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Die Frage, was Literatur ist, scheint nicht nur die grundlegendste zu sein, die sich der Literaturwissenschaft stellt, sie ist zugleich ihre abgründigste. Grundlegend ist sie, weil sie nach dem Wesen der Literatur fragt und damit eigentlich eine Selbstverständlichkeit aufruft, die die Auseinandersetzung mit Literatur begleitet. Abgründig ist sie, weil auch die scheinbar selbstverständlichsten Definitionen der Literatur bisher nicht zu einer einheitlichen Auffassung vom Wesen der Literatur geführt haben. So steht die Literaturwissenschaft bereits mit der ersten Frage, die sich ihr stellt, vor einem scheinbar unaufhebbaren Dilemma. Auf den Gegenstand angesprochen, der ihr zugehört und der entsprechend über ihre Berechtigung als Wissenschaft Auskunft zu geben vermöchte, bleibt sie im Unklaren.
Wie Rolf Parr in seinem Aufsatz 'Liminale und andere Übergänge. Theoretische Modellierung von Grenzzonen, Normalitätsaspekten, Schwellen, Übergängen und Zwischenräumen in Literatur- und Kulturwissenschaft' deutlich macht, ist die Intertextualitäts- und Intermedialitätstheorie, die er im Anschluss an die Arbeiten Michel Foucaults und Jürgen Links vertritt, wesentlich von einem Moment der Grenzüberschreitung bestimmt. An die Stelle klar konturierter Grenzen treten Schwellen als "räumlichtopographische Zonen der Unentschiedenheit", die zugleich als zeitliche Erinnerungsschwellen fungieren. Parr richtet im Rekurs auf Foucault den Blick nicht allein auf diskursive Grenzen der Sagbarkeit durch Ausschlussmechanismen, Verbote etc. Er macht zugleich auf Foucaults frühes Konzept der Heterotopie aufmerksam, wo dieser Grenzziehungen auf bestimmte Raumstrukturen bezieht. Parrs eigenes Interesse liegt in diesem Zusammenhang in der Überführung der diskurstheoretischen Arbeiten Foucaults in eine Interdiskurstheorie, die eben die Schwellen einzelner Diskurse zu überschreiten hätte. Ich möchte hier einen anderen Akzent setzen und die Bedeutung von Schwellenerfahrungen bei Foucault selbst herausarbeiten. Ich konzentriere mich dabei zunächst auf den Begriff des historischen Aprioris aus 'Die Ordnung der Dinge', um daran anschließend auf den Begriff der Heterotopie einzugehen, der die Entstehung der 'Ordnung der Dinge' in den sechziger Jahren in gewisser Weise begleitet und komplementiert. Der Vergleich von Foucaults Schwellendenken mit dem Walter Benjamins soll zugleich erlauben, das Thema des Liminalen im Sinne Parrs als ein Grundmotiv von Foucaults Denken auszumachen.
Schöndummheit. Über Ignoranz
(2008)
Der reizvolle Begriff der Schöndummheit geht, im Verbund mit ähnlich attraktiven Ausdrücken wie dem der "Dummlistigkeit", auf Robert Musil zurück. Im Rahmen seiner Rede vom 17. März 1937 mit dem ebenso schlichten wie vielsagenden Titel "Über die Dummheit" zeigen Ausdrücke wie Schöndummheit und Dummlistigkeit an, dass es sich bei Fragen der Ignoranz, als deren Teil die Dummheit im Folgenden zu bestimmen sein wird, um Probleme handelt, für die keine eindeutigen Lösungen parat stehen. [...] Angesichts der von John Locke skizzierten Ausgangslage, derzufolge der Bereich des Nichtwissens immer umfassender ist als der des Wissens, eine Einsicht, die auch dem "Mann ohne Eigenschaften" zugrunde liegt, ist die Rede "Über die Dummheit" die systematische Ausarbeitung eines Problems, das im Zentrum des "Mann ohne Eigenschaften" steht. Im Folgenden wird es jedoch weniger darum gehen, Musilexegese zu betreiben, als vielmehr darum, mit Musils Hilfe und über ihn hinaus das unerschöpfliche Reich der Ignoranz zu durchwandern. Drei Problemzusammenhänge dienen der Vermessung des Terrains der Ignoranz als Leitfaden: die Unmöglichkeit, auf indifferente Art und Weise über Dummheit zu sprechen, der Zusammenhang von Ignoranz, Klugheit und Verstellung, sowie die Schwierigkeit, Unwissenheit zu definieren.
