Refine
Year of publication
Document Type
- Article (15)
- Part of a Book (11)
- Other (5)
- Working Paper (2)
- Conference Proceeding (1)
- Report (1)
Has Fulltext
- yes (35)
Is part of the Bibliography
- no (35)
Keywords
- Disticha Catonis (10)
- Mittelalter (5)
- Avianus <Poeta> (4)
- Fabel (4)
- Meistersang (4)
- Glosse (3)
- Meistersinger (3)
- Sangspruch (3)
- Barthel (1)
- Chiromantie (1)
Institute
- Extern (3)
Der "Kolmarer Liederhandschrift" (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 4997, Sigle t oder, wie nachstehend, k) ist auf den Blättern 3r-15v ein Register vorangestellt, das den Textbestand dieser umfangreichsten wie bedeutendsten Sammlung meisterlicher Lieddichtung des Spätmittelalters systematisch geordnet verzeichnet. Nach Abschluss der Hauptarbeit auf eine dafür schon früh beiseite gelegte Lage geschrieben, erfasst es in der Reihenfolge der aufgenommenen Autorenkorpora und innerhalb dieser in der Abfolge der Töne jedes einzelne Meisterlied mit seinem Initium, dem jeweils ein Blattnachweis vorangeht und eine Angabe zum Strophenumfang des Liedes folgt.
Bürgermeister und Rat der Stadt Freiburg im Breisgau berichten in einer am 5. Mai 1513 ausgestellten Urkunde, es hätten mehrere Bürger mit der Bitte sich an sie gewandt, eine "bruderschaft der sengerye gründen zu dürfen. Denn gott der allmechtig [würde] dardurch gelopt, die selen getröst und die menschen zu zyten, so sy dem gesang zuhorten, von gotslesterung, ouch vom spyl vnd anderer weltlicher uppigkeyt gezogen": Gott, der Allmächtige, würde damit gepriesen, die Seelen würden getröstet, und die Menschen, wenn sie dem Gesang zuhörten, von Gotteslästerung, Spiel und anderen weltlichen Lastern abgehalten. In Rücksicht nicht zuletzt auf die "guettaeten, so den armen selen dardurch nachgeschechen mocht", wird diesem Ersuchen stattgegeben. Die Bittsteller dürfen ihre "bruderschaft" aber nur genau so einrichten, wie es eine "ordnung" im Detail vorschreibt, die dem Ersuchen an den Stadtrat von den Sängern beigegeben wurde und in der Gründungsurkunde in 17 Punkten "von wort zu wort" noch einmal festgehalten wird.
[N]achdem über Minne im Sangspruch bis zu Frauenlob inzwischen die Arbeit von Egidi gut unterrichtet […], weiß man von dem wohl als Sangspruchdichter, aber doch kaum als Minnesänger bekannten Regenbogen landläufig wenig mehr als dies, daß er schon frühzeitig als […] Frauenlob-Kontrahent wahrgenommen wurde und daß es ihm bis heute an einer kritischen Ausgabe fehlt. […] [Die] Textüberlieferung […] umfaßt über eineinhalb Tausend Strophen. Daß aus dieser Textmasse einstweilen nur gut zwei Handvoll Strophen mit einiger Gewißheit […] Regenbogen zugewiesen werden können, mag denjenigen stören, dem an einer Profilierung des echten Regenbogen gelegen ist. Auf eine solche zielt der vorliegende Beitrag indes nicht, sondern auf die durchschnittliche Ausgestaltung des Sprechens von Minne zwischen Regenbogen und dem jungen Hans Sachs. Denn es ist […] schon viel gewonnen, wenn es überhaupt gelingt, einzelne Texte überhaupt mit größerer Sicherheit eher ins 14. Jahrhundert setzen zu können […], andere Ausformungen eher an das im 15. Jahrhundert an Prominenz gewinnende Liederbuchlied anschließen und weitere […] im unmittelbaren Vorfeld des sich institutionalisierenden Meistergesangs verorten zu können. Vorgearbeitet werden soll also […] einer weitergehenden Einsicht in die Verschiebungen, denen das Verhältnis von Minnesang bzw. späterem Liederbuchlied und Sangspruch bzw. meisterlichem Lied im Rahmen des insgesamt in Bewegung geratenden Systems der lyrischen Gattungen im 14. und 15. Jahrhundert unterliegt.
