Schach und Philosophie
- Schach ist von der Verbreitung und vom Nimbus her das Denkspiel schlechthin. Als höchste Tätigkeit des Denkens gilt traditionell die Philosophie, und so scheint eine Verbindung von Schach und Philosophie durchaus nahezuliegen. In der Form "Philosophie des Schachs" findet man jedoch kaum, und vor allem wenig ernst zu nehmende Arbeiten. Wenn Philosophie sich im Gegensatz zu sonstigen Wissenschaften auf das Allgemeine, die Voraussetzungen der Einzelgebiete richtet, müsste sie als Schachphilosophie die Grundlagen des Schachs thematisieren. Die Grundlagen des Schachs aber sind die Schachregeln, und zu ihnen lässt sich wenig sagen. Man kommt so nur auf Spielregeln oder auf Spiele oder Regeln im Allgemeinen zu sprechen. Eine Schachphilosophie scheint hingegen sachlich überflüssig. In der anderen Form der Zusammenstellung - Schach in der Philosophie - wird man eher fündig, verweisen doch zahlreiche Philosophen immer wieder einmal auf Schach zur Verdeutlichung eines Gedankens. Das aber bleibt sporadisch - mit einer wichtigen Ausnahme: Ludwig Wittgenstein, bei dem Schach als Beispiel immer wieder die Eigenheiten der Sprache verdeutlichen soll. Allerdings könnte das auch Zufall sein. Gibt es einen sachlichen Grund, der das Schachbeispiel als besonders brauchbar für die Philosophie auszeichnet? Diese Frage ist auch deshalb angebracht, weil Wittgenstein oft zu konstruierten, teils abstrusen Beispielen greift und damit eine ungute Tradition begründete: Die analytische Philosophie gefällt sich darin, mit komplizierten, irrealen Geschichten, etwa mit nicht existierenden Lebensformen wie Superspartanern, Antipoden, Zombies ohne Bewusstsein, Sumpfmännern, Erzengeln, "chinesischen Zimmern" Gedankengänge zu "erläutern". Die einzig sinnvolle Reaktion hierauf ist nicht, deren Fragwürdigkeit aufzuzeigen - damit macht man den Unsinn nur mit - , sondern sie zu ignorieren und es mit dem Schachbeispiel besser zu machen. Dabei zeigen sich dann auch die Eigenheiten des Schachspiels, die Konturen einer Schachphilosophie.
Author: | Sigbert Gebert |
---|---|
URN: | urn:nbn:de:hebis:30:3-494447 |
URL: | http://www.passagen.at/cms/index.php?id=273 |
ISSN: | 0043-2199 |
ISSN: | 2510-7291 |
Parent Title (German): | Weimarer Beiträge : Zeitschrift für Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturwissenschaften |
Publisher: | Passagen Verlag |
Place of publication: | Wien |
Document Type: | Article |
Language: | German |
Year of Completion: | 2019 |
Year of first Publication: | 2011 |
Publishing Institution: | Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg |
Contributing Corporation: | Klassik Stiftung Weimar |
Release Date: | 2019/12/12 |
GND Keyword: | Schach; Philosophie |
Volume: | 57 |
Issue: | 4 |
Page Number: | 27 |
First Page: | 586 |
Last Page: | 612 |
HeBIS-PPN: | 457660473 |
Dewey Decimal Classification: | 1 Philosophie und Psychologie / 10 Philosophie / 100 Philosophie und Psychologie |
7 Künste und Unterhaltung / 79 Sport, Spiele, Unterhaltung / 790 Freizeitgestaltung, darstellende Künste, Sport | |
8 Literatur / 80 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft / 800 Literatur und Rhetorik | |
Sammlungen: | Germanistik / GiNDok |
CompaRe | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft | |
Germanistik / GiNDok / Passagen Verlag | |
Zeitschriften / Jahresberichte: | Weimarer Beiträge / Weimarer Beiträge 57.2011 |
: | urn:nbn:de:hebis:30:3-494229 |
Licence (German): | Deutsches Urheberrecht |