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Hintergrund und Zielsetzung: Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS) mit einem klinisch sehr heterogenen Erscheinungsbild. Sie ist durch zeitlich und örtlich disseminiert auftretende Entmarkungsherde hauptsächlich in der weißen Substanz gekennzeichnet. Obwohl die Läsionen im gesamten ZNS auftreten, ist u. a. das Corpus Callosum (CC) frühzeitig und häufig betroffen. Oft ist es erst nach vielen Jahren möglich, den weiteren Verlauf der Erkrankung abzuschätzen. Allerdings ist die Entzündungsaktivität im Frühstadium der MS stärker als im späteren Verlauf. Daher ist es wichtig, gerade zu Anfang der MS einen Frühmarker zu haben, um schon entsprechend früh mit einer krankheitsmodifizierenden Behandlung beginnen zu können, um Behinderungen möglichst gering zu halten. Die vorliegende Arbeit fokussiert auf jene Fasern des CCs, die die beiden motorischen Areale (M1) verbinden, denn die Intaktheit des motorischen CCs ist ausschlaggebend für bimanuelle Bewegungen. Diese transkallosalen motorischen Verbindungen (TMVs) im humanen CC liegen weiter kaudal als beim Rhesusaffen. Unbeantwortet blieb bisher die Frage, ob auch beim Menschen die TMVs, ähnlich wie beim Rhesusaffen, eine somatotope Organisation im CC aufweisen. Ziel der vorliegenden Arbeit war, in einem multimodalen integrativen Ansatz das motorische CC auf struktureller sowie funktioneller und behavioraler Ebene bei gesunden Probanden sowie Multiple Sklerose Patienten zu untersuchen. Methoden: 12 gesunde Probanden und 13 Patienten mit Multipler Sklerose wurden untersucht. Die Untersuchungen umfassten Bildgebung mit Magnet Resonanz Tomographie (MRT) und funktioneller MRT (fMRT) zur Identifizierung der funktionellen Areale von Händen, Füßen und Lippen im M1 und diffusionsgewichtete MRT/Diffusions-Tensor MRT (DTI) zur Feststellung der fraktionalen Anisotropie (FA)-Werte und der Hauptdiffusionsrichtung von Wasser. Mithilfe der DTI konnten die Faserverläufe in jedem Voxel bestimmt werden. Dies war die Grundlage für die ebenfalls durchgeführte Fasertraktographie. In mehreren Traktographieschritten wurden die Fasern, die über das CC die Areale der Hände, Füße und Lippen im M1 verbinden, sichtbar gemacht. So konnten gezielt die FA-Werte im CC gemessen und die Lage der Faserbündel bestimmt werden. Desweiteren wurde die interhemisphärische Inhibition (IHI) zwischen den Handarealen von M1 als Maß für die effektive Konnektivität des CC mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS) in einem etablierten Doppelpuls-TMS-Protokoll untersucht. In einem weiteren Versuchsteil wurden behaviorale Tests durchgeführt. Elektromyographische Spiegelaktivität wurde bei einer unimanuellen Aufgabe im homonymen Muskel der „Spiegelhand“ als Maß für interhemisphärische motorische Hemmung untersucht. Koordinationstests umfassten die bimanuelle temporale Koordination (BTK) mittels bimanuellem Fingertapping und Labyrinth-Test. Durch schnellstmögliches Fingertappen mit dem rechten, dem linken und simultan mit beiden Zeigefingern wurde sowohl uni- als auch bimanuelle Koordination und Schnelligkeit überprüft. Resultate: Die Hand- und Fuß-TMVs befanden sich durchweg im posterioren Truncus und/oder dem Isthmus des CC mit den Hand-TMVs etwas mehr ventral und anterior der Fuß-TMVs. Bei einem Probanden konnten die Lippenfasern dargestellt werden, die am weitesten anterior lagen und bis in den anterioren Truncus reichten. Bei der Analyse der FA-Werte der Hand-TMVs lagen die Werte der Patienten durchschnittlich signifikant niedriger als die der Kontrollen. Die IHI bei kurzem Interstimulus-Intervall (SIHI) war bei Patienten signifikant erniedrigt im Vergleich zu den Kontrollen, die IHI bei langem Interstimulus-Intervall (LIHI) war dagegen zwischen den Gruppen nicht unterschiedlich. Bei der elektromyographischen Spiegelaktivität zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen sondern lediglich ein Trend zu höheren Werten bei den Gesunden. Bei der BTK hielten die Patienten die Phasenrelationen genauer ein mit einer geringeren Streuung als die Kontrollen. Beim Labyrinth-Versuch und beim schnellstmöglichen Fingertappen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Die lineare Regressionsanalyse zeigte bei den Kontrollen eine signifikante Korrelation zwischen den mittleren FA-Werten der Hand-TMVs und der Stärke der SIHI. Bei den Patienten zeigte sich keine solche Korrelation. Zwischen SIHI bzw. LIHI und elektromyographischer Spiegelaktivität wurden bei den Kontrollen nicht aber bei den Patienten inverse Korrelationen gefunden. Schlussfolgerung: Durch die Kombination der verschiedenen Untersuchungsmethoden konnte die frühzeitige Schädigung des CCs bei MS auf verschiedenen Ebenen nachgewiesen und gleichzeitig die Möglichkeit einer nicht-invasiven Verlaufskontrolle geschaffen werden, die eine frühe Abschätzung des weiteren Verlaufes der MS ermöglichen kann. Dies wird aktuell in einem longitudinalen Versuchsdesign weiter untersucht.