Weibliche Geselligkeit und literarische Konspiration im Vorfeld der Französischen Revolution : über das Projekt zur Gründung einer Frauenlesegesellschaft in Gießen 1789/1790

  • Für die Erforschung geselligen Literaturlebens im 18. Jahrhundert sind syste-matische, landesgeschichtlich fundierte Studien erforderlich, die in den Archiven vor Ort die Entstehung und Verbreitung von literarischen Gesellschaftsformen innerhalb eines Territoriums oder einer Landschaft aufarbeiten. Monika Neugebauer-Wölk weist in der Einführung zu Holger Zaunstöcks Studie Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen zu Recht darauf hin, dass die Erforschung von aufklärerischer Geselligkeit und Lesekultur sich hauptsächlich an der Kultur-, Alltags- und Mikrogeschichte zu orientieren hat. Die Vorstellung des Gründungsvorhabens einer reinen Frauengesellschaft in der mittelhessischen Universitätsstadt Gießen um 1789/1790 soll einen Baustein zu der Frage nach explizit weiblichen literarischen Geselligkeits- und Organisationsformen im Umfeld der Französischen Revolution beisteuern. Im Mittelpunkt der hier zu beschreibenden literarischen Aktivitäten steht die Schriftstellerin, Redakteurin und Journalistin Henriette Charlotte Hezel, die 1779 in Ilmenau bei Weimar das Frauenjournal Wochenblatt für´s Schöne Geschlecht redigierte. Nach ihrem Umzug nach Gießen setzte sie am neuen Wirkungsort ihr literarisches Engagement fort und projektierte eine reine Frauenlesegesellschaft, „wo kein Hauch männlicher Nation das Zimmer berühren soll“. Kurze Zeit später wurde sie Mitglied eines auf privater Basis organisierten weiblichen Lesezirkels in der Universitätsstadt. Hezel verließ damit den tradierten Erfahrungsraum des Privaten und trat als Schriftstellerin, Herausgeberin und Organisatorin einer reinen Frauenlesegesellschaft in die literarische Öffentlichkeit. Bemerkenswert an dieser Gründungsinitiative war die auffällige Affinität der Organisatorin zur radikaldemokratischen Geheimgesellschaft Deutsche Union, die von dem Radikalaufklärer Karl Friedrich Bahrdt 1787 gegründet wurde und im hessischen Raum ein wichtiges Wirkungsfeld besaß. Eine zentrale Rolle für die Verbreitung der Bahrdtschen Ideen in der hessischen Region spielte das Verlagsunternehmen Krieger, das verschiedene informelle Foren für den lite-rarischen Austausch zwischen den Mitgliedern der Geheimgesellschaft schuf. Für das Frauenleseprojekt in Gießen stellt sich deshalb die Frage, ob das aufkläreri-sche Leseprogramm der Deutschen Union für die Gründungsabsichten einer Frau-enlesegesellschaft in Gießen wesentliche Impulse lieferte. Eine zweite Frage zielt auf die mögliche überregionale Ausstrahlung dieses innovativen literarischen Projekts.

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Metadaten
Verfasserangaben:Christine Haug
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1113443
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Goethezeitportal
Verlag:Goethezeitportal
Verlagsort:München
Dokumentart:Wissenschaftlicher Artikel
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):12.11.2008
Jahr der Erstveröffentlichung:2008
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Datum der Freischaltung:12.11.2008
GND-Schlagwort:Frau; Lesegesellschaft; Französische Revolution; Gießen; Hezel; Henriette Charlotte
Quelle:Goethezeitportal: http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/epoche/haug_frauenlesegesellschaft.pdf; Erstpublikation (in:) Holger Zaunstöck/Markus Meumann: Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation: neue Forschungen zur Vergesellschaftung im Jahrhund
HeBIS-PPN:208806334
DDC-Klassifikation:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
BDSL-Klassifikation:13.00.00 Goethezeit / BDSL-Klassifikation: 13.00.00 Goethezeit > 13.06.00 Literarisches Leben
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