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Die CXCR4/CXCL12-Achse ist von entscheidender Bedeutung für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer gesunden, reifen Hämatopoese. Erstmals beschrieben wurde der später als CXCR4 bezeichnete Rezeptor 1996 allerdings als Co-Rezeptor für den Eintritt humaner HI-Viren in Lymphozyten. Ein großes Interesse bestand daraufhin darin, sowohl natürliche Inhibitoren des G-Protein gekoppelten Rezeptors zu identifizieren, als auch synthetische herzustellen, um einen Eintritt des Virus in den menschlichen Organismus zu verhindern bzw. seine Ausbreitung zu unterbinden. Ein natürlich vorkommender CXCR4-Ligand, der 2015 von Zirafi und Kollegen erstmals beschrieben wurde, fand sich im Hämofiltrat von Dialysepatienten. Der im weiteren Verlauf als EPI-X4 bezeichnete CXCR4-Antagonist wurde als Spaltprodukt von Albumin identifiziert, welches über viele Spezies hochkonserviert ist. Diese Eigenschaft interpretieren wir als Hinweis auf eine relevante physiologische Funktion des Peptids. Da die Halbwertszeit von natürlich vorkommendem EPI-X4 beim Menschen vermutlich sehr kurz ist, sind in vivo- und darauffolgende in vitro-Analysen schwierig durchzuführen. In-vitro-Spike-Analysen von synthetischem EPI-X4 in humanem Plasma ergaben eine Halbwertszeit von nur 17 Minuten. Die geringen auftretenden Konzentrationen erschweren die Problematik zusätzlich. In dieser Arbeit sollen deshalb im Mausmodell in vivo-Analysen durchgeführt werden, um die Effekte von potentiell entstehendem EPI-X4 in verschiedenen experimentellen Ansätzen aufzudecken. Ein probates, hier verwendetes Mittel, ist die Analyse einer Knock-out (KO)-Maus. Die für die Bindung an CXCR4 entscheidende Aminosäure von EPI-X4, das am N-Terminus gelegene Leucin, wurde durch Alanin ersetzt, welches die Entstehung von EPI-X4 unterbindet und zusätzlich dessen Bindung an CXCR4 verhindert. Mit Hilfe zweier Mausmodelle können nun Analysen im EPI-X4-defizienten Modell durchgeführt werden, die im Umkehrschluss Informationen über die organismische Wirkung von EPI-X4 beinhalten. Zunächst wurde in beiden Modellen die physiologisch normale reife und unreife Hämatopoese charakterisiert. Hierbei zeigte sich kein signifikanter systematischer Einfluss von EPI-X4 auf reife Leukozyten (WBC), lediglich eine leichte Lymphozytose in der HR-Ala-Variante. Im weiteren Verlauf der homöostatischen Analyse der Hämatopoese der Ala-EPI-X4-Mäuse zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zu wildtypischen Mäusen. Sowohl reife als auch unreife Zellen zeigten, außer in der T- und B-Zelllinie, keine zahlenmäßigen oder funktionalen Auffälligkeiten, weder im Blut, noch in der Milz oder im Knochenmark. Analysen der Zellzyklusaktivität unterschiedlicher Unreifestufen wiesen ebenfalls keine Auffälligkeiten auf. Diese Daten einer normalen, von einer C57Bl/6-Maus zu erwartenden Ergebnisse dienten als Grundlage zur Bewertung und Analyse von durchgeführten hämatopoetischen Stressmodellen. Hierfür wurden
zunächst hämatopoetische Stamm- und Vorläuferzellen (HSPC) mobilisiert. In den angewandten Mobilisierungsmodellen fanden sich lediglich unter G-CSF-Behandlung im Knochenmark eine größere Anzahl Granulozyten, was auf einen Einfluss von EPI-X4 auf HSPC schließen lässt. Um potentielle Auswirkungen von EPI-X4 im Knochenmark weiter zu untersuchen, wurde ein weiteres Stressmodell gewählt, welches ebenfalls mutmaßlich die Bedingungen zur EPI-X4-Generierung schafft: Subletale Bestrahlung der Mäuse sorgt für Schäden an allen Zellarten im Knochenmark, es wird ein steriles entzündliches Milieu kreiert. Unter diesen Umständen wurde die Regeneration von Blutzellen analysiert. Es zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede sowohl in der akuten Phase des Schadens als auch in regelmäßigen Blutentnahmen während der Regenerierung.
