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Entwicklung eines Mauserzuges und Schwingenmauser bei mitteleuropäischen Moorenten Aythya nyroca
(2006)
Erstmals wird bei Moorenten ein Mauserzug beschrieben. Die Entwicklung einer Mausertradition losgelöst vom Brutgebiet begann 1956 am „Ismaninger Speichersee mit Fischteichen“ bei München, Oberbayern. Sie fiel zeitlich zusammen mit dem Niedergang eines Brutvorkommens in Oberfranken. 1975-1993 mauserten bei Ismaning jährlich etwa 8 (3 - 12) Moorenten das Großgefieder. Ab 1994 halbierten sich die Bestände nach Änderungen der Trophie der Teiche als Folge verbesserter Klärtechnik. Mit der Verringerung des Karpfenbesatzes stiegen die Zahlen wieder an. 2000-2002 mauserten 16, 6, und 14 Moorenten. Die Phänologie des Mauserzuges wurde 1997-2002 an 58 Aufenthalten schwingenmausernder Moorenten untersucht. Der Zuzug begann 3 Wochen vor den Ankunftsmedianen. Bei Männchen war das 3. Viertel der Ankömmlinge bereits 6 Tage nach dem Median eingetroffen, 16 von 29 Männchen-Ankünften fielen so zwischen den 27.6. und 12.7. Dagegen konzentrierten sich bei den Weibchen 8 der 17 Ankünfte zwischen 19.7. und 30.7, also erst in den letzten 11 Tagen der 44 Tage umfassenden Ankunftsperiode. Bei früh angekommenen Vögeln vergingen 24-31 Tage bis zum Abwurf der Schwingen, späte Vögel begannen dagegen nach längstens 15 Tagen mit der Mauser. 32 von 36 Männchen und 6 früh zugezogene Weibchen warfen zwischen 5.7. und 27.7. ab. Die Spätankömmlinge folgten innerhalb weiterer 10 Tage. Letzte Abwurftermine lagen im „späten” Jahr 2005 am 13.8. (Männchen) und 31.8 (Weibchen). Vom 20.7.-28.7. waren 29-32 von 36 Männchen (> 80 %) gleichzeitig flugunfähig. Für 9-10 von 13 Weibchen (69,2-76,9 %) ergab sich durch weiter auseinander gezogenen Abwurftermine ein Mausergipfel zwischen dem 5.8. und 8.8. Die Dauer der individuellen Flugunfähigkeit lag bei 23-25 Tagen. Die ersten Vögel konnten bereits wieder fliegen, bevor die spätesten ihre Schwingen abgeworfen hatten. Nach einer mittleren Anwesenheitsdauer von 6-7 Wochen verließen die meisten Vögel das Gebiet bereits eine Woche nach wieder erlangter Flugfähigkeit. Das Geschlechterverhältnis betrug 1,8 Männchen pro Weibchen. Nur 31,7 % der Männchen und 28,1 % der Weibchen mauserten alleine, alle anderen in lockeren Gruppen von 2-6 Artgenossen. Einige der Teiche des Gebietes wurden klar bevorzugt, im angrenzenden Speichersee wurde dagegen nie gemausert. In Jahren mit experimentell variierten Besatzdichten an Karpfen Cyprinus carpio mauserten Moorenten ausschließlich in Teichen ohne oder mit geringem Besatz.
Die Sommermaxima der Kolbenenten am „Ismaninger Speichersee
mit Fischteichen“, Bayern, sind von 1967 bis 1997
langsam von etwa 750 auf über 2.500 gestiegen. Das entsprach
etwa der Größenordnung und dem Trend der Brutbestände
im südlichen Mitteleuropa und Teilen Frankreichs. Ab 1998
kletterten die Maxima rasch auf mehr als 13.500 im Jahr 2003.
Dieses hohe Niveau blieb unter Schwankungen bis 2008 mit
immer noch 11.500 Ind. erhalten (Allzeit-Maximum: 16.093
Ind. am 30.07.2005).
