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Der Aufbau des World Wide Web hat enorm dazu beigetragen, Wissen zu strukturieren, aufzubereiten und verfügbar zu machen. Die Art und Weise, wie Texte im Web miteinander in Verbindung stehen, kann jedoch das Lesen und Textverstehen stark beeinflussen. Die Dissertation „Demands and Cognitive Processes in Reading Digital Text“ untersucht daher individuelle kognitive Prozesse, die mit der Informationsverarbeitung beim Lesen digitaler Texte einhergehen. Hierzu wird im ersten Teil der Arbeit kurz in die Unterschiede zwischen linearen und nicht-linearen Text (sog. Hypertext) eingeführt. Hypertexte zeichnen sich dabei durch eine verzweigte Verbindungsstruktur zwischen einzelnen Textteilen (engl. nodes) aus. Diese Textteile sind untereinander durch Hyperlinks verbunden, über die sie angesteuert werden können. Das Auswahlprofil, in denen einzelne Textteile aufgerufen werden, wird hierbei als Navigationsverhalten bezeichnet. Entsprechend dieser Unterscheidung werden die Begriffe des linearen und digitalen Lesens eingeführt. Lesen ist nach konstruktivistischer Auffassung ein aktiver Prozess des Lesenden, in dem er ein propositionales Modell eines Textes mental erarbeitet und mit Wissen und Erfahrungen zu einem Situationsmodell anreichert. Digitales Lesen erfordert aber, dass Leserinnen und Leser neben dem eigentlichen Leseprozess zusätzliche kognitive Ressourcen aktivieren, um mit den besonderen Eigenschaften von Hypertext angemessen umzugehen.
Anhand eines Prozessmodells digitalen Lesens wurden zwei Forschungsfragen abgeleitet, die im zweiten Teil der Arbeit vorgestellt werden. Die erste Forschungsfrage konzentriert sich auf die Identifikation kognitiver Fähigkeiten, die das digitale Lesen konstituieren. Im Konkreten wurden Hypothesen über die Zusammenhänge digitalen Lesens mit (1) Lesefähigkeiten auf Wort-, Satz- und Textebene, (2) Arbeitsgedächtnisfähigkeiten, (3) Fähigkeiten, Online-Informationen hinsichtlich ihrer Passung für bestimmte Leseaufgaben zu bewerten, und (4) basalen Fähigkeiten im Umgang mit Computerumgebungen formuliert. Daran anknüpfend thematisiert die zweite Forschungsfrage, wie die angenommenen Beziehungen des digitalen Lesens mit seinen Konstituenten erklärt werden können. Hierzu wurde insbesondere die Informationsauswahl, die Lesende durch ihr Navigationsverhalten treffen, als zentrale vermittelnde Variable betrachtet.
Zur Beantwortung der beiden Forschungsfragen wurden drei Studien herangezogen, die im dritten Teil der Arbeit zusammengefasst dargestellt werden. In diesen Studien wurden kognitive Prozesse des digitalen Lesens mit Hilfe von Daten aus der Nationalen Begleitforschung zur Einführung computerbasierten Assessments (CBA) im Programme for International Student Assessment (PISA) 2012 untersucht. Die erste der drei Studien konzentriert sich auf die Rolle, die das Arbeitsgedächtnis beim Lesen digitaler Texte einnimmt. Die zweite Studie behandelt Einflüsse von ICT-bezogenen Fähigkeiten. Als ICT-bezogene Fähigkeitsvariablen wurden basale Computerfähigkeiten sowie Fähigkeiten zur kritischen Bewertung von Online-Informationen hinsichtlich ihrer Relevanz und Nützlichkeit betrachtet. Die Bewertung von Online-Informationen und ihre Auswahl von Ergebnisseiten aus Suchmaschinenabfragen (engl. search engine result pages) werden in der dritten Studie als Spezialfall digitalen Lesens herausgegriffen und gesondert betrachtet. Hierbei wurde untersucht, welche Rolle Lesefähigkeiten auf der Wort-, Satz- und Textebene bei der Bewertung von Online-Informationen einnehmen.
Im abschließenden vierten Teil der Arbeit werden grundlegende kognitive Prozesse der Informationsverarbeitung digitalen Textes diskutiert. Zusammengefasst zeigten die drei Studien, dass fähige Leser zielorientierter aufgabenrelevante Texte identifizieren und verarbeiten können. Schülerinnen und Schüler profitierten dabei von effizienten Arbeitsgedächtnisfunktionen – unabhängig davon, ob sie gute Leser waren oder nicht. Defizite des Arbeitsgedächtnisses wurden durch einen strategischen Umgang mit der Hypertextumgebung kompensiert. Das Textverstehen wurde zudem indirekt durch routinierte Fertigkeiten im Umgang mit Computern und direkt durch Fähigkeiten zur Bewertung von Online-Informationen unterstützt. Es wurde geschlussfolgert, dass kompetente Leser in der Lage sind, ihre kognitiven Ressourcen effizient zu verteilen. Als Resultat der gemeinsamen Betrachtung der drei Studien erscheint digitales Lesen als komplexes Fähigkeitsgemisch. Dieses beruht auf allgemeinen Lesefähigkeiten, auf einer effizienten Allokation kognitiver Ressourcen, auf der strategiegetriebenen Vorhersage von Informationen und auf rudimentären Fertigkeiten im Umgang mit Computerumgebungen. Dabei beschreibt digitales Lesen kein neues, aber ein zeitgenössisches Konstrukt, das sich als Reaktion auf aktuelle individuelle und gesellschaftliche Informationsbedürfnisse entwickelt hat und sich entsprechend der fortschreitenden technischen Weiterentwicklung verändern wird.
In this paper, we developed a method to extract item-level response times from log data that are available in computer-based assessments (CBA) and paper-based assessments (PBA) with digital pens. Based on response times that were extracted using only time differences between responses, we used the bivariate generalized linear IRT model framework (B-GLIRT, [1]) to investigate response times as indicators for response processes. A parameterization that includes an interaction between the latent speed factor and the latent ability factor in the cross-relation function was found to fit the data best in CBA and PBA. Data were collected with a within-subject design in a national add-on study to PISA 2012 administering two clusters of PISA 2009 reading units. After investigating the invariance of the measurement models for ability and speed between boys and girls, we found the expected gender effect in reading ability to coincide with a gender effect in speed in CBA. Taking this result as indication for the validity of the time measures extracted from time differences between responses, we analyzed the PBA data and found the same gender effects for ability and speed. Analyzing PBA and CBA data together we identified the ability mode effect as the latent difference between reading measured in CBA and PBA. Similar to the gender effect the mode effect in ability was observed together with a difference in the latent speed between modes. However, while the relationship between speed and ability is identical for boys and girls we found hints for mode differences in the estimated parameters of the cross-relation function used in the B-GLIRT model.