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Viel, sehr viel ist schon über die Behandlung der Geschlechterdifferenzen bei Ingeborg Bachmann gesagt und geschrieben worden. Spätestens bei der Veröffentlichung der vierbändigen Ausgabe von Christine Koschel und Inge von Weidenbaum (1978) entdeckten die InterpretInnen erstmals Bachmanns Auseinandersetzung mit der untergeordneten Stellung der Frau in der patriarchalischen Gesellschaft. Ihr Werk hat aber den feministischen Bachmann-InterpretInnen immer große Schwierigkeiten bereitet, indem es sich jeder Theorie, jeder Festlegung entzog. Man konnte ihr zum Beispiel in den siebziger, achtziger Jahren vorwerfen, hilflos leidende oder leidenschaftlich liebende Frauenfiguren dargestellt zu haben, die sich mit ihrem Opferstatus abfinden, das heißt dadurch die Geschlechterpolarität und die Rollenverteilung des 19. Jahrhunderts zu reproduzieren. Später neigte man dazu, ihr Werk theoretisch auf den französischen Poststrukturalismus undifferenziert zu beziehen. Ich möchte hier zeigen, wie sehr Bachmann immer wieder zwischen Konstruktion und Dekonstruktion der Geschlechterdifferenzen, das heißt auch zwischen einem kritischrealistischen und einem utopischen Bild der Gesellschaft und gesellschaftlichen Realität hin und her pendelt. Meines Erachtens sollte man die österreichische Schriftstellerin und ihr Werk an keiner festen, eindeutigen Stelle geisteswissenschaftlicher Entwicklung verorten, mit keiner "Schule" verbinden; vielmehr wird hier festgestellt, daß sie etliche Entwicklungen vorausgenommen, vieles antizipiert hat, ohne jemals mit einer Bewegung identifiziert werden zu können. Was natürlich nicht ausschließt, daß sie von einigen vereinnahmt werden mochte.