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Das Urheberrecht hat einmal eine unabhängige Verlagswirtschaft ermöglicht, mit den digitalen Produktionsweisen ergeben sich jedoch immer mehr Konflikte. Alexander Peukert, Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und internationales Immaterialgüterrecht an der Uni Frankfurt, zeichnet die Entwicklung und aktuelle Probleme im Interview nach.
Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken" (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG) hatte bereits während seiner kurzen Entstehungszeit heftige Kritik ausgelöst und wird von zahlreichen Beobachtern auch in seiner in Kraft getretenen Fassung für unionsrechts- und grundgesetzwidrig gehalten. In Zweifel stehen vor allen Dingen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die Vereinbarkeit des NetzDG mit der Meinungs- und Informationsfreiheit. Gegenwärtig sind drei Anträge auf vollständige bzw. teilweise Aufhebung des NetzDG im Bundestag anhängig (hier, hier und hier). Auch bei den Regierungsfraktionen steht das NetzDG unverändert auf der rechtspolitischen Agenda. Im Koalitionsvertrag heißt es, die am 1.7.2018 erstmals fälligen Berichte der Plattformbetreiber sollen zum Anlass genommen werden, "das Netzwerkdurchsetzungsgesetz insbesondere im Hinblick auf die freiwillige Selbstregulierung weiterzuentwickeln". ...
Die Diskussion über die Frage, ob die Politik offener Grenzen mit dem geltenden Recht in Einklang steht, gewinnt an Dynamik und Tiefenschärfe. Wir freuen uns, dass mit Roman Lehner erstmals ein Fachkollege auf unsere andernorts vertretene Auslegung der Dublin III-VO und des Schengener Grenzkodex erwidert und uns dabei attestiert hat, mit Art. 20 IV Dublin III "einen sehr klugen Gedanken in die Debatte gebracht" zu haben. Im Ergebnis widerspricht uns Lehner gleichwohl. Seine Gegenthese lautet im Kern: Schutzanträge an der deutsch-österreichischen oder einer anderen Binnengrenze unterfallen Art. 3 Abs. 1 und nicht Art. 20 Abs. 4 Dublin-III-VO, weshalb die Zuständigkeits- und letztlich die Antragsprüfung in Deutschland und nicht in Österreich stattzufinden haben. Dieser Einwand beruht freilich auf einem grundlegenden Missverständnis der Konzeption des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und speziell des Art. 3 Abs. 1 S. 1 Dublin III.
Durch die Digitalisierung ist die soziale Bedeutung des Urheberrechts stark gewachsen. Die vom Urheberrecht etablierte Exklusivitätskultur steht überdies in einem fundamentalen Konflikt mit der im Internet vorherrschenden Zugangskultur. Ein Beispiel hierfür ist der Streit um die jüngste Urheberrechtsrichtlinie der EU.
Through digitalization, the social importance of copyright law has grown considerably. Moreover, the culture of exclusivity established by copyright law conflicts fundamentally with the culture of access prevalent on the internet. An example for this is the dispute over the EU’s latest copyright directive. Does it ring in the end of the internet as we know it, or does it »only« see to fair remuneration for those working in the creative economy?
Der Beitrag erläutert aus rechtswissenschaftlicher Sicht, welche Begriffe, Perspektiven und Methoden zur Beantwortung folgender Frage geeignet sind: Wie lässt sich erklären, dass das gerade einmal ca. 200 Jahre alte Rechtsgebiet des „geistigen Eigentums“, dessen Legitimität stets heftig umstritten war, praktisch weltweite Anerkennung in nationalen, supranationalen und völkerrechtlichen Rechtsquellen finden konnte und die globalen Handels- und Kommunikationsströme auch tatsächlich wirksam reguliert? Oder anders gewendet: Wie kann ein schwacher Geltungsanspruch eine faktisch wirkmächtige Ordnung hervorbringen? Nach kritisch-diskurstheoretischen Ansätzen bildet der Streit um Rechtfertigungen den zentralen Treiber normativer Ordnungen. Der Aufsatz zeigt jedoch, dass im Hinblick auf das „geistige Eigentum“ normexterne Bedingungen wie technischer Fortschritt und der Wandel der allgemeinen Wirtschaftsordnung von entscheidender Bedeutung waren und der Frage nach den Gründen z.T. logisch vorausliegen. Schließlich wird gezeigt, dass sozialontologische Analysen besonders gut geeignet erscheinen, strukturelle Normativität/Macht zu adressieren, die unterhalb expliziter Rechtfertigungen bzw. im „Hintergrund“ angesiedelt ist, so wie Sprache generell die logische Voraussetzung für ein rechtfertigendes Rede-und-Antwort-Stehen bildet.
