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Der 2‘-Desoxyguanosin-Riboschalter gehört zur unter Bakterien weit verbreiteten Klasse der Purin-Riboschalter. Allerdings wurden 2‘-Desoxyguanosin-bindende Riboschalter bisher ausschließlich in M. florum gefunden, damit stellt diese RNA eine Ausnahme unter den ansonsten verbreiteten Purin-Riboschaltern dar. In der vorliegenden Arbeit wurde ein NMR-Strukturmodell des IA-Aptamer-2‘-Desoxyguanosinkomplexes erstellt und anhand der mittels NMRSpektroskopie zugänglichen strukturellen Informationen sowohl Struktur und Dynamik des freien RNA-Aptamers als auch des 2‘-Desoxyguanosinkomplexes charakterisiert. Dabei wurde insbesondere der Einfluss von Mg2+ auf Struktur und Dynamik der jeweiligen Zustände sowie auf den durch 2‘-Desoxyguanosin induzierten Faltungsprozess untersucht.
Mg2+-Ionen modulieren die Faltungstrajektorien von sensorischen RNA-Domänen. Die Übertragbarkeit von Mg2+-abhängigen Charakteristika der RNA-Faltung innerhalb verschiedener Messmethoden ist durch die schlechte Vergleichbarkeit der relativen Konzentrationsverhältnisse eingeschränkt. Die NMR-spektroskopisch beobachtbaren Mg2+-Einflüsse sollten also unter besonderer Berücksichtigung der für NMR benötigten vergleichsweise sehr hohen RNAKonzentrationen mit Ergebnissen aus kalorimetrischen oder fluoreszenzspektroskopischen Messungen interpretiert werden. Die in der NMR-Spektroskopie üblichen hohen Probenkonzentrationen befinden sich in dem Regime, in dem auch der physikalische Effekt des verdrängten Volumens eine Rolle zu spielen beginnt. Demnach ist es für die RNA-Moleküle im NMR-Probenröhrchen bei Konzentrationen von 5-10 mg/ml auch ohne Zugabe von Mg2+ entropisch günstiger, kompakte Konformationen einzunehmen. Die Relevanz des Effekts des verdrängten Volumens für die RNA-Faltung unter NMR-Bedingungen und unter zellulären Bedingungen ist Gegenstand der aktuellen Forschung und wird in dieser Arbeit am Beispiel des IA-Aptamers diskutiert.
Der oft einzigartige Bindungsmodus ubiquitärer Metaboliten durch bakterielle Riboschalter (Montange and Batey, 2006) ermöglicht prinzipiell den Einsatz von RNA-Aptameren in vivo, ohne mit zellulären Proteinsystemen zu interferieren (Mulhbacher et al., 2010). Therapeutische Ziele sind beispielsweise die Anwendung von Riboschaltern gegen bakterielle Pathogene beziehungsweise gegen pathogene Bakterien selbst. Eine weitere Rolle wird RiboschalterElementen zukünftig als Bausteine in der synthetischen Biologie zukommen (Dixon et al., 2010; Knight, 2003; Topp and Gallivan, 2008). Hierfür ist es von grundlegender Bedeutung, Charakterisierung von Struktur als Basis für das Verständnis von Funktion unter zellulären Bedingungen zu etablieren. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Robert Hänsel aus dem Arbeitskreis von Prof. Dr. Volker Doetsch wurde am Beispiel des IA-Aptamers und einer nichtnatürlichen Sequenzvariante gezeigt, dass eine strukturelle Charakterisierung von Riboschaltern mittels in cell NMR-Spektroskopie möglich ist. In Zusammenarbeit mit Karl von Laer aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Beatrix Suess wurden beide RNA-Aptamer hinsichtlich ihrer Funktion in einem biologischen Assay getestet. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigten eine deutliche Korrelation von Struktur und Funktion in vivo, während Diskrepanzen zwischen Struktur in vitro und Funktion in vivo demonstriert werden.
