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Dieser Essay versucht eine Annäherung an das Phänomen der Einstürzenden Neubauten vermittels der Songtexte, die aus verschiedenen Perspektiven vermessen werden, um einige zentrale Grundlinien zu bestimmen. Die akademische Beschäftigung mit Songtexten und Pop-Musik hat sich in der deutschen Germanistik und Kulturwissenschaft während der letzten Jahre als auffälliger Trend ausgebildet. Wenngleich dabei einige Fortschritte gemacht wurden, um an den avancierteren Stand der englischsprachigen Forschung auf diesem Feld anzuschließen, stehen Analysen zu den Texten der künstlerisch bedeutendsten
deutschen Pop-Musik-Gruppen noch weitgehend aus. Im Hinblick auf die Einstürzenden Neubauten versteht sich das Folgende als Beitrag zur noch in den Kinderschuhen steckenden Forschung zur Band im Allgemeinen und zu deren bemerkenswerten Texten im Besonderen.
Die Verzettelung ist eine literarische Vorgehensweise, die zu Unrecht in schlechtem Rufe steht. Vom vorgefertigten Plan instinktiv abzuweichen, unberechenbare Zufallsfaktoren zu integrieren, etablierte Normen der Form oder des Genres zu überschreiten und ganz allgemein die Bereitschaft, ja der Wunsch, sich den beim Schreiben ergebenden Eigendynamiken des Materials und Erzählstoffes zu überlassen, bergen stets die Gefahr eines künstlerischen Scheiterns. Dies umso mehr, wenn es sich nicht um ein einzelnes Erzählwerk, sondern ein großangelegtes Projekt wie einen siebenbändigen Romanzyklus handelt. Und davon hat Gerhard Roth nicht nur einen, sondern gleich zwei geschrieben im Verlauf von mehr als drei Jahrzehnten kräftezehrender Arbeit.
Insofern hat der österreichische Autor die produktive Verzettelung als Methode der Erkenntnisgewinnung geradezu zur Meisterschaft entwickelt. Seine beiden Zyklen legen ein mehr als eindrückliches Zeugnis davon ab: 'Die Archive des Schweigens' (1980-1991) und 'Orkus' (1995-2011) gehören zu den ungewöhnlichsten Erzählunternehmungen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur; nicht nur was die durchaus erstaunliche Tatsache der Existenz von zwei Romanzyklen betrifft, sondern insbesondere die vielfältigen Perspektiven, Fragestellungen und Querverbindungen, die sich durch das singuläre literarische Phänomen eines Doppelzyklus ergeben.