Bereits im Selbstverständnis seiner Vertreter tritt der Humanismus als eine epochale Bildungsbewegung auf, der die Ausbildung richtigen Lateins als Ausbildung auch des richtigen Denkens und letztlich des richtigen Lebens gilt. Das Thema »Humanismus in der deutschen Literatur« vom […] auf das Lateinische ausgerichteten Grammatikunterricht anzugehen, liegt damit zunächst nicht nahe. Setzt man freilich statt am übergreifenden Selbstbild der Humanisten konkreter an den Hilfsmitteln ihres Lateinunterrichts an […], in denen lateinische Texte ins Deutsche übersetzt werden, relativieren sich solche Bedenken. Wenn sich der nachstehende Beitrag mit den zwischen circa 1450 bis 1600 in über 150 Handschriften und Druckausgaben im zweisprachigen Verbund verbreiteten ›Disticha Catonis‹ einem Korpus solcher zweisprachigen Unterrichtsmaterialien zuwendet, dann geschieht das zum einen, um an einem tendenziell repräsentativen, in seiner quantitativen Breite aber noch einigermaßen überschaubaren Bestand erste Voraussetzungen dafür zu schaffen, den emphatischen Bildungsanspruch der Humanisten in größerer Nähe zu seinem praktischen Niederschlag im Lateinunterricht untersuchen zu können […]. Das Hauptinteresse des nachstehenden Beitrags richtet sich freilich auf das im Umfeld des Humanismus sich wandelnde Verhältnis der bei den Sprachen Latein und Deutsch. Dieses verschiebt sich im Untersuchungszeitraum bekanntlich auf eine entscheidende Weise […] in bezug auf den Status des Deutschen als Sprache überhaupt.
In a charter issued on 5 May 1513, the mayor and city council of the city of Freiburg/Breisgau reported that several citizens wanted to be allowed to establish a bruderschaft der sengerye, a confraternity of singing. “God, the almighty, would be praised thereby, the souls would be consoled, and all men listening to the concerts would be kept from blasphemy, gaming and other secular vices” (“gott der allmechtig [würde] dardurch gelopt, die selen getröst und die menschen zu zyten, so sy dem gesang zuhorten, von gotslesterung, ouch vom spyl vnd anderer weltlicher uppigkeyt gezogen”). Considering not least the “positive effects on the pour souls” (“guettaeten, so den armen selen dardurch nachgeschechen mocht”), the request was allowed. But the petitioners had to establish their bruderschaft in exactly the form that is described in detail in the regulations (ordnung) added to the request and cited “word for word” (“von wort zu wort”) in 17 articles in the foundation charter of the confraternity.
Sangspruchtradition. Textualität - Aufführung - Traditionsbildung : Münster, 31.08. - 01.09.2000
(2001)
Vom 31. August bis 1. September 2000 fand in Münster, veranstaltet von Michael Baldzuhn (Hamburg), Margreth Egidi (Münster) und Nine Miedema (Münster), ein Kolloquium zur Sangspruchtradition statt. Ziel der Tagung war es, aktuelle literatur- und kulturwissenschaftliche Impulse, die die mediävistische Germanistik für die spezifische Eigenart mittelalterlicher Texte aufs Neue sensibilisiert haben, exemplarisch mit der Konzentration auf diese Gattung produktiv zu machen: Insofern im Zentrum eines weiterreichenden Problemhorizonts die Frage nach den Voraussetzungen steht, die - trotz fragiler Rahmenbedingungen - literarische Kommunikation gleichwohl zu stabilisieren vermochten, ziehen Untersuchungsfelder, die größere Zeiträume abdecken und damit übergreifende Entwicklungen im homogenen Beschreibungsrahmen zu betrachten erlauben, neue Aufmerksamkeit auf sich.