Weiterhin wurde im Rahmen dieser Arbeit gezeigt, dass eine gewisse strukturelle Flexibilität der Bindungstaschen regulatorischer RNA-Motive für Selektion und Adaption während Evolution nötig ist. Beispielsweise wurde für den Guanin-Riboschalter gezeigt, dass der nicht-native Ligand 2‘-Desoxyguanosin zur Komplexbildung des Aptamers führt. Demnach könnte die Bindung von 2‘-Desoxyguanosin im Guanin-Riboschalter bereits evolutionär angelegt sein und die Entstehung des IA-Aptamers nach Genomreduktion der Mesoplasmen begünstigt haben. Das IA-Aptamer dagegen bindet Guanin nicht, stattdessen besitzt M. florum auf Guanin spezialisierte Sequenzvarianten dieses Riboschalters (Kim et al., 2007). Strukturell hochauflösende Einblicke in unterschiedliche Zustände der Bindungstasche im G-Aptamer-Thioguaninkomplex, die durch die Lösung der Kristallstruktur des GLoop-Aptamers ermöglicht wurden, unterstützen die Hypothese einer anpassungsfähigen Bindungstasche im G-Aptamer. Für B. subtilis wäre es interessant, die physiologische Bedeutung der Komplexbildung des G-Aptamers mit 2‘-Desoxyguanosin zu untersuchen.
Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen an GXG Modellpeptiden konnten eindeutig zeigen, dass diese Peptide, auch ohne das Vorhandensein von langreichweitigen Wechselwirkungen, bestimmte Sekundärstrukturen präferieren. Ein Teil der beobachteten, auftretenden Strukturmotive lässt sich hierbei über den sterischen Anspruch der Seitenkette erklären, ein anderer Teil über die Ladung der Seitenkette. In Kombination mit anderen Spektroskopischen Methoden konnten zehn dieser Peptide genauestens untersucht werden. Hierbei zeigte sich, dass diese Peptide nicht nur die favorisierten Regionen des Ramachandran-Diagramms besetzen. Ein Vergleich mit dem Vorkommen bestimmter Aminosäuren, beispielsweise in loop Regionen von Proteinen, zeigt dass die Sequenz dieser loops nicht zufällig ist. Tatsächlich besitzt ein Teil der Aminosäuren, die besonders häufig an bestimmten loop Positionen vorkommen, bereits die intrinsische Vorliebe, die notwendige Konformation einzunehmen. Diese Aminosäuren und die umgebenden loops sind somit eventuell nicht nur das simple Verbindungsglied zwischen zwei Sekundärstrukturen, sondern kommen selbst als Ausgangspunkte für Peptid- bzw. Proteinfaltung in Frage.
Ein weiteres Augenmerk der Arbeit lag auf der Messung von skalaren und dipolaren Kopplungen an isotopenmarkierter RNA. Es wurden vier Pulssequenzen entwickelt, die es ermöglichen, 1J skalare bzw. dipolare Kopplungen in der Zuckerregion von 13C- markierter RNA mit hoher Präzision zu messen. Die entwickelten J-modulierten Experimente ermöglichen die Messung von 1J(H2’C2’), 1J(C1’C2’) sowie 1J(C2’C3’) Kopplungen selbst für größere RNA Moleküle. Die Detektion erfolgt hierbei auf den C1’H1’ Signalen, die Zuordnung der Kerne, deren Kopplung gemessen wird, ist nicht einmal erforderlich. Die Anwendbarkeit konnte für verschiedene Systeme mit 14 bis 70 Nukleotiden demonstriert werden. Die erreichte Präzision ermöglichte es außerdem auch sehr kleine Effekte, wie beispielsweise die Ausrichtung von RNA im Magnetfeld zu detektieren.
Diese Arbeit zeigt außerdem zwei Beispiele für die gezielte Modifikation, um Lanthanid Bindungsstellen einführen zu können. Auf chemischen und biochemischen Weg konnte isotopenmarkierte, in vitro transkribierte RNA modifiziert werden. Die Ergebnisse zeigen eindeutig eine Bindung von Lanthanid-Ionen an die modifizierte RNA. Die auftretenden, eher kleinen Effekte, sind vermutlich auf die noch zu hohe Flexibilität der eingeführten Modifikationen. Vor allem bei der chemischen Modifikation besteht hier noch Potential zur Optimierung, nachdem die generelle Anwendbarkeit der Methode demonstriert wurde.
Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse von Kopplungsmustern zur Analyse und zum Vergleichen von Naturstoffen. Hier konnten aus einer Reihe von Derivaten eindeutig die identifiziert werden, die verglichen mit der Ausgangsstruktur, die gleiche Konformation besitzen. Die gewonnenen Ergebnisse decken sich hier mit durchgeführten biologischen Tests, die ebenfalls dasselbe Derivat als aktiv identifizieren konnten, was klar für eine Struktur-Aktivitäts-Beziehung spricht.
In der vorliegenden Arbeit werden Methoden und Anwendungen gezeigt, um skalare und dipolare Kopplungen im Bereich von Peptiden, Nukleinsäuren und kleinen Molekülen zu nutzen. Die durchgeführten Arbeiten reichen dabei von der speziellen Probenpräparation zur Messung von dipolaren Kopplungen bis hin zur Entwicklung neuer NMR-spektroskopischer Methoden zur Messung von Kopplungen mit höherer Präzision und an größeren Systemen als bisher.
Die Untersuchung von RNA mittels NMR-Spektroskopie hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, weil die Zahl der neu entdeckten RNA-Funktionen, wie z.B. RNA-Schalter in Bakterien, stark gestiegen ist. Ziel dieser Arbeit war es, mithilfe der NMR-Spektroskopie einen Beitrag zum besseren Verständnis der biochemischen Prozesse, in die RNA-Moleküle involviert sein können, zu leisten.
Im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel 2, 3 und 4) werden zum einen die Entwicklung neuer Methoden für die RNA-Strukturbestimmung vorgestellt und zum anderen die Leistungsfähigkeit der modernen NMR-spektroskopischen Strukturaufklärung demonstriert.
Im zweiten Teil dieser Arbeit (Kapitel 5) wird die NMR-Spektroskopie zur Untersuchung der RNA-Schalter-Funktion eingesetzt. Die biologische Funktion von RNA oder Proteinen setzt oftmals eine dynamische Struktur voraus und involviert Konformationsänderungen infolge biochemischer Signalweiterleitung. Für die Charakterisierung solcher Prozesse eignet sich die NMR-Spektroskopie insbesondere gut, weil sie in Lösung unter verschiedenen Reaktionsbedingungen angewandt wer-den kann. Durch den direkten NMR-spektroskopischen Nachweis von Basenpaarungen können wichtige strukturelle Eigenschaften (Faltung, Strukturhomogenität und Dynamik) entschlüsselt und in einen Zusammenhang mit der Funktion gebracht werden.
Im Folgenden werden die einzelnen Kapitel vorgestellt.
Nachdem das erste Kapitel eine allgemeine Einleitung in die NMR-Spektroskopie, RNA-Struktur und Funktion der RNA-Schalter darstellt, folgt im Kapitel 2 die Einführung einer neuen Methode, die eine quantitative Bestimmung der Torsionswinkel alpha und zeta in RNA/DNA mittels NMR-Spektroskopie ermöglicht (Abb. 1). Sie basiert auf der Wechselwirkung zwischen dem CH-Dipol und der 31P-CSA, die von der relativen Orientierung abhängig ist. Die Methode wurde für die CH- und CH2-Gruppen in Form von zwei Pulssequenzen (2D- und 3D-G-HCP) zur Messung von insgesamt fünf kreuz-korrelierten Relaxationsraten entlang des RNA/DNA-Rückgrats optimiert. Die Funktionsfähigkeit der Methode wurde zunächst an der 14mer cUUCGg-Tetraloop RNA getestet und zur Bestimmung der Torsionswinkel alpha und zeta genutzt. Die Ergebnisse flossen in die Strukturrechnung der 14mer RNA, die im Kapitel 3 vorgestellt wird, mit ein. Des Weiteren gelang es die Anwendbarkeit der Experimente an einer größeren 27mer RNA zu demonstrieren. Die neue Methode ist deswegen von Bedeutung, weil die Winkel alpha und zeta nicht über 3J-Kopplungskonstanten gemessen werden können.
(Nozinovic, S., Richter, C., Rinnenthal, J., Fürtig, B., Duchardt-Ferner, E., Weigand, J. E., Schwalbe, H. (2010), J. Am. Chem. Soc. 132, 10318-10329.)