This article documents and classifies instances of transnational intellectual property (IP) enforcement and licensing on the Internet with a particular focus on the territorial reach of the respective regimes. Regarding IP enforcement, I show that the bulk of transnational or even global measures is adopted in the context of “voluntary” self-regulation by various intermediaries, namely domain name registrars, access and host providers, search engines, and advertising and payment services. Global IP licensing is, in contrast, less prevalent than one might expect. It is practically limited to freely accessible Open Content, whereas markets for fee-based services remain territorially fragmented. Overall, three layers of IP governance on the Internet can be distinguished. Based on global licenses, Open Content is freely accessible everywhere. Plain IP infringements are equally combatted on a worldwide scale. Territorial fragmentation persists, instead, in the market segment of fee-based services and in hard cases of conflicts of IP laws/rights. All three universal norms (global accessibility, global illegality, global fragmentation) are supported by a quite solid, “rough” global consensus.
Nach vorherrschender Lesart prallen im Internet Exklusivitäts- und Zugangsinteressen aufeinander. Das Urheberrecht soll diesen Konflikt in ein angemessenes Gleichgewicht bringen. Im folgenden Beitrag werden die Auseinandersetzungen um das digitale Urheberrecht anders gedeutet. Demnach ist die Online-Kommunikation von zwei koexistierenden Kulturen geprägt, die sich je verschieden zum Urheberrecht verhalten. Die Ausgestaltung des digitalen Urheberrechts wird mit darüber entscheiden, ob das dynamische Nebeneinander von Exklusivitäts- und Zugangskultur fortdauert oder ob eine der beiden Kulturen verdrängt wird. Das Urheberrecht ist folglich als Teil der Internetregulierung zu betrachten.
According to the prevailing view, the purpose of digital copyright is to balance conflicting interests in exclusivity on the one hand and in access to information on the other. This article offers an alternative reading of the conflicts surrounding copyright in the digital era. It argues that two cultures of communication coexist on the internet, each of which has a different relationship to copyright. Whereas copyright institutionalizes and supports a culture of exclusivity, it is at best neutral towards a culture of free and open access. The article shows that, depending on the future regulation of copyright and the internet in general, the dynamic coexistence of these cultures may well be replaced by an overwhelming dominance of the culture of exclusivity.
Der urheberrechtlich konnotierte Begriff des Plagiats zählt zu den anerkannten Grundtatbeständen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Der Beitrag zeigt indes, dass das Urheberrecht und das Wissenschaftsrecht keine konzentrischen Kreise bilden, sondern unterschiedliche Zwecke mit je anderen Regelungskonzepten verfolgen. Die Übernahme urheberrechtlicher Argumentationsmuster in die Wissenschaftsethik und das Wissenschaftsrecht erschwert die Herausbildung spezifisch wissenschaftsbezogener Kriterien zur Beurteilung wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Als Alternative entwickelt der Beitrag ein Konzept wissenschaftlicher Redlichkeit, das sich am Recht gegen unlauteren Wettbewerb orientiert. Dazu werden weitreichende teleologische und strukturelle Gemeinsamkeiten des Lauterkeitsrechts und der Regeln zu wissenschaftlichem Fehlverhalten aufgedeckt. Insbesondere verfolgen beide Materien eine funktionale Teleologie. Das Lauterkeitsrecht gewährleistet die Funktionsbedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs, das Verbot wissenschaftlichen Fehlverhaltens sichert die Funktionsbedingungen und damit zugleich den Zielerreichungsgrad des offenen Wissenschaftsprozesses und des Wettbewerbs um wissenschaftliche Reputation.