Im Mittelpunkt des Textes, so scheint es, steht die trauernde Verarbeitung eines lang zurückliegenden Ereignisses, damit zugleich Erinnerung und Abschied als Grundmotive des Werkes von Droste-Hülshoff, wie sie auch in anderen Texten wie "Meine Toten" oder dem Byron-Gedicht "Lebt Wohl" zum Ausdruck kommen. In der "Taxuswand" durchmisst Droste-Hülshoff eine lange Zeitspanne, achtzehn Jahre, die zwischen der Begegnung und seiner dichterischen Verarbeitung stehen. Die Frage, die in diesem Zusammenhang im Raum steht, ist die nach dem grundsätzlichen Verhältnis von dichterischer Erinnerungsleistung und biographischem Erlebnis im Werk der Annette von Droste-Hülshoff. Dass beide in ähnlicher Weise wie bei Baudelaire nicht einfach zusammenfallen, sondern auseinandertreten, ist die Vermutung, der es im Folgenden nachzugehen gilt.
Schriftkultur und Schwellenkunde? Überlegungen zum Zusammenhang von Literalität und Liminalität
(2008)
In einem ersten Schritt geht es um die begriffliche Klärung der Ausdrücke Literalität und Liminalität, um auf dieser Grundlage mögliche Anschlusspunkte zwischen beiden Bereichen zu markieren, ohne in die doppelte Gefahr einer völligen Unverbindlichkeit oder einer zu großen begrifflichen Enge zu fallen. Das Ziel der folgenden Überlegungen besteht demzufolge darin, von der Frage, was eigentlich gemeint ist, wenn von Literalität und Liminalität gesprochen wird, bis zu der weiterführenden Frage vorzudringen, was in Zukunft geleistet werden kann, wenn sich gezeigt hat, dass die Begriffe Literalität und Liminalität nicht nur für sich unverbunden nebeneinanderstehen, sondern sich wechselseitig ergänzen und so unterschiedlichen Forschungsprojekten Raum geben.
"The golden age of cultural theory is long past" - with this statement, Terry Eagleton begins his puzzling reflections on the era "After Theory" - that's the title of his book, first published in 2001. If the invasion of literary and cultural theory has come to an end, as Eagleton suggests, theory will probably become a simple object of the history of ideas. But what theoretical implications accompany the discourse of a possible and even probable end of theory? In this so-called era after theory, literary criticism quickly decided to take new steps: the Anglo-American tradition of "Cultural Studies" attempted to replace the theoretical impact of French theory with a more empirical approach to literary texts. At the same time, good old philology raised its hand to oppose the topographical turn of cultural studies as well as the deconstructive turn against all forms of presence. [...] For Foucault, philology is nothing more than a part of the historical discourse of the nineteenth century, an old-fashioned term that lacks any impact on contemporary problems. For this and other reasons, Foucault showed little interest in more recent models of philology. But maybe instead of subscribing too easily to the notion that we live in an era after theory, where problems of literary theory are replaced by concepts of discourse and culture that no longer pay any attention to literature, what is called for is an investigation of the impact of philological understanding in the humanities.
An Lessing und Lenz lässt sich zeigen, dass die Modernisierungsbewegung kontingenter verläuft, als es die soziologische Theorie glauben möchte, und dass sie den überlieferten Formen der Heiratsregeln mehr verdankt, als auf den ersten Blick vielleicht sichtbar wird. Vor diesem Hintergrund möchte der vorliegende Beitrag nicht nur die Familienbilder in den Dramen Lessings und Lenz' auf dem Übergang in die Moderne zur Darstellung bringen. Der vergleichende Blick auf das bürgerliche Trauerspiel und das soziale Drama will zugleich den Blick für den mythischen Kern schärfen, der im Familiendrama verhandelt wird. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, zunächst einen kurzen Blick auf den Ort der Familie im antiken Drama zu werfen, um darauf aufbauend anhand von Claude Lévi-Strauss' Untersuchung über "Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft" den Kernbereich der Familienbildung, die Heiratsregeln, zu erhellen, bevor auf dieser Grundlage Lessings "Emilia Galotti" und Lenz' "Der Hofmeister" in den Blick rücken.
Literatur und Epidemie
(2020)
Leuchtend Licht und liebliches Leben : über Zeit und Glück bei Walter Benjamin und Marcel Proust
(2017)
Wenn das menschliche Leben der Vergänglichkeit unterworfen ist, wie kann der Mensch dann Glück erfahren? Für Walter Benjamin offenbart sich Glück nur in kurzen Momenten als eine Erlösung von der linear fortschreitenden Zeit, und das geschieht in der Begegnung mit der Kunst. Marcel Proust sucht das Glück in der wiedergefundenen Zeit der Erinnerung – auch dies bleiben Erfahrungen des Augenblicks.