Die Beschreibung von natürlich vorkommendem EPI-X4 in Vaginal- und Rektalschleimhaut zeigt seine Entstehung an Schleimhautbarrieren auf. Ala-EPI-X4-Muse werden deshalb auf deren Durchlässigkeit untersucht: LPS-Konzentrationen als Marker für eindringende pathogene Bakterien wurden im Plasma untersucht. Hierbei zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen, eine Störung scheint hier nicht vorzuliegen. Zusätzlich wurde die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm untersucht, da beschrieben wurde, dass sich Mikrobiom und die Integrität der Darmschleimhaut gegenseitig beeinflussen. Im Falle der EPI-X4-defizienten Mäuse liegt zwar keine offensichtliche pathologische Veränderung vor, dennoch konnte in männlichen HR-Ala-Mäusen die Abwesenheit des Proteobakteriums Parasutterella nachgewiesen werden. Um eine mögliche Defizienz der Barrierefunktion weiter zu testen, wurden zwei Stressmodelle gewählt: Zunächst wurde den Mäusen eine akute, sterile Peritonitis zugefügt, woraufhin die Anzahl und Zusammensetzung der ins Peritoneum einströmenden Leukozyten analysiert wird. Die Reaktion auf diesen Entzündungsprozess war nicht verändert. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch in einem akuten Colitis-Stressmodell.
Insgesamt konnte in dieser Arbeit mithilfe zweier KO-Mausmodelle die Rolle von EPI-X4 in der Hämatopoese und der Immunologie von Mäusen beginnend charakterisiert werden. Die homöostatische Hämatopoese scheint kaum von EPI-X4 abhängig zu sein, lediglich die Zahl der B- und T-Zellen, insbesondere der regulatorischen T-Zellen, scheint beeinflusst. Damit einhergehend konnten Veränderungen in Zytokinlevels bei inflammatorischen Ereignissen gezeigt werden. Experimente zur beeinflussten, eventuell gestörten Barrierefunktion von Ala-EPI-X4-Mäusen zeigten vielversprechende Ansätze und sollten in Zukunft weiter analysiert werden.
Auf der Oberfläche von Erythrozyten, Thrombozyten und Neutrophilen befinden sich mehrere hundert verschiedene polymorphe, ungekoppelt vererbte Blutgruppenantigene. Dementsprechend birgt jede Bluttransfusion das Risiko einer Immunisierung gegen fremde Blutgruppenmerkmale. Auch während der Schwangerschaft können aufgrund väterlich vererbter Antigene Alloantikörper induziert werden. Deshalb muss das Blut vor jeder Transfusion oder während einer Schwangerschaft auf das Vorhandensein irregulärer erythrozytärer Antikörper untersucht werden. Dabei greifen die aktuellen diagnostischen Verfahren auf primäre, stabilisierte Testerythrozyten von Blutspendern zurück, deren relevante Blutgruppenantigene bekannt sind. Antikörperspezifitäten können anhand von Agglutinationsreaktionen der Testzellen mit dem zu untersuchenden Patientenplasma auf ein oder mehrere Antigene zurückgeführt werden. Ist jedoch ein Antikörper gegen ein häufiges, ein hochfrequentes oder ein nicht-polymorphes, ubiquitäres Antigen gerichtet, kann in Ermangelung Antigen-negativer Testzellen keine adäquate Diagnostik gewährleistet, die Verträglichkeit der Transfusion also nicht definitiv sichergestellt werden. Auch der medizinische Einsatz therapeutischer Antikörper, welche Antigene adressieren, die auch auf Erythrozyten exprimiert werden, führt zunehmend zu Problemen. Tests auf granulozytäre Antikörper sind mangelhaft bezüglich ihrer Robustheit, besitzen eine unzureichende Auflösung und sind zudem meist zeitaufwändig und daher teuer. Antikörper gegen humane Plättchenantigene spielen insbesondere in der Schwangerschaft eine Rolle; sie vermögen bei Neugeborenen thrombozytopenische Blutungen bis hin zu massiven Hirnblutungen zu verursachen, die zu schweren Entwicklungsstörungen führen können. Bisher erfolgt jedoch mangels geeigneter Reagenzien keine standardisierte pränatale Untersuchung auf thrombozytäre Antikörper. In dieser Arbeit wurde ein neuartiges Verfahren für die Identifikation und Differenzierung irregulärer Blutgruppenantikörper etabliert, welches auf gentechnisch hergestellten, xenogenen Testzellen basiert, die einzelne definierte humane Blutgruppenantigene auf ihrer Oberfläche präsentieren. Die nicht humanen Zellen co exprimieren Fluorochrome, anhand derer Antikörper-markierte Testzellen durchflusszytometrisch voneinander unterscheidbar sind. Weiterhin können die generierten Testzellen zur Depletion von Antikörpern aus polyagglutinierenden Plasmen unter Erhalt der anderen Antikörperspezifitäten verwendet werden. Diese Technologie könnte die konventionelle Diagnostik erheblich erleichtern und bietet zudem die Möglichkeit, therapeutische Antikörper (wie z. B. anti-CD38, anti CD47, etc.), die häufig zu Interferenzen mit der Routinediagnostik führen, spezifisch prädiagnostisch aus Patientenproben zu entfernen.