Der Beitrag erläutert die Fragestellung, die Kernthesen und den juristischen Erkenntniswert einer „Ontologie des Immaterialgüterrechts“. Ihr Untersuchungsgegenstand ist die Frage, auf welchem Verständnis der Wirklichkeit, genauer: seines Schutzgegenstands, das IP-Recht beruht. Nicht die Seinsweise des Rechts wird analysiert, sondern die hiervon zu unterscheidende Seinsweise einer bestimmten Klasse von Rechtsobjekten, nämlich Immaterialgütern und insbesondere urheberrechtlichen Werken. Die diesbezügliche ontologische und historische Betrachtung ergibt, dass es sich beim abstrakt-unkörperlichen Werk um eine sprachbasierte Konstruktion handelt, die als sozial-institutionelle Tatsache wirkmächtig ist, weil und soweit Menschen seit ca. 200 Jahren so sprechen und denken, als gäbe es unkörperliche Werke – obwohl diese metaphysische Annahme nicht plausibel ist. Der Beitrag erläutert weiter, dass sich das Urheber- und IP-Recht auf der Basis dieser Einsichten und einer alternativen, handlungs- und artefaktbasierten IP-Theorie besser erklären lässt als auf dem Boden des herrschenden Paradigmas vom abstrakten Immaterialgut bzw. Werk. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Dogmatik und Anwendungspraxis des geltenden Rechts als auch im Hinblick auf die ökonomische Analyse und den Rechtsvergleich. Die normativen Implikationen dieser deskriptiven Erkenntnisse sind hingegen begrenzt und richten sich vor allem an die Urheberrechtswissenschaft. Diese sollte tunlichst nicht mehr so reden und argumentieren, als existierten abstrakte Werke, die dem Berechtigten wie Sachen exklusiv zugeordnet sind.
This article provides a novel explanation for the global intellectual property (IP) paradox, i.e. the consistent growth of the multilateral IP system in spite of mounting evidence that its effects are at best neutral if not disadvantageous for low-income and most middleincome countries and thus the majority of contracting states. It demonstrates that the multilateral IP system is deliberately structured as a virtual network that exhibits network effects similar to a social media platform, for example. The more members an IP treaty has, the more IP protection acceding states can secure for their nationals. Conversely, every accession enlarges the territory in which nationals of previous members can enjoy protection. Due to these increasing returns to adoption, signing up to and remaining part of the global IP network is attractive, irrespective of the immediate effects of a treaty.
According to the standard account, IPRs allocate objects to owners, just like ownership allocates real property. In this paper, I explain that this simplistic paradigm operates on the basis of three fictions: The first – truly Polanyian – fiction concerns IP subject matter that was originally not produced for sale but created for other purposes, e.g. private pleasure. The second fiction is that IP is treated as a marketable good whereas much IP, in particular works and signs, are embedded in communication. Finally, IP is a fictitious concept in that we speak of works, inventions, and other IP objects as of tangible commodities, where in fact IP objects only exist insofar and because we speak and regulate as if they exist as abstract “goods” of value.
Das LG Mannheim hat in einer Entscheidung einen sog. Faktencheck auf Facebook für lauterkeitsrechtlich unbedenklich erklärt. Die folgende Urteilsbesprechung zeigt jedoch, dass die Entscheidung weder in der Begründung noch im Ergebnis zu überzeugen vermag. Denn der konkrete Faktencheck ist geeignet, den Wettbewerb zwischen Nachrichtenseiten zu verfälschen.
This article provides an overview of the current state of the regulation of disinformation in the EU. It shows that the concept of disinformation, the purpose of anti-disinformation measures and their content and enforcement can only be understood if a holistic view is taken of private, hybrid-co-regulatory and public-law norms. The delicate field of disinformation is to a large extent dealt with outside of statutory law. The questions raised thereby are largely unresolved.