Die hohen Zahlen im letzten Jahrzehnt sind Ausdruck einer
Verlagerung großer Mauserbestände aus Südwest- nach Zentraleuropa,
der die Verlagerung noch größerer Teile der Winterbestände
seit Beginn der 1990er Jahre entspricht. Aus
europäischen Mittwinter- und Brutbestandszahlen lässt sich
ableiten, dass in den Jahren um 2005 bis zu 40 % der zentral-/
südwesteuropäischen Flyway-Population in Ismaning die
Schwingen gemausert haben. An diesem Mauserzug waren
teils mehr als 10.000 Vögel aus Spanien beteiligt.
Die saisonale Dynamik war auch 2002 bis 2008 stark vom
Mauserzug dominiert: Mitte Juni waren bereits 2.400 bis 4.600
Mausergäste anwesend. Bis Ende Juli zogen in jeder Woche
durchschnittlich 1.050 bis 1.900 Ind. zu. Die Maxima, meist
Ende Juli, bestanden vor allem aus flugunfähigen Vögeln. Ab
Anfang August zogen im Mittel wöchentlich knapp 1.600 mit
neuen Schwingen wieder ab, vom 28.07. bis 11.08.2003 sogar
6.830 Ind. Dies sind aber nur Bilanzwerte aus abwandernden
Männchen und noch zuwandernden Weibchen, auch der
geschlechtsspezifische Turnover ist nicht bekannt. Zwischen
November und Februar waren höchstens Dutzende anwesend,
ausnahmsweise 450 bis 1.000 Vögel.
Fertig Vermauserte blieben bis 1984 gelegentlich bis in den
September. Ein Trend zum Verlassen des Gebietes bereits ab
Juli/Anfang August wird ab 1999 zur Regel, vielleicht infolge
einer rascheren Verknappung der Nahrungsgrundlage. Dagegen
blieben Beginn und Höhepunkt der Schwingenmauser
seit den 1980er Jahren etwa gleich.
Errechnete Männchenzahlen stiegen 2005 und 2006 rasch
auf Maxima von 11.000 bis 12.000 Mitte oder Ende Juli, ab
Anfang August fielen sie ebenso rasch wieder, Mitte September
waren nur noch 140 bis 300 anwesend. Die Zahlen der
Weibchen begannen später und langsamer zu steigen und
erreichten erst im August Höchststände über 5.300 bzw. 2.700.
Damit waren ein Drittel bzw. ein Fünftel aller Mausergäste
Weibchen, was in dieser Höhe bisher noch nicht dokumentiert
wurde. Selbstständige Jungvögel blieben in den Jahren 2002
bis 2008 bis Ende August stets unter 1 %.
Die Nahrungsgrundlage für bis zu 5.000 Individuen in den
Teichen sind nach wie vor makrophytische Grünalgen. Im
See mausernde Vögel ernähren sich seit der Verringerung des
Nährstoffeintrages von der Armleuchteralge Chara vulgaris
und Laichkraut-Arten Potamogetonaceae. Kolbenenten sind
also selbst während der Schwingenmauser keineswegs auf
Chara oder auf Makrophyten angewiesen. Das typische Habitat
für mausernde Kolbenenten sind offene Wasserflächen.
Schilfbestände wurden nicht aufgesucht.
In Ismaning beringte Brutvögel und Mausergäste sind 1970
bis 1989 im Winter vor allem in der Camargue, Frankreich,
aber auch in Spanien gefunden worden. Ein Mauserzug von
französischen Brutzeitfänglingen nach Ismaning wurde erstmals
2007 und 2008 nachgewiesen.
Eine Analyse von Bestandsverlagerungen braucht gerade
im Sommerhalbjahr streng simultane Erfassungstermine. Weil
große Verbände innerhalb weniger Stunden von Ismaning
zum Bodensee, in die Schweiz oder anderswo hin ziehen
können, empfehlen wir bei der Beschreibung von Sommervorkommen
eine klare Trennung zwischen nachgewiesener
und vermuteter Schwingenmauser.