Der Beitrag knüpft an die von A. Grafton und L. Jardine (From humanism to the humanities, Cambridge/Mass. 1986) und jüngst noch einmal für italienische Verhältnisse formulierte These von R. Black (Humanism and education, Cambridge 2001) an, "that the famous humanist educators did not introduce the revolution in the classroom that is usually assumed". Diese These soll im Hinblick auf die unterrichtliche 'auctores'-Lektüre im deutschen Sprachraum und mit Seitenblick auf H. Puffs Befunde speziell zum Grammatikunterricht zwischen 1480 und 1560 überprüft und modifiziert werden.
Der nachstehende Beitrag ist aus dem Arbeitszusammenhang des Sonderforschungsbereichs 538 'Mehrsprachigkeit' entstanden, an dessen Teilprojekt A7 die mittelalterlichen Übersetzungen der lateinischen Disticha Catonis ins Deutsche untersucht wurden. Einer der ersten Arbeitsschritte bestand in der seit Zarnckes Zusammenstellung von 1852 nicht mehr geleisteten Erfassung der Textzeugen: Auf der Basis systematischer Quellenheuristik und dann gebrauchsfunktionaler Handschriftenanalysen sollten die Übersetzungen rekontextualisiert werden, um von dieser Seite ergänzenden Aufschluss über historische Übersetzungsintentionen und -leistungen zu gewinnen. Da der deutsche Cato in den Handschriften oft vom Facetus "Cum nihil utilius" begleitet wird, lag es nahe, die Handschriften dieses deutschen Facetus in die Suche einzubeziehen.
When we look for evidence of multilingualism in the Middle Ages, we will eventually find the type of source which consists of the translation of Latin classroom texts into various vernaculars. Since the high Middle Ages traditional standard works of grammar - dominantly Latin - were translated frequently into vernaculars. A prominent example are the 'Disticha Catonis'. This late antique work contains about 100 hexameter couplets, which convey a multitude of fundamental rules of life and conduct. A linguistically rather simple work, it was precisely for that reason all the more effective.
Das unter ästhetischen Gesichtspunkten nach wie vor als kulturelle Abstrusität rubrizierte Bemühen der Meistersinger, literarische Leistung zu quantifizieren, erscheint in worthistorischer Perspektive und dabei insbesondere im Hinblick auf die Tabulaturen des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts als ein durchaus fortschrittliches Phänomen. Obschon die Texte sowohl pragmatisch - durch die Bindung an den Vortrag vor Anwesenden - als auch ihrem Selbstverständnis nach an mittelalterliche Literaturtraditionen gebunden bleiben, verfügen die Meistersinger im Kontext ihrer Aufführung doch nun über einen umfangreichen Katalog poetologischer Begriffe, die in diskursiver Form verschriftlich vorliegen.
Die folgenden Ausführungen knüpfen an eine These an, die an anderer Stelle eher von kodikologischen wie überlieferungs- und textgeschichtlichen Befunden ausgehend formuliert wurde. Danach kann die Gemerk-Interaktion der Meistersinger als ,Aufführung einer Aufführung' verstanden werden, d. h. als Folge einer sehr besonderen Rezeption von Wettstreit- und Fürwurfliedern, die anonyme Fremdtonverwender bereits in einer Spätphase der Sangspruchdichtung nach Frauenlob verfasst haben. In ihnen ist im Rahmen einer ausgiebig ausgebeuteten Turnier- und Wettkampfmetaphorik auf Schritt und Tritt von Dichten und Singen die Rede und so haben sich dann später die Meistersänger aus diesen Liedern ihre eigenen Vorstellungen von der Kunstpraxis der von ihnen geachteten alten Meister gebildet.
