Politik und ihre Grenzen in Clausewitz' Denken über den Krieg

Politics and its Limits in Clausewitz's Thought on War

  • Carl von Clausewitz’ Denken über den Krieg steht paradigmatisch für ein instrumentelles Verständnis von Gewalt in der Politik. Gewalt ist für Clausewitz ein Mittel, das im Krieg verwendet wird, um politische Zwecke zu erreichen. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist jedoch die Ansicht weit verbreitet, dass Clausewitz’ Überlegungen keine Gültigkeit mehr besitzen. Gegenwärtige Formen des Krieges seien zwar gewaltsam, aber nicht mehr politisch, weil sie nicht allein von Staaten oder aus einer eng verstandenen Staatsräson heraus geführt werden. Der Einwand missversteht jedoch Clausewitz’ Begriff der Politik. Dieser soll im vorliegenden Aufsatz systematisch rekonstruiert werden. Dem zu entwickelnden Interpretationsvorschlag zufolge bezeichnet „Politik“ in Clausewitz’ theoretischem System zunächst einmal nur ganz allgemein eine Interaktion von zwei oder mehr Akteuren, die jeweils ihren Willen realisieren wollen, deren Willen sich jedoch nicht vollständig vereinen lassen. Krieg ist für Clausewitz dann solche Politik, die mit gewaltsamen Mitteln betrieben wird. Vor diesem Hintergrund wird argumentiert, dass Clausewitz’ Theorie des Krieges einen fruchtbaren Analyserahmen bietet, mit dem sich die Transformationen der politischen Gewalt von den Kabinettskriegen des 18. Jahrhunderts bis zu den „neuen Kriegen“ unserer Zeit nachvollziehen lassen.
  • Carl von Clausewitz’s thought on war represents in a paradigmatic fashion an instrumental conception of violence in politics. For Clausewitz, violence is a means used in war to achieve political ends. Since the end of the East–West conflict, however, it is widely thought that Clausewitz’s ideas are no longer applicable. Current forms of war may be violent, it is said, but they are no longer political because they are not waged by states alone, for the raison d’état narrowly conceived. This objection, however, rests on a misunderstanding of Clausewitz’s concept of politics. This article seeks to reconstruct this concept systematically. It offers an interpretation whereby “politics” in Clausewitz’s theoretical system denotes an interaction of two or more actors, each of whom wants to realize their respective will but whose wills cannot be fully reconciled. For Clausewitz, war is such politics that is conducted by violent means. Against this background, it is argued that Clausewitz’s theory of war provides a fruitful analytical framework to understand the transformations of political violence from the cabinet wars of the 18th century to the “new wars” of our time.
Metadaten
Author:Tobias WilleORCiDGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30:3-636709
DOI:https://doi.org/10.1007/s11615-020-00269-9
ISSN:1862-2860
Parent Title (German):Politische Vierteljahresschrift
Parent Title (English):German political science quarterly
Publisher:Springer
Place of publication:Berlin ; Heidelberg
Document Type:Article
Language:German
Date of Publication (online):2020/08/19
Date of first Publication:2020/08/19
Publishing Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Release Date:2022/10/25
Tag:Carl von Clausewitz; Internationale Beziehungen; Konflikt; Neue Kriege; Politische Gewalt
Carl von Clausewitz; Conflict; International relations; New wars; Political violence
Volume:62
Issue:1
Page Number:23
First Page:45
Last Page:67
Note:
Die Europäische Kommission hat die Arbeit an diesem Aufsatz im Rahmen des Marie-Skłodowska-Curie-Projekts DIPLOWAR (Grant Agreement 792932) gefördert.
Open Access funding provided by Projekt DEAL.
HeBIS-PPN:502340800
Institutes:Gesellschaftswissenschaften
Exzellenzcluster / Exzellenzcluster Die Herausbildung normativer Ordnungen
Dewey Decimal Classification:3 Sozialwissenschaften / 32 Politikwissenschaft / 320 Politikwissenschaft
Sammlungen:Universitätspublikationen
Licence (German):License LogoCreative Commons - Namensnennung 4.0