Amiodaron, Beta-Blocker, Klasse-IV-Antiarrhythmika, Digitalisglykoside, ACE-Inhibitoren/AT1-Antagonisten, Aldosteronantagonisten, Diuretika und CSE-Inhibitoren ) erfasst. Die statistische Auswertung bezüglich des Auftretens inadäquater Therapien sowie ihrer Ätiologie, der Versterbenshäufigkeit, der Überlebensdauer, des gefährdeten Auftretenszeitraums inadäquater Therapien, eines eventuellen prädilektiven Risikoalters, des Einflusses der verschieden Ätiologien und der Anzahl inadäquater Therapiegaben auf Überlebensdauer und Versterbenshäufigkeit, des Einflusses der Begleitmedikation, des Einflusses der Begleiterkrankungen, der Differenzen zwischen Ein – Zwei – und Dreikammergeräten, der Differenzen der Geräte der verschiedenen Hersteller sowie der erfolgten Programmierung der Implantierbaren Cardioverter Defibrillatoren erfolgte mittels des Leevene-Tests, des Kolmogoroff-Smirnoff-Tests, des Zweistichproben-t-Tests sowie Fisher’s exaktem Test. Im nachbeobachteten Zeitraum wurden 11.942 tachykarde Ereignisse registriert, deren Auswertung 2806 (23,5%) inadäquate Therapien ergab. Davon waren 27,9% Defibrillationen, 72,1% antitachykarde Überstimulationen. 200 der 783 Patienten (25,5%) erlitten inadäquate Therapieabgaben während der Nachbeobachtungsperiode. 29,1% der implantierten CPI/Guidant-Geräte waren von inadäquaten Therapien betroffen, 40,8% der Ela90 Geräte, 21,2% der Medtronic-Geräte und 25% der St. Jude-Geräte. Tachykard übergeleitetes Vorhofflimmern machte 45,6% der inadäquaten Therapien aus, Sinustachykardien 11,3%, Vorhofflattern 9,1%, supraventrikuläre Tachykardien 16,1%, Sondendefekte 14,1%, Muskelpotentialfehlwahrnehmungen 0,8%, T-Wellen-Fehlwahrnehmungen 1,6%, R-Wellen-Doppelwahrnehmungen 0,4% und nicht anhaltende Ventrikuläre Tachykardien 0,9%. Die Analyse der Differenzen der Patienten, welche inadäquate Therapien erlitten und der Patienten, welche keine inadäquaten Therapien erlitten, ergab signifikante Unterschiede. Die Nachbeobachtungsperiode der Patienten mit inadäquaten Therapien war mit 54,2 Monaten im Median länger als die der Patienten ohne inadäquate Therapien (Median hier 30 Monate, p<0,000001). Gleiches gilt für die Überlebensdauer der Patienten mit inadäquaten Therapien (mediane Überlebenszeit 56,9 Monate versus 33,4 Monate, p<0,0001). Weder das generelle Auftreten inadäquater Therapien noch die Zahl der erlittenen inadäquaten Therapien reduzierten die Überlebensdauer. Auch konnte keine Form von inadäquater Therapie identifiziert werden, die mit einer Übersterblichkeit einherging. Das Auftreten inadäquater Therapien an sich jedoch ging in einer Subgruppenanalyse der Patienten mit inadäquaten Therapien, der Patienten mit nur adäquaten Therapien und der Patienten ohne jegliche Therapien mit einer erhöhten Versterbenswahrscheinlichkeit einher (p<0,000003 bzw. p<0,01). Insofern kann an dieser Stelle ein negativer Einfluss inadäquater Therapien in der Zusammenschau der Befunde nur gemutmaßt, nicht aber eindeutig nachgewiesen werden. Bezüglich der Risikofaktoren für das Auftreten inadäquater Therapien ergab sich ein gefährdeter Zeitraum innerhalb der ersten sechs Monate nach Implantation, was auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht individuell optimierte Programmierung zurückzuführen ist. Patienten jeden Alters wiesen ein vergleichbares Risiko auf, inadäquate Therapien zu erleiden. Insofern konnte kein Risikoalter identifiziert werden. Mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung inadäquater Therapien gingen eine insuffiziente Versorgung mit Betablockern oder Amiodaron (p<0,000001 bzw. p<0,04) sowie vor der Implantation bekannte atriale Tachykardien (p<0,001) einher. Beide Umstände erklären sich mit der Dominanz atrialer Rhythmusstörungen als auslösende Ursache inadäquater Therapien (82,1% aller inadäquaten Therapien wurden durch atriale Rhythmusstörungen ausgelöst) sowie durch den reduzierenden Effekt der beiden Antiarrhythmika auf die Inzidenz dieser atrialen Rhythmusstörungen. Die restlichen Begleiterkrankungen blieben ohne nachweisbaren Einfluss auf das Auftreten inadäquater Therapieabgaben. Zwei- und Dreikammergeräte konnten, entgegen der Erwartungen, die Inzidenz inadäquater Therapieabgaben gegenüber den Einkammergeräten nicht signifikant reduzieren (p<0,1). Am ehesten zu erklären ist dies mit den bei Zwei- und Dreikammergeräten vermehrt auftretenden Wahrnehmungsproblemen sowie den zusätzlich benötigten, defektanfälligen Sonden. Die vorliegende