Der Vortrag versucht seinen Beitrag zum Tagungsthema im Ansatz am Gegenbild zu erbringen. Dieses Gegenbild bezieht er zunächst aus der Institution 'Schule'. Er geht von der Überlegung aus, dass für volkssprachliche Literatur hier durch eine enge Kopplung an die Welt des Lateinischen und der Schriftlichkeit tendenziell weniger Bedarf besteht, ihre Existenz zu rechtfertigen und sich zu (stets begrenzter, weil untergeordnet-dienender) Geltung zu bringen als für dezidiert an den "offeneren" Rezeptionsraum des Hofes gebundene Werke. Das gilt gerade auch für die deutschen Cato-Übersetzungen des Spätmittelalters, die zunächst als Hilfsmittel zur Erschließung des lateinischen Ausgangstextes im Trivialunterricht erarbeitet wurden. Sie sind dadurch in ein seit dem 12. Jahrhundert relativ stabiles, dominant lateinisches System kommunikativer Handlungen integriert.
Remigius von Auxerre
(2006)
Gegenstand des Vortrags ist der mittelalterliche Schulunterricht in Gestalt der schriftlichen Materialien, die dem praktischen Textstudium im beginnenden Lateinunterricht zugrundegelegt wurden. Von zwei Handschriftenkorpora prominenter Schultexte ausgehend, zielt er auf eine mediengeschichtlich ausgerichtete Beschreibung des Textstudiums. Von diesen Korpora deckt der eine ('Aviani Fabulae', lat.) das gesamte Mittelalter ab, der andere ('Disticha Catonis', lat.-dt.) darüber hinaus die Durchsetzungsphase des Buchdrucks.
Schoolbooks
(2006)
According to UNESCO estimates, there are approximately one billion people in the world who can neither read nor write. One sixth of the world population has never seen a schoolbook. In contrast, reading and writing in the industrialized nations are such commonplace objects of everyday life that they are completely taken for granted. We are taught to read and write at school, where we gain access to the cultural tool ofwriting, and it is this that forms the basis for all our further leaming activities. The teaching aids used in schools to impart us the skills of literacy are themselves based on the medium of writing. We can all remember what it was like to write things down on paper and in exercise books, to organize our notes in files, and to read up new information in text books. By teaching literacy to the individual, the schools as an institution are laying the foundation stone of literacy skills for entire societies. Many important developmental stages of this process in Europe took place in the Middle Ages, and the schools functioned as a dual participating force in this process. First of all, they were the institution in which competence in literacy was acquired, and they were themselves involved in leaming how best to communicate this task with the aid of the instruments of literacy. These tools, as employed in the schools, have undergone transformation over the centuries. Schoolbooks themselves have also had to adapt, to cope with the demands of literacy.
Da deutscher "Cato" und deutscher "Facetus" im Spätmittelalter oft gemeinsam abgeschrieben wurden, lag es nahe, für die Sicherung der Materialbasis des Cato-Projekts A7 am Hamburger Sonderforschungsbereichs 538 '"Mehrsprachigkeit" neben Hss. mit Übersetzungen der "Disticha Catonis" auch solche mit dem Facetus "Cum nihil util ius" einzusehen.
Ob Lernen eher eine Angelegenheit des Hörens oder eher eine des Lesens sei, darüber können im Spätmittelalrer Missverständnisse Aufkommen [...] Die kleine Szene aus einem Gesprächsbüchlein des 15. Jahrhunderts, dem ,Es tu scolaris', ruft einen ihren Lesern offenbar nicht mehr ganz selbstverständlichen Sachverhalt in Erinnerung: Auch im Ausgang des Mittelalters vollzieht sich der Erwerb des Lernstoffs im Trivialunterricht wesentlich auditiv, im Rahmen mündlicher Unterweisung.
Die dem pädagogischen 18. Jahrhundert vorausliegende Bildungs- und Erziehungsgeschichte stellt keinen Gegenstand dar, der in einem disziplinenübergreifenden Forschungs- und Diskussionszusammenhang bearbeitet würde. Ein Überblick über den Stand der Forschung ist indes nicht nur auf grund der disziplinären Streuung der zahlreichen Forschungsbeiträge von einschlägiger Relevanz kaum zu gewinnen, die historisch arbeitende Erziehungswissenschaftler beibringen, Mittelalter- und Frühneuzeithistoriker, Literaturwissenschaftler, die sich mit Texten oder Kunsthistoriker, die sich mit anderen einschlägigen Artefakten dieses Zeitraums befassen.