Im Kapitel 3 wird die NMR-spektroskopische Bestimmung der Struktur einer Model-RNA, der 14mer cUUCGg-Tetraloop RNA, vorgestellt. Die Strukturrechung wurde mit verschiedenen NMR-Datensätzen, die in der Arbeitsgruppe einschließlich dieser Doktorarbeit gesammelt wurden, durchgeführt. Zusammen mit den Ergebnissen aus dem Kapitel 2 konnte eine sehr präzise Struktur mit einem RMSD von 0,37 Å (20 Strukturen) in sehr guter Übereinstimmung mit experimentellen Daten ermittelt werden. Die gerechnete Struktur repräsentiert eine der gegenwärtig genauesten und umfassendsten Strukturbestimmungen einer RNA, bei der jeder Torsionswinkel quantitativ bestimmt wurde. Einen besonderen Höhepunkt stellt die strukturelle Analyse der 2’OH-Gruppen dar, die im anschließenden Kapitel 4 weiter vertieft wurde.
(Nozinovic, S., Fürtig, B., Jonker, H. R. A., Richter, C., Schwalbe, H. (2010), Nucleic Acids Res. 38, 683-694)
Über Jahre war bekannt, dass die Größe der 1J(C1’,H1’)- und 1J(C2’,H2’)-Kopplungskonstanten innerhalb der Ribonukleotide von der lokalen Struktur des Zuckers und der Orientierung der Nukleobase beeinflusst wird. In dieser Arbeit (Kapitel 4) wurde zum ersten Mal ein systematischer Vergleich zwischen NMR-Messungen und DFT-Rechnungen durchgeführt, der eine eindeutige Zuordnung der Hauptkonformationen des Zuckers (C3’- oder C2’-endo) und der Nukleobase (anti oder syn) anhand der 1J(C,H)-Kopplungskonstanten erlaubt. Die beschriebene Methode wurde an einer größeren 27mer RNA erfolgreich erprobt. Weiterhin wurde erstmalig entdeckt, dass zudem die Orientierung der 2’OH-Gruppe einen signifikanten Einfluss auf die 1J(C,H)-Kopplungen hat (Abb. 3). Mithilfe von NMR-Messungen und DFT-Rechnungen konnte aus 1J(C,H)-Kopplungskonstanten die Orientierung von allen 2’OH-Gruppen in der 14mer cUUCGg-Tetraloop RNA bestimmt werden. Die Methode hat den großen Vorteil, dass 2’OH-Gruppen, die aufgrund des schnellen Austauschs mit Wasser oder D2O keine NMR-Signale liefern, analysiert werden kön-nen.
(Nozinovic, S., Gupta, P., Fürtig, B., Richter, C., Tüllmann, S., Duchardt-Ferner, E., Holthausen, M. C., Schwalbe, H. (2011), Angew. Chem. Int. Ed. 50, 5397-5400)
Im Kapitel 5 wird eine NMR-spektroskopische Untersuchung an der Aptamerdomäne des Adenin-bindenden RNA-Schalters (pbuE) vorgestellt. Im Fokus der Forschung stand die Frage: Welchen Einfluss hat die Länge der P1-Helix auf die Struktur und die Ligandbindung der freien Aptamer-domäne?
Durch den Vergleich von zwei Konstrukten mit unterschiedlich langer P1-Helix war es möglich, intrinsische Scherkräfte, die durch die Ausbildung der P1-Helix in der freien Aptamerdomäne entstehen, festzustellen. Es hat sich im Konstrukt mit der verlängerten P1-Helix gezeigt, dass diese zur Destabilisierung der P3-Helix und des Schlaufenkontakts führen. Diese strukturellen Änderungen haben außerdem zur Folge, dass die Bindungsstärke des Liganden reduziert wird. Die Ergebnisse zeigen, dass ein strukturelles Gleichgewicht zwischen Sekundärstrukturelementen die tertiäre Faltung beeinflusst und die Funktion moduliert.
(Nozinovic, S., Reining, A., Noeske, J., Wöhnert, J., Schwalbe, H. (2011), in Vorbereitung)