Arbeit konnte die berichtete hohe Inzidenz inadäquater Therapiegaben sowie deren dominierende Ätiologien in einem breiten, den klinischen Routinebedingungen entsprechenden Patientenkollektiv innerhalb eines langen Zeitverlaufes bestätigen und eventuelle Risikofaktoren identifizieren. Weiterhin konnten Erkenntnisse bezüglich der prognostischen Bedeutung inadäquater Therapieabgaben gewonnen werden. Die Kenntnis der Risikofaktoren könnte dazu beitragen helfen, gefährdete Patienten frühzeitig zu identifizieren sowie durch prophylaktische Maßnahmen die Inzidenz inadäquater Therapiegaben zu mindern. Weiterhin können die in dieser Arbeit gewonnen Erkenntnisse als Grundlage der Hypothesengenerierung und Planung weiterer klinischer Studien dienen.
  • Primary – and secondary preventive efforts aimed towards lowering the letality of sudden cardiac death using implantable cardioverter defibrillators have been shown to be superior to antiarrhythmic drug treatment troughout several studies. Nevertheless, one of the major drawback issues concerning this kind of therapy remains the reportedly high incidence of inappropriate therapies (25-40%). Today, not much is known about the prognostic impact, possible risk factors and the therapeutic implications of the occurrence of those inappropriate therapies. This study analyzes the data of 780 (630 male, 153 female. Median age 65 years) consecutively between 1993 and 2005 in the Clinic of Internal Medicine III – Cardiology and Angiology – Department for Electrophysiology of the Johann Wolfgang Goethe-University implanted patients. Median follow-up duration was 37 months. Regarding internationally approved indications, there were Implantable Cardioverter Defibrillators of CPI/Guidant, Ela Medical, Medtronic Inc. and St. Jude Medical implanted. Single-chamber-, Dualchamber and Biventricular devices were implanted (Single-chamber = 511, Dual-chamber = 239, Biventricular = 33). The decision was left to the implanting physicans choice, regarding his expertise and befitting patient characteristics. Follow up-examinations commenced one month after implant, during the first year every three months, afterwards every six months, more frequently if needed. During these examinations, every registered episode was being printed and stored using electronical storage devices. The recorded electrograms of the 11.942 episodes registered during follow up period were analyzed for this study, either being classified as appropriate or inappropriate therapies. All inappropriate therapies were categorized into one out of nine etiologic categories. Patients actual status was, if unknown and hence necessary, checked in correspondation with the patients physician. For this study, data concerning patients morbidities (congestive heart failure, coronary artery disease, dilated cardiomyopathy, valve irregularities and known atrial tachycardias) and patients actual medication (class I antiarrhythmic drugs, amiodarone, sotalol, betablockers, class IV-antiarrhythmic drugs, digitalis glycosides, ACE-inhibitors/AT1- antagonists, aldosterone-receptor-anatgonists, diuretics and CSE-inhibitors) were recorded. Statistical analysis concerning the occurence of inappropriate therapies, their etiology, lethality, the survival time, the time period at risk for development of inappropriate therapies, ages at risk, different etiologies and number of inappropriate therapies influence on survival time and lethality, medication influence, co-morbidity influence, single-dualchamber and biventricular device performance and differences as well as the comparison of the contributing developer’s devices was performed using the Leevene-test, Kolmogoroff-Smirnoff’s-test, Students t-test for paired groups and Fisher’s-exact-test. Statistical values are expressed as mean ± sd. A p-value &#8804; 0,05 was considered statistically significant. During follow up period, 11.942 episodes of tachycardia were registered, of which 2806 (23,5%) where inappropriate therapies. Of these, 27,9% were defibrillations and 72,1% antitachycardia pacing. 