Avian
(1978)
Chiromantie (Handlesekunst) : Erfurt, Universitätsbibliothek, Dep. Erf. CA. 4° 21, f. 127v-131r
(2006)
Die Kunst, aus der Hand zu lesen, konnte im Mittelalter als ein Zweig der Physiognomie aufgefasst werden, der Wissenschaft von der Kunst, die Wesensart eines Menschen aus seiner leiblichen Erscheinung herauszulesen. Teils stand die Wissenschaftlichkeit der Chiromantik aber auch in Frage: wenn nämlich dem Menschen über seinen Charakter hinaus auch seine Zukunft aus der Hand gelesen werden sollte. So lehnte der 1439 in Padua zum Doktor der Freien Künste und der Medizin promovierte Johannes Hartlieb 1456 in seinem ,Buch aller verbotenen Künste' einerseits die Chiromantik als sünd, verpoten und ain rechter ungelaub ab, obwohl andererseits ein Ende der siebziger Jahre aufgelegtes Blockbuch eben Hartlieb als Verfasser einer deutschen Chiromantie auftreten lässt, die er schon 1448 der Gemahlin Herzog Albrechts 111. von Bayern gewidmet haben soll.
Ein meisterliches Streitgedicht : zum poetologischen Horizont der Lieder Nr. 89-94 des Hans Folz
(1996)
In der Verwendung von Tönen mittelhochdeutscher Sangspruchdichter findet die Traditionsbindung der Meisterlieddichter des 15. Jahrhunderts ihren unmittelbaren Ausdruck. Wie eng diese Bindung sein konnte, läßt sich ermessen, wenn man bedenkt, daß sogar neu erfundene Töne einem älteren und bekannteren Dichter untergeschoben wurden, dem sie gar nicht gehören. Ob es erlaubt ist, zu neuen Texten auch neue Töne zu erfinden, oder ob neue Lieder nur in alten Tönen, allem voran nur in den Tönen der alten Meister, gedichtet werden dürfen - in dieser Frage des Tönegebrauchs stehen mithin Qualität und Reichweite der Traditionsbindung meisterlicher Lieddichtung zur Diskussion. Die Meisterlieder Nr. 89-94 des Nürnberger Dichters Hans Folz stellen diese meisterliche Kardinalfrage in ihr Zentrum, scheinen sie aber ganz und gar »unmeisterlich« zu entscheiden. Denn in dem umfangreichen Liedzyklus wird keineswegs der Tradition der alten Meister und den überkommenen Tönen das Wort geredet. Ausdrücklich erhält vielmehr die Gegenwart ihr eigenes Recht auf ihre eigenen Töne.
Romulus
(2004)
Der [Romulus] ist unter den antiken Fabelbüchern die einzige größere [Sammlung in lateinischer] Prosa und neben der versifizierten Sammlung des Avianus, die indes begrenzter wirkte, wichtigster Vermittler der äsopischen Fabel (Äsopika) ins [Mittelalter]. Voraussetzungen, Ausformung und Ausstrahlung des im 5. Jh. p. Chr. n. möglicherweise in Gallien erstellten Korpus sind wegen der diffusen Quellenlage nur begrenzt zu erfassen.
