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In dieser Arbeit werden die Ergebnisse quantenchemischer Untersuchungen von verschiedenen Siliciumverbindungsklassen vorgestellt, die in weiten Teilen als Begleitung zu experimentellen Arbeiten durchgeführt wurden. Das erste Hauptkapitel befasst sich mit den Chloridkomplexen von Perchlorsilanen, zu denen die inversen Sandwichkomplexe und die Silafullerane mit endohedralem Gast gehören. Der Fokus liegt dabei auf den Bindungseigenschaften zwischen Ligand und Silan. Weiterhin werden thermodynamische Untersuchungen zu Aufbaureaktionen und Eigenschaften der Verbindungen vorgestellt. Mit den durchgeführten Rechnungen kann gezeigt werden, dass durch Wahl geeigneter Substituenten am Siliciumatom ein Wechsel in den Chloridkomplexen von einem hyperkoordinierten Siliciumatom hin zu einem Siliciumatom mit ausgebildeter Tetrelbindung erreicht werden kann. Bei den inversen Sandwichkomplexen sind beide Bindungsmodi möglich, von denen die Tetrelbindung die stärkere darstellt. Neben Chloridionen können hier auch Nitrile und Chlorsubstituenten am eigenen Silangerüst als Liganden fungieren. Die stärksten Tetrelbindungen können bei den endohedral funktionalisierten Silafullerankomplexen gefunden werden. Hier stellt das experimentell isolierte Strukturmotiv mit zwölf äußeren Trichlorsilylsubstituenten das thermodynamisch stabilste Substitutionsmuster dar. Im folgenden Kapitel werden die generellen physikalischen Ursachen für die beobachteten thermodynamischen Trends zwischen Perchlorsilanisomeren sowie Disproportionierungsreaktionen behandelt und ein direkter Vergleich mit Alkanhomologen angestellt. Bei den Perchlorsilanen und den meisten Homologen ist bei den untersuchten Systemen eine energetische Präferenz von verzweigteren Strukturen zu erkennen. Die Ursache hierfür liegt hauptsächlich bei stärkeren attraktiven Wechselwirkungen durch Korrelationseffekte, Hyperkonjugation sowie elektrostatische Effekte, welche stärkere repulsive Wechselwirkungen wie die Pauli-Repulsion überkompensieren. Im letzten Kapitel kommen zu den bisher behandelten Reaktionen unter Si-Cl- und Si-Si-Bindungsbeteiligung noch Reaktionen unter Si-C-Bindungsbeteiligungen hinzu. Dort werden die auch wegen ihrer Elektronentransporteigenschaften interessanten Silacyclopentadiene (Silole) hinsichtlich ihrer Isomerisierung, Dimerisierung und weiteren pericyclischen Reaktivität untersucht. Gegenüber dem verwandten Cyclopentadien zeigen diese eine deutlich erhöhte Reaktivität, was zu verschiedenen Dimerisierungsreaktionen führt, solange keine Abfangreagenzien im Überschuss zugegen sind.
Quantenchemische Untersuchungen zu Reaktionsmechanismen reaktiver Carben- und Silylenverbindungen
(2018)
In dieser Arbeit werden Reaktionsmechanismen verschiedener Carben- und Silylenverbindungen mit quantenchemischen Methoden untersucht: Die Zerfallsreaktion acylischer Diaminocarbene, die Reaktion verschiedener Diaminocarbene mit CO, die C-C Kupplung von Benzophenon mit SiCl2, die Reaktion von NHC mit Si2Br6 und die Reaktion von Dimethyltitanocen mit neo-Si5H12
Das Zusammenspiel von experimentellen mit quantenchemischen Methoden ermoeglicht eine detaillierte Untersuchung der ablaufenden Mechanismen einer chemischen Reaktion auf molekularer Ebene. Insbesondere für quantenchemische Rechnungen zu molekularen Uebergangsmetall-Verbindungen haben sich die Methoden der Dichtefunktionaltheorie (DFT) als aeusserst leistungsfaehiges Forschungswerkzeug herausgestellt. Im Rahmen der DFT fehlt es allerdings prinzipiell an der Möglichkeit zur systematischen Verbesserung der erzielten Ergebnisse und DFT-Rechnungen zeigen eine hohe Abhängigkeit von der Natur der untersuchten molekularen Verbindungsklasse. Daher muss vor jeder mechanistischen Untersuchung ein jeweils optimaler DFT-Ansatz durch Vergleich mit hochgenauen Referenzrechnungen oder mit experimentellen Referenzdaten für relevante Vergleichssysteme identifiziert und gegebenenfalls kalibriert werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden quantenchemische Rechnungen zur Reaktivität von Übergangsmetall-Verbindungen anhand von fünf Forschungsprojekten vorgestellt. Im ersten Kapitel werden die Ergebnisse für die Aktivierung kleiner Moleküle (Alkohole, Sauerstoff und Stickstoff) durch bifunktionelle Übergangsmetall-Pincer-Komplexe dargestellt. Das zweite Kapitel befasst sich mit der bioanorganischen Chemie von dinuklearen Kupfer-Sauerstoff-Komplexen. Die Auswahl einer geeigneten DFT-Methodik erfolgte in allen Fällen durch den Vergleich zu experimentellen Referenzdaten.