200 out of 783 patients (25,5%) experienced inappropriate therapies during follow up. 29,1% of the CPI/Guidant devices were concerned, 40,8% of the Ela-devices, 21,2% of the Medtronic devices and 25% of St. Jude’s-devices. Rapidly conducted atrial fibrillation was responsible for 45,6% of the inappropriate therapies, sinus tachycardia for 11,3%, atrial flutter for 9,1%, supraventricular tachycardias for 16,1%, 92 isolation defects and lead fractures for 14,1%, myopotential oversensing for 0,8%, t-waveoversensing for 1,6%, r-wave-doublesensing for 0,4% while non sustained ventricular tachycardias were responsible for 0,9% of all inappropriate therapies. Comparison of the characteristics of those patients who experienced inappropriate therapies and those who remained unaffected showed a few significant differences. The followup duration of the patients with inappropriate therapies was a median 54,2 months, while the patients without inappropriate therapies had a follow up duration of a median 30 months (p<0,000001). Comparable to that is the survival time (a median 56,9 months versus a median 33,4 months, p<0,0001). Not the occurrence of inappropriate therapies nor the the number of experienced inappropriate therapies reduced the survival time. Also, there was no etiologic form of inapproriate therapy that could be related to an increase in lethality. However, a subgroup-comparison of the patients who experienced inappropriate therapies and 1) the patients who only experienced appropriate therapies and 2) the patients who had no therapies at all could show an increase in lethality for the patients with inappropriate therapies (p<0,000003 and p<0,01). Hence, a negative effect of inappropriate therapies can at this point only be speculated about, but regarding the data so far, it can not be flawlessly proven. Regarding the risk factors for the development of inappropriate therapies, the first six months could be identified as the time at risk, most likely due to the at this time not individually optimized device programming. Patients of every age showed a comparable risk of developing inappropriate therapies. Hence, there seems to be no age specifically endangered. Related to an increased risk of inappropriate therapies were an lack in amiodrone or beta-blocker medication (p<0,04 and p<0,000001) as well as known atrial tachycardia before implantation (p<0,001). Those facts can most likely be explained with the dominance of atrial rhythm issues as the primary etiologic reason for the development of inappropriate therapies (82,1% of all inappropriate therapies were due to atrial rhythm issues) and the incidence-lowering effect of the two antiarrhythmic drugs on atrial tachycardias. The other drugs and co-morbidities remained without noticeable effect. Dual-chamber and biventricular devices could, against expectations, not significantly reduce the incidence of inappropriate therapies compared to single-chamber devices (p<0,1). This ist most likely due to the increase of sensing-issues within the dual-chamber and biventricular devices as well as the need of more, potentially defect-vulnerable, leads. This study could confirm the reportedly high incidence of inappropriate therapies caused by implantable cardioverter defibrillators as well as the dominating etiology in a widespread collective of patients representing clinical routine conditions over a long period of time. Several potential risk factors could be identified. Information regarding the prognostic implications of the occurrence of inappropriate therapies was gained that could, in combination with the knowledge concerning the potential risk factors, be used to identify patients at risk early on in order to reduce the incidence of inappropriate therapies by considering early preemptive measurements. On top of that, this studies results might be used to plan and carry out further clinical research.

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Metadaten
Author:Patrick Khattar
URN:urn:nbn:de:hebis:30-96810
Referee:Carsten Walter IsraelORCiDGND, Anton Moritz
Document Type:Doctoral Thesis
Language:German
Date of Publication (online):2011/08/10
Year of first Publication:2009
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Granting Institution:Johann Wolfgang Goethe-Universität
Date of final exam:2010/09/29
Release Date:2011/08/10
Note:
Diese Dissertation steht außerhalb der Universitätsbibliothek leider (aus urheberrechtlichen Gründen) nicht im Volltext zur Verfügung, die CD-ROM kann (auch über Fernleihe) bei der UB Frankfurt am Main ausgeliehen werden.
HeBIS-PPN:42531748X
Institutes:Medizin / Medizin
Dewey Decimal Classification:6 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften / 61 Medizin und Gesundheit / 610 Medizin und Gesundheit
Sammlungen:Universitätspublikationen
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