Cato
(2005)
Die im 3. oder 4. Jahrhundert entstandenen ,Disticha Catonis' sind seit karolingischer Zeit im lateinischen Trivialunterricht verankert. Dort werden sie regelmäßig als in vier Bücher unterteilte Zusammenstellung von etwas über 140 Hexameterdistichen mit kurzer Praefatio in Prosa und einer im Bestand wechselnden Reihe von Prosasentenzen traktiert. Zuvor nur vereinzelt, werden sie im 13. Jahrhundert erstmals in breitem Schub gleich in mehrere Volkssprachen Europas übersetzt. Speziell im deutschen Sprachraum begleitet eine zweite größere Welle der Textproduktion den mächtigen Aufschwung des institutionalisierten Schulunterrichts in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Im rhein-maasländischen Raum und im angrenzenden Westen bringen diese zwei übergreifenden Vorgänge zwei in Verbreitung, Faktur und Funktion verschiedene ,Cato'-Übersetzungen hervor. Sie vertreten in der Folgezeit in ihrem jeweiligen Verbreitungsgebiet bis in den sich durchsetzenden Buchdruck hinein jeweils konkurrenzlos den volkssprachigen ,Cato' ihres Raumes.
Facetus
(2005)
Der seit dem 13- Jahrhundert lateinisch überlieferte und wohl nicht allzulange vorher entstandene ,Facetus Cum nihil utilius' gibt sich selbst als Ergänzung der ,Disticha Catonis' aus und wird häufig mit diesem gemeinsam tradiert und mit ihm im Lateinunterricht traktiert. Da Bestand und Folge der paarweise gereimten Hexameter stärker wechseln als bei diesem, lassen sich Traditions- und Eigenanteil der Übersetzungen schwerer als dort bestimmen. Im deutschen Sprachraum entstehen Übersetzungen seit dem zweiten Viertel des 14., im Mittelniederländischen bereits im 13. Jahrhundert.
Die spätantiken ,Disticha Catonis', von einem unbekannten Autor im 3./4. Jahrhundert verfasst, dienten seit karolingischer Zeit dem Unterricht in der gramatica. Dort hielten sie dem Lateinschüler sprachliches Anschauungsmaterial ebenso bereit wie, das war dem mittelalterlichen Trivialunterricht nicht minder wichtig, elementare Verhaltenslehre in leicht memorierbarer Form. So unterweisen die circa 140 Hexameterdistichen aus einer vulgärstoizistischen Grundhaltung heraus etwa im rechten Umgang mit Besitz, mit den eigenen Affekten, mit Leid und Tod, oder wie man sich Fremden, Freunden oder der eigenen Frau gegenüber verhalten soll. Der Bestand der Distichen wurde bereits in mehreren vorkarolingischen Redaktion auf vier Bücher verteilt und um Prosasentenzen (breves sententiae) vor Buch I und metrische Vorreden zu Buch II-IV erweitert. Eine das Werk eröffnende, knappe Prosavorrede (praefatio) ist einem sorgenden Vater in den Mund gelegt, der die Lehren seinem geliebten Sohn ans Herz legt.
Die lateinischen ,Disticha Catonis', im 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden, zählen zu den neben der Bibel verbreitetsten Werken des Mittelalters. Getragen wurde ihr Erfolg zu großen Teilen von der Institution ,Schule'. Mit den Worten der inzwischen über anderthalb Jahrhunderte alten, aber noch immer unersetzten Untersuchung zu ihren deutschen Übersetzungen: "Kein werk hat während des mittelalters eine entfernt so weite verbrei tung gefunden wie die unter dem namen des Cato bekannten lateinischen distichen. sie waren das factotum beim unterrichte der jugend, die aus ihnen die anfangsgründe der grammatik poesie und moral kennen lernte [ .. .]."
Das Interesse der Altgermanistik an der deutschen Glossierung lateinischer Texte verteilt sich sehr ungleich auf die Quellen. Auf der einen Seite gilt den althochdeutschen Glossen seit dem 19. Jahrhundert kontinuierliche Aufmerksamkeit, die sie als sprachgeschichtlich kostbares Quellenmaterial in ansonsten dürftiger Zeit auf sich ziehen wie literarhistorisch als Quellentyp, an dem sich die Anfange der deutschen Sprache auf ihrem Weg in Schriftlichkeit und Literaturfahigkeit verfolgen lassen. Weithin unerschlossen präsentieren sich dagegen die spätmittelalterlichen Glossenbestände, und kaum ein Interesse des Faches zeichnet sich ab, an diesem Zustand etwas zu ändern.