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Die vorliegende Arbeit verfolgt den Anspruch, die von Paul Natorp (1907) gestellte Frage, was die Gemeinschaft für die Erziehung und umgekehrt die Erziehung für die Gemeinschaft bedeute, empirisch auszuloten. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht dabei das Verhältnis von Schule und Gemeinschaft in der ‚postnationalen Konstellation‘ (Habermas 1998), dem sich die Arbeit über die Untersuchung von Unterrichtskommunikation zu den Themen ‚Nationalsozialismus/Holocaust‘ und ‚Multikulturalismus/Rassismus‘ anzunähern versucht.
Zur Vorbereitung der empirischen Studie wird im Rahmen einer Semantikstudie zunächst der pädagogische Diskurs zum Thema Gemeinschaft von den ersten Vorläufern gemeinschaftspä-dagogischen Denkens bis hin zu aktuellen konzeptionellen Entwürfen nachgezeichnet. Funktion und Bedeutung der Gemeinschaftsfigur als Bezugskategorie von Erziehungsreflexion in der Moderne werden herausgearbeitet. Weiterhin werden die rekonstruierten gemeinschaftspädagogischen Konzepte in Hinblick auf ihr Spannungspotential zu Leitprinzipien demokratischer Erziehung beleuchtet.
Mithilfe sequenzanalytischer Interpretationen wird anschließend der Frage nachgegangen, welche Rolle Gemeinschaftsbezügen als Fluchtpunkt pädagogischer Einwirkungsbemühungen im Unterricht zukommt. Gleichzeitig wird gefragt, ob und in welcher Weise Unterricht Gemeinschaft als Ermöglichungsform zur Umsetzung seiner pädagogischen Absichten in Anspruch nimmt. Nicht zuletzt richtet die Analyse das Augenmerk auf den Umgang mit den potentiellen Herausforderungen, die unter Migrationsbedingungen mit dem Rekurrieren auf Gemeinschaft am Lernort (Geschichts-)Unterricht verbunden sind.
Die Interpretationen zeigen, wie Unterricht Gemeinschaft in Anspruch nimmt, um die Bedingungen seines Prozessierens zu sichern. Weiterhin decken sie zwei kontrastierende Typen des Rekurrierens auf Gemeinschaft als Fluchtpunkt pädagogischer Kommunikation zum Thema NS auf. Als Lösungsoption im Umgang mit den migrationsbedingten Herausforderungen von Geschichtsunterricht zum Thema NS deutet sich indes die Tendenz an, verstärkt auf eine universalistische Erinnerungs- und Verantwortungskultur Bezug zu nehmen.
Das Gefahrenpotential, das dem Gemeinschaftsgedanken in der aktuellen erziehungswissenschaftlichen Diskussion zugeschrieben wird, erweist sich in den betrachteten Unterrichtsse-quenzen als beschränkt. Die Beobachtungen legen vielmehr die These einer eingehegten Form von Gemeinschaftserziehung in der gegenwärtigen Unterrichtspraxis nahe. Darin erfährt das Risiko, das gemeinschaftspädagogischen Ansätzen ihrer Kritik nach eingeschrieben ist, über normative Selbstverpflichtungen der pädagogischen Praxis eine Eindämmung.
Allmacht der Medien - Ohnmacht der Schule? : Herausforderungen für die Schule des 21. Jahrhunderts
(2006)
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Feststellung, dass Medien, insbesondere die öffentlichen Medien, tiefer in den Alltag der Menschen hineinreichen, als dies im Allgemeinen zugegeben wird, und die Annahme, dass diese Allgegenwärtigkeit der Medien samt ihrer Inhalte nicht ohne Folgen für den Einzelnen sowie für das soziale Zusammenleben innerhalb der Gesellschaft bleibt. Postman zufolge vollzieht sich seit dem vergangenen Jahrhundert durch den Übergang vom Buchdruckzeitalter zum Fernsehzeitalter ein folgenschwerer gesellschaftlicher Wandel. Insbesondere beobachtet er eine neue, auf das Fernsehen zurückzuführende Form des Diskurses, welche eine inhaltliche Verschiebung, eine Bedeutungsveränderung des öffentlichen Diskurses insgesamt nach sich zieht. In dieser Entwicklung sieht Postman sogar die Gefahr eines Niederganges der (amerikanischen) Kultur (vgl. Postman, 1985/2006). Die Schule in ihrer heutigen institutionellen Form entstand noch im Zeitalter des Buchdrucks, welches von Postman auch das Zeitalter der Erörterung genannt wird, und hat deshalb traditionell ein anderes Verständnis von Lernen und Erziehung, als die Massenmedien, bei welchen zuallererst die Unterhaltung des Zuschauers im Vordergrund steht und nicht etwa dessen Bildung bzw. Erziehung. Es stellt sich nun jedoch angesichts der Tatsache, dass wir uns im Zeitalter der Massenmedien - des „Showbusiness“ befinden, die Frage, wie die fast schon historisch anmutende Institution Schule auf die Entwicklungen unserer Zeit reagiert, oder zugespitzt formuliert: Machen die Massenmedien die Institution Schule zukünftig überflüssig? Wer hat denn zur Zeit mehr Einfluss bzw. Macht: Massemedien oder Schule? Die folgende Arbeit wird sich mit eben dieser angedeuteten ‚Erziehungskonkurrenz’ beschäftigen, versuchen Lösungsmöglichkeiten für die Schule aus dem Bereich der Medienpädagogik aufzuzeigen, und möchte anschließend die aktuellen Reformbestrebungen unter den zuvor genannten Gesichtspunkten kritisch betrachten. ...
Die Kritik am jüdischen Religionsunterricht hat in der jüdischen Bildungsgeschichte eine lange Tradition. Nicht erst F. Rosenzweig beklagte in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Situation der jüdischen Unterweisung. Unter Einfluss der jüdischen Aufklärung wurde vor allem die traditionsgebundene jüdische Erziehung durch die verschiedenen Repräsentanten der Haskala bemängelt , denen es gelang, diese Erziehung in verschiedener Hinsicht zu transformieren. Die Zielsetzung der jüdischen Unterweisung seit biblischer Zeit, die Weitergabe der Überlieferung an die nächste Generation wird seit der Emanzipation als Vermittlung jüdischer Identität verstanden, verbunden mit der Frage, wie man diese Identität entfalten kann.
Heute steht der jüdische Religionsunterricht in Deutschland erneut in kritischer Observanz und damit auch die Frage, wie bei Kindern und Jugendlichen jüdische Identität entwickelt werden kann. ...