On 15 December 2020, the European Commission submitted a proposal for a regulation on a single market for digital services (Digital Services Act, DSA) and amending Directive 2000/31/EC. The legislative project seeks to establish a robust and durable governance structure for the effective supervision of providers of intermediary services. To this end, the DSA sets out numerous due diligence obligations of intermediaries concerning any type of illegal information, including copyright-infringing content. Empirically, copyright law accounts for most content removal from online platforms, by an order of magnitude. Thus, copyright enforcement online is a major issue in the context of the DSA, and the DSA will be of utmost importance for the future of online copyright in the EU. Against this background, the European Copyright Society takes this opportunity to share its view on the relationship between the copyright acquis and the DSA, as well as further selected aspects of the DSA from a copyright perspective.
Der deutsche und der europäische Gesetzgeber kodifizierten 2013 bzw. 2019 verwandte Schutzrechte zugunsten von Presseverlegern. 2021 und 2023 erließen Australien und Kanada Sondergesetze zum Schutz der Presse im Internet. In den USA und der Schweiz sind entsprechende Legislativvorhaben anhängig. Ultimatives Ziel all dieser Interventionen ist es, ein tragfähiges digitales Pressewesen zu
gewährleisten. Presseverlegern soll zu Einnahmen verholfen werden, die von Betreibern von Suchmaschinen, News-Aggregatoren, Medienbeobachtungsdiensten und sozialen Netzwerken bezahlt werden sollen. Der Beitrag unterscheidet in rechtsvergleichender Betrachtung zunächst zwei Typen der Presseförderung im Internetzeitalter, nämlich einen klassisch-eigentumsmäßigen Ansatz – paradigmatisch realisiert im deutschen Recht – und einen systemisch-marktregulativen, von medienpolitischen Erwägungen geleiteten Ansatz – paradigmatisch verwirklicht im australischen und kanadischen Recht. Anschließend werden die sich spiegelbildlich verhaltenden Vor- und Nachteile dieser beiden Regulierungstypen benannt. Der folgende Abschnitt stellt hybride Lösungen im französischen, italienischen und schweizerischen Recht vor. Schlussbemerkungen führen zurück zur international-vergleichenden Perspektive und zur Frage, was ein wie auch immer gearteter Schutz der Presse in Anbetracht der tektonischen Verschiebungen, die die Online-Kommunikation mit sich bringt, zu bewirken vermag.
Der Beitrag bietet eine Einführung in das Thema „Vertrauen als Topos der Plattformregulierung“. Dazu wird in einem ersten Schritt das allgemeine Verhältnis zwischen dem sozialen Tatbestand „Vertrauen“ und dem Recht als das einer komplementären, wechselseitigen Wirkungsverstärkung beschrieben. Im Hinblick auf die vertrauensfördernde Rolle des Rechts wird in einem zweiten Schritt zwischen der Funktion des Vertrauens bzw. der Vertrauenswürdigkeit als Tatbestandselement einer Vorschrift und den hieran geknüpften Rechtsfolgen unterschieden. Auf der Basis dieser Grundlagen gibt der Aufsatz in einem dritten Schritt einen Überblick über Bezugnahmen auf „Vertrauen“ in der deutschen und europäischen Plattformregulierung seit 2015. Hierzu zählen sektorale Regelungen gegen Hasskriminalität und Desinformation sowie zum Schutz des Urheberrechts, die 2022 in den horizontal angelegten Digital Services Act mündeten, der ein insgesamt „vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ gewährleisten soll. Viertens stellt der Beitrag ein abstrakt-analytisches Konzept des Vertrauens vor, das sich gut zur Analyse der aufgezählten Vertrauensbeziehungen und ihrer rechtlichen Regelungen eignet. Ein abschließender Ausblick deutet die Proliferation des Vertrauenstopos als Ausdruck einer Vertrauenskrise im digitalen Zeitalter. Die erstrebte Vertrauenswürdigkeit des Online-Umfelds bildet ein normatives Minimum, das über gesetzliche Verhaltenspflichten und Privilegien für vertrauenswürdige Akteure der Zivilgesellschaft erreicht werden soll. Ob dies gelingt und überhaupt wünschenswert ist, ist freilich offen. Die juristische Auseinandersetzung mit dem Topos des Vertrauens in der Digital- und Plattformregulierung hat gerade erst begonnen.