In Kooperation mit der Arbeitsgruppe Schneider wurden Eisen-Komplexe für die katalytische (De)hydrogenierung von Alkoholen entwickelt, eine wichtige Reaktion zur Funktionalisierung von Alkoholen zu Carbonylverbindungen. Durch DFT-Rechnungen konnte der ablaufende Katalysezyklus der (De)hydrogenierung des Modell-Substrats Methanol aufgeklärt und der geschwindigkeitsbestimmende Schritt identifiziert werden. Ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Schneider wurde die selektive Reduktion von Sauerstoff zu Wasser, vermittelt durch einen dihydridischen Iridium-Komplex, untersucht. Da durch die beiden Hydrid-Liganden insgesamt vier Elektronen für die Reduktion von Sauerstoff zu Wasser bereitgestellt werden, sollte prinzipiell ein monomolekularer Reaktionsverlauf möglich sein. Detaillierte DFT-Rechnungen in Kombination mit experimentellen Kinetikmessungen ergeben starke Hinweise auf einen derartigen Reaktionspfad mit geschwindigkeitsbestimmender Sauerstoff-Aktivierung. Zuletzt wird ein weiteres Kooperationsprojekt mit derselben Arbeitsgruppe vorgestellt. Die protoneninduzierte
übergangsmetallvermittelte Spaltung von Stickstoff in zwei Metall-Nitrid-Komplexe stellt ein neuartiges synthetisches Konzept dar. Durch die Protonierung eines dinuklearen Molybdän-Stickstoff-Komplexes erfolgt die Spaltung in die entsprechenden Mo-Nitrid-Komplexe. Der Grund für die ungewöhnliche Änderung der Spin-Multiplizität bei der Protonierung der Molybdän-Komplexe konnte durch detaillierte quantenchemische Analysen identifiziert werden.
Im zweiten Kapitel werden Untersuchungen zur bioanorganischen Chemie von dinuklearen Kupfer-Sauerstoff-Komplexen vorgestellt. In der Natur werden viele (bio)chemisch relevante Prozesse durch übergangsmetallhaltige Enzyme unter moderaten Reaktionsbedingungen vermittelt. Kupferhaltige Enzyme sind unter Anderem für die hochselektive Oxidation organischer Substrate zuständig. Der Ansatz der Bioanorganik befasst sich mit der Übertragung der enzymatischen Struktur und/oder Funktion auf synthetische Modell-Verbindungen. Da die akkurate Beschreibung der Energien von dinuklearen Kupfer-Sauerstoff-Komplexen höchste Anforderungen an die angewandten quantenchemischen Methoden stellt, wurde eine geeignete DFT-Methode in aufwändigen Voruntersuchungen durch den Vergleich mit experimentellen Ergebnissen identifiziert. Mit Hilfe des so kalibrierten BLYP-D3-Ansatzes wurde in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Meyer ein neuartiges Konzept für die baseninduzierte Isomerisierung des reaktiven Kerns etabliert. In einer weiteren Arbeit wurde die regio- und stereoselektive Hydroxylierung von nicht-aktivierten aliphatischen C-H-Bindungen in Steroid-Substraten mit Hilfe von mechanistischen DFT-Rechnungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die stereochemische Anordnung des Liganden um den reaktiven Kupfer-Sauerstoff-Kern die Selektivität der Hydroxylierung bestimmt.
Chlorsilane stellen Schlüsselsubstanzen zur Herstellung von elementarem Silicium dar. Zum Beispiel ist HSiCl3 ein wichtiger Ausgangsstoff im Siemensprozess[1, 2]. Chlorsilane werden unter anderem zur Herstellung von Silikonen im Müller-Rochow-Prozess[3-5] verwendet. Bei beiden Prozessen werden Silylene[6-10] als Schlüsselmediate in den Reaktionen angenommen. So auch bei der Bildung von höheren Perchlorsilanen (Reaktion b), die nur in Form komplexer Polymergemischen erhalten werden. In der vorliegenden Dissertation wurde die Plausibilität eines auf Silylen basierenden Reaktionsmechanismus zur Bildung und Reaktivität von Chlorsilanen quantenchemisch untersucht.Mit den Berechnungen aus dieser Arbeit konnten diese molekularen Prozesse aufgeklärt werden[33-35].
Die quantenchemischen Rechnungen aus dieser Arbeit umfassen Kalibrierungsrechnungen an Chlorsilanen, um die Leistungsfähigkeit der quantenchemischen Methoden zu beurteilen.
Hierbei wurden berechnete Strukturen mit den experimentellen verglichen. Zusätzlich wurden Standardbildungsenthalpien berechnet, um diese auch mit den experimentellen Daten zu vergleichen. Nach Prüfung der Validität der Referenzmethoden wurde die Tragfähigkeit der rechengünstigeren Methoden der Dichtefunktionaltheorie evaluiert.
In Vereinbarung von Rechenaufwand und Genauigkeit einer Rechenmethode wurden thermochemische Stabilitäten, Reaktionsenergien zur Bildung von Chlorsilanen aus Schema 1 berechnet. Die Betrachtung der Reaktionsmechanismen erfolgte sowohl in der Gasphase als auch in Lösung. Dabei wurden die Bildung von cyclo-Chlorsilanen, kettenförmigen und verzweigten Chlorsilanen betrachtet. Unterstützend konnten alle Intermediate und Produkte unter Verwendung der ausgewählten quantenchemischen Methode mit 29Si-NMR-Rechnungen begleitet werden. Hierbei wurden auch Vergleichsdaten von nicht literaturbekannten 29Si-NMR Verschiebungen erstellt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit der Entwicklung, Synthese und
Charakterisierung neuartiger redoxaktiver Liganden und deren Metallkomplexen. Basierend
auf dem para- und ortho-Hydrochinon / Benzochinon-Redoxsystem wurden 13 neue
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden (28 – 36 und 67 – 70; Schema 47) synthetisiert und
vollständig charakterisiert. Ein Schwerpunkt lag auf der Einführung von Substituenten am
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Donor, um deren Einfluss auf das N,N′-Koordinationsverhalten
gegenüber Metallionen zu untersuchen. In Analogie zu den klassichen Skorpionaten sind
Substituenten in Position 3 der Pyrazolringe in der Lage, koordinativ ungesättigte
Metallzentren kinetisch zu stabilisieren, was für potentielle Anwendungen in der Katalyse
essentiell ist. Bei den ortho-chinoiden Liganden (67 – 70; Schema 47) erfüllt die redoxaktive
Gruppe eine zweite Funktion, nämlich als Chelatdonor gegenüber Metallzentren, was die
Synthese und Untersuchung (hetero-)dinuklearer Komplexe erlaubt.
Schema 47: In dieser Arbeit synthetisierte und charakterisierte redoxaktive Bis(pyrazol-1-yl)methan-
Liganden.
Die kristallographische Charakterisierung von 10 dieser Liganden (28 – 33, 67 – 70) zeigte
größtenteils sehr ähnliche strukturelle Parameter. Ein steigender sterischer Anspruch der
Substituenten am Bis(pyrazol-1-yl)methan führte zu einer leichten Streckung der
Chinon–Bis(pyrazol-1-yl)methan-Bindung und zu kurzen Kontakten zwischen Substituenten
am zentralen Methin-Kohlenstoffatom und den ipso- (HQ-C1) bzw. ortho-Kohlenstoffatomen
(HQ-C2) am sechsgliedrigen Ring. Diese kurzen Kontakte spielten in der oxidativen
Demethylierung von 32 eine Rolle. Während alle anderen para-chinoiden Liganden mit
Cerammoniumnitrat (CAN) zu den erwarteten para-Benzochinon-Derivaten reagierten
(Schema 48), wurde im Zuge der Oxidation von 32 ein zusätzliches Sauerstoffatom am
sechsgliedrigen Ring eingeführt (47; Schema 48). Im Gegenzug wurde die sterisch am
stärksten abgeschirmte Methoxygruppe nicht oxidativ demethyliert. Letztendlich konnte
gezeigt werden, dass (i) das neu eingeführte Sauerstoffatom von atmosphärischem Sauerstoff
stammt und (ii) alle fünf Methylgruppen und beide Methoxygruppen in 32 für die Oxidation
essentiell sind.
Zusammenfassung
72
Schema 48: Oxidation der para-chinoiden Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden mit CAN.
Die Cyclovoltammogramme der ortho-chinoiden Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden
(untersucht am Beispiel von 67, 68 und 70) zeigten irreversible Redoxwellen, da im Zuge der
Oxidation OH-Protonen abgespalten wurden; die Redoxpotentiale liegen in einem mit
chemischen Oxidationsmitteln gut zugänglichen Bereich. 70 wurde von CAN erfolgreich
oxidiert, das Produkt 71 zersetzte sich unter den Reaktionsbedingungen allerdings sehr
schnell und konnte nicht isoliert, sondern lediglich als Additionsprodukt von 4-tert-
Butylpyridin abgefangen werden. Unter optimierten Reaktionsbedingungen und mit DDQ als
Oxidationsmittel ließen sich 70 und 68 in ihre oxidierte Form überführen und in Reinform
gewinnen. Die für ortho-Benzochinone typische Neigung zur Zersetzung wurde auch bei 71
und 73 beobachtet, wobei letzteres sich wesentlich schneller zersetzte (innerhalb von
Stunden) als 71 (innerhalb eines Tages).
Abb. 36: N,N′-Cobalt- und Palladium-Komplexe 59, 60, 74 und 75.
Die Koordinationschemie repräsentativer Vertreter der 13 redoxaktiven Bis(pyrazol-1-
yl)methan-Liganden wurde untersucht. Bereits der sterisch nur mäßig anspruchsvolle parachinoide
Ligand 29 ist in der Lage, koordinativ ungesättigte CoII-Ionen kinetisch gegenüber
der Bildung von 1:2 Komplexen zu stabilisieren. Im Festkörper liegen ausschließlich
Verbindungen mit einer 1:1 Zusammensetzung von Ligand zu CoII vor (59 und 60; Abb. 36).
In Lösung scheinen hingegen Gleichgewichte zu existieren, in denen auch die koordinativ
abgesättigten oktaedrischen 2:1 Komplexe auftreten. Die ortho-chinoiden Liganden 67 und 68
bildeten selektiv entsprechende N,N′-koordinierte PdCl2-Komplexe, ohne dass das ortho-
Hydrochinonat (Catecholat) als konkurrierender O,O′-Donor wirkte (74 und 75).
Zusammenfassung
73
Es zeigte sich jedoch auch, dass sterisch sehr anspruchsvolle Substituenten am
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Fragment in Reaktionen mit Übergangsmetallen zu einer Zersetzung
des Ligandengerüsts führen können. So reagierte der para-chinoide tert-Butyl-substituierte
Ligand 31 mit [Co(NO3)2] zu [(HpztBu,H)2Co(NO3)2] (63). Eine analoge Zersetzung zu trans-
[(HpzR,H)2PdCl2] (76: R = Ph und 77: R = tBu) wurde nach der Reaktion der ortho-chinoiden
Liganden 69 bzw. 70 mit [PdCl2]-Quellen beobachtet.
Schema 49: Synthese von O,O′-Koordinationskomplexen der ortho-chinoiden Bis(pyrazol-1-
yl)methan-Liganden 68, 69 und 70.
Die ortho-chinoiden Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden (67 – 70) besitzen mit ihrem
Catecholat-O,O′-Donor eine zweite Koordinationsstelle, was diese Liganden für die Synthese
von dinuklearen Komplexen interessant macht. Da gezeigt werden konnte, dass [PdCl2]
selektiv an den Bis(pyrazol-1-yl)methan-Donor koordiniert (vgl. 59, 60, 74 und 75; Abb. 36),
galt es als nächstes zu evaluieren, ob eine ähnlich selektive Bindung anderer Metallionen an
den O,O′-Donor möglich ist.
Abb. 37: Molekulare Strukturen ausgewählter O,O′-Koordinationskomplexe ortho-chinoider
Bis(pyrazol-1-yl)methan-Komplexe 82 (links), 83 (Mitte) und 85 (rechts).
In der Tat konnten in sehr guten Ausbeuten O,O′-gebundene [(p-cym)Ru]-, [(Phpy)2Ir]-
und [(Cp*)Ir]-Komplexe ausgewählter redoxaktiver ortho-chinoider Liganden dargestellt
werden. Vorteilhaft war die Verwendung der kristallinen, nicht-flüchtigen Base TlOtBu zum
Abfangen der im Zuge der Komplexierung freiwerdenden Protonen (Schema 49, Abb. 37).
Die Eliminierung von TlCl sorgt für eine irreversible Reaktion zu den entsprechenden
Zusammenfassung
74
Komplexen. Besonders interessant ist die Koordinationschemie des Liganden 68 im chiralen,
anionischen IrIII-Komplex 83 (Abb. 37 Mitte), der in der Synthese als Thallium-Salz anfiel
und im Festkörper TlI-verbrückte Dimere bildete.
Eine elektrochemische Charakterisierung wurde mit 85 durchgeführt. Wie erwartet, zeigte
der komplexierte Bis(dimethylpyrazol-1-yl)methan-Ligand im Gegensatz zu freiem 68 eine
reversible Oxidationswelle. Die Potentialdifferenz zwischen Liganden-Oxidation und Iridium-
Reduktion beträgt fast 2 V, was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass sich 68 als
unschuldiger Ligand verhält und man Iridium zweifelsfrei die Oxidationsstufe +III zuweisen
kann. Mit Komplexen von 68 und leichter reduzierbaren Übergangsmetallen sollte es
hingegen möglich sein, in den Bereich des nicht-unschuldigen Verhaltens vorzudringen und
z.B. Valenz-Tautomerie zu beobachten.
Mit effizienten Synthesewegen zu N,N′-Komplexen einerseits (74 und 75; Abb. 36) und
O,O′-Komplexen andererseits (u.a. 83 und 85; Abb. 37) wurde als nächstes ein heterodinuklearer
Komplex synthetisiert (87; Schema 50). 68 erwies sich als am besten geeigneter
Ligand, da er, wie bereits erwähnt, eine gute Löslichkeit bei moderatem sterischen Anspruch
besitzt und der N,N′-Donor auch in Gegenwart von Lewis-sauren Metallionen beständig ist.
Die Wannenform des Bis(pyrazol-1-yl)methan-PdII-Chelatrings in 87 bringt das Palladium-
Ion in räumliche Nähe zum ortho-Hydrochinonat π-System. In früheren Studien dieser
Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass ein solches Arrangement Elektronenübertragungen
zwischen dem Chinon und dem koordinierten Palladium-Zentrum erlaubt.
Durch die direkte konjugative Wechselwirkung des zweiten Metallzentrums (IrIII) mit der
redoxaktiven Gruppe über die Sauerstoffatome in 87 sollte eine effektive elektronische
Ligand ↔ Metall- und Metall ↔ Metall-Kommunikation möglich sein. Die elektrochemische
Charakterisierung zeigte allerdings, dass im vorliegenden Fall die Potentiale der drei
Komponenten Chinon / PdII / IrIII mit jeweils ca. einem Volt zu weit auseinander liegen.
Schema 50: Synthese eines hetero-dinuklearen IrIII/PdII-Komplexes.
Im letzten Teilgebiet dieser Arbeit wurde die Eignung der ortho-chinoiden Liganden 67
und 70 für den Aufbau höhermolekularer Koordinationsverbindungen und oligonuklearer
Aggregate untersucht.
Zusammenfassung
75
Schema 51: Synthese der oktaedrischen Komplexliganden 89 – 96.
Dafür wurden Komplexliganden synthetisiert, die aus einem Zentralmetall bestehen, das
oktaedrisch von je drei O,O′-koordinierenden Liganden 67 bzw. 70 umgeben ist (Schema 51).
Mit den freien Bis(pyrazol-1-yl)methan-Donorgruppen vermag jeder dieser Komplexliganden
drei weitere Metallzentren zu koordinieren. Derartige Verbindungen könnten aufgrund ihrer
dreidimensionalen Struktur z.B. Anwendung im Aufbau von redoxaktiven metallorganischen
Netzwerken oder elektrisch leitfähigen Koordinationspolymeren finden. Als Zentralmetalle
dienten FeIII- und AlIII-Ionen; erstere, weil sie selbst redoxaktiv sind, und letztere, weil sie
eine im Vergleich zu FeIII ähnliche Koordinationschemie besitzen, aber wegen ihres
Diamagnetismus‘ eine NMR-spektroskopische Charakterisierung ermöglichen. Je nach
verwendeter Base wurden die dreifach anionischen Komplexliganden als Lithium- bzw.
Thallium-Salze isoliert. Die NMR-Spektren von 89, 90, 93 und 94 zeigten jeweils nur einen
Signalsatz, obwohl sich, bedingt durch die Asymmetrie des Liganden