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Die Studie der Frankfurter Historikerin ruht auf ihren früheren Arbeiten über frühneuzeitliche politische Predigten, vor allem in den Forschungsbibliotheken Gotha und Wolfenbüttel, sowie auf einem Projekt im Exzellenzcluster "Die Herausbildung normativer Ordnungen". Ein Forschungskonzept "Politische Kommunikation in der Frühen Neuzeit" lag bereits seit 2007 vor. Daraus ist nun ein Buch geworden, an dem man aus mehreren Gründen die innere Balance vermisst und das viel enger zugeschnitten ist, als der weite Titel verheißt. Die Autorin möchte in der vielstimmigen religiös-politischen Semantik des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts jene Position besonders herausheben, die als "politica christiana", "Christliche Politik" oder "Christen-Staat" bezeichnet wurde. Sie unterstreicht, im Einklang mit der neueren Forschung, dass solche christlichen und naturrechtlichen Begründungen eines Widerstandsrechts und die Betonung der Frömmigkeit für Herrschende und Beherrschte keine Außenseiterpositionen und keine Spezialität des Luthertums waren, sondern in Europa konfessionsübergreifend diskutiert und weitgehend akzeptiert wurden. Das Thema eines möglichen Widerstands gegen eine religiös-konfessionell unterdrückerische Obrigkeit ist nur ein Aspekt jener weiter gefassten "christlichen Politik". Dass auch die Lutheraner über das Widerstandsrecht diskutierten, vor allem im 16. Jahrhundert, ist unbestreitbar. Sie taten dies ebenso wie Katholiken oder Calvinisten, wenn sie konfessionspolitisch in Bedrängnis waren. Das war naheliegend. Aber genügt es, um den vielfach bestätigten Gesamtbefund, das Luthertum habe aufgrund seiner an die weltliche Obrigkeit angelehnten Struktur auch stärker obrigkeitlich gedacht, zum Vorurteil zu erklären? ...
"Passau sticht in See" ist ein Gedicht von Reiner Kunze aus dem Jahr 1979 überschrieben. "Der Dom ein / kreuzmastsegel, an dem, matrosen gleich, steinmetze klettern / Der schlot des Peschlbräus zeigt rauch, die kessel stehen unter dampf / In dreier flüsse wasser zielt der bug, ein schiff das seenot kennt". ...
"Die Frage nach Rollen, Handlungsräumen und Deutungen von Frauen und Männern in der sozialen Praxis politischer Geschichtsprozesse wurde bisher kaum untersucht." So schwungvoll und unzutreffend steht es in der Einleitung dieser Untersuchung. Die Verfasserin mag aber damit Recht haben, wenn sie sich den Untersuchungsgegenstand in bestimmter Weise zurechtlegt. Das geschieht so: Sie richtet ihr Hauptaugenmerk auf die "geschlechter- und alltagsgeschichtliche Perspektive", untersucht nur die "Hochverratsverfahren gegen den linken Widerstand" und sie sortiert vor allem die in Frage kommenden 258 Prozesse vor dem Volksgerichtshof in der Weise, dass herauskommt, was herauskommen soll. Die Autorin sagt es selbst: "Ausschlaggebend war … mein Ziel, Frauen soweit wie möglich selbst als Handelnde ins Blickfeld zu rücken und sie nicht von vornherein nur als Begleiterinnen des männlichen Widerstandes zu verstehen". ...
Wer an die allmähliche Verbesserung der Menschheit durch den "Fortschritt" glaubt, muss das immer wieder auftauchende Verbrechen für die letzte Bastion des Irrationalen halten. Je mehr man über Kriminalität weiß, desto größer wird die Herausforderung ihrer Beseitigung. Seit der Mitte des fortschrittstrunkenen 19. Jahrhunderts entsteht deshalb nicht nur der Kriminalroman, sondern es bemächtigen sich auch die Naturwissenschaften des Verbrechens und der Verbrecher. Das Rätsel Kriminalität scheint lösbar durch Biologie, Medizin, Eugenik und Psychiatrie. Schädel werden vermessen, man sucht Merkmale für "geborene Verbrecher", streitet um die Merkmale "geistiger Minderwertigkeit" und kombiniert dies mit Kriminalstatistiken und Milieustudien der beginnenden Soziologie. Die Juristen spüren, dass der ganze Sanktionsapparat von Schuld und Vergeltung durch die Aufdeckung determinierender Faktoren ins Wanken kommt. Setzen sie nicht mehr auf die Freiheit, sondern auf den Schutz der Gesellschaft, dann haben sie Schwierigkeiten zu begründen, dass der Schutz irgendwo aufhören muss, da man nicht alle "Minderwertigen" vorsorglich einsperren kann. Also erwägt man (neben anderen Schutzmaßnahmen) deren Sterilisation. Wenn es "geborene Verbrecher" gibt, dann sollte sich doch, so meinte man, wenigstens auf diesem Weg die nächste Generation dieser unerwünschten Variante des Menschseins verhindern lassen. ...
Zu berichten ist über ein bedeutendes, in langjährigen Studien des Heidelberger Kirchenhistorikers entstandenes Buch. Seine Entstehungsorte waren unter anderen die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel sowie die Johannes a Lasco Bibliothek in Emden. Über den Namensgeber der letzteren, Johannes a Lasco (1499–1650), einen "polnischen Baron, Humanisten und Reformator", hat Christoph Strohm einen eigenen Tagungsband herausgebracht (Tübingen 2000). Bedeutend ist "Calvinismus und Recht" aus mehreren Gründen. Es geht dem Zusammenhang von Bekenntnis und Jurisprudenz im 16. und 17. Jahrhundert nach und fragt speziell nach den Verbindungsfäden zwischen französischem und deutschem Humanismus mit dem Calvinismus sowie nach den Entstehungsgründen des Faches Öffentliches Recht ab etwa 1600. Hatte die Ablösung vom mos italicus, die Hinwendung zur modernen Systembildung und zum Naturrecht, die Betonung historischer Textstufen im römischen Recht und die Publikation mittelalterlicher papstkritischer Traktate etwas mit dem reformierten, lutherischen oder katholischen Bekenntnis zu tun? Wie gingen die Juristen mit den theologischen Hauptstücken des Bekenntnisses um, mit Taufe, Ehe und Abendmahl, wie standen sie zum Widerstandsrecht und zu den Befugnissen der Obrigkeit, die rechte Lehre zu garantieren? Ganz entscheidend kam es darauf an, ob Zwang in Glaubensdingen erlaubt sei. ...
Aussagen über den "Zustand" der Rechtsgeschichte in verschiedenen Ländern sind schwer zu gewinnen und zu gewichten. Akademische Fächer als reale Verbandspersönlichkeiten sind ohnehin eine luftige Konstruktion. Die Zahlen der Professuren in Relation zur Zahl der Universitäten, die Abschlussexamina der Juristenausbildung (mit oder ohne rechtshistorischen Anteil, mit oder ohne Bologna-Modell), die Zahl der Dissertationen, die Ausstattung der Bibliotheken und viele andere Daten lassen sich natürlich erheben. Aber schon die Ausgangspunkte sind unterschiedlich. In den meisten Ländern widmen sich die Rechtshistoriker nur ihrem Fach, während sie in Deutschland in der Lehre auch geltendes Recht vorzutragen und im Examen zu prüfen haben. ...
Joint Venture : International Max Planck Research School for comparative european legal history
(2002)
Gegenwärtigen Fusionspraktiken folgend, haben auch Rechtshistoriker sich verbündet, um international Synergien zu erzeugen. Das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte und das Institut für Rechtsgeschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität haben – mit dem Segen und dem Geld ihrer "Mütter" – ein gemeinsames Forschungskolleg gegründet. ...
Die Lektüre des Buchs beginnt mit dem Titel. Er ist offenbar bewusst vage gehalten. "Die Juristen", als Gattung oder Stand, als Denktypus, als wissenschaftliche Formation? Geht es um Juristen aller Herren und Länder? Und was bedeutet "kritische Geschichte" – ist eine unkritische denkbar? Handelt es sich um eine soziologische historische Studie zur Ausbreitung der Juristen und eine Analyse ihres Einflusses? "The Jurists" ist also ein anspruchsvolles Portal, hinter dem sich jedenfalls kein Juristenlexikon verbirgt. Treten wir also ein und sehen wir zunächst, welchen Ballast Gordley abwerfen musste, um sein Schiff flott zu bekommen. ...
Vom "Staat der Mitte" zum "Reich der Mitte" scheint es nicht weit zu sein. Aber so, dass die Bewohner des "Staates der Mitte" sich als Zentrum der Welt und die am Rande wohnenden Völkerschaften als Barbaren betrachten, möchte der Osnabrücker Staatsrechtler seine Verfassungsgeschichte nicht verstanden wissen. Deutschland ist ihm vielmehr die geographische und historisch-politische Mitte zwischen Ostund West-, Nord- und Südeuropa, aber auch das Gemeinwesen "mittlerer" konsensorientierter Lösungen zwischen Etatismus und Civil Society, und als föderativer Staat ein Gebilde in der Mitte zwischen Einheitsstaat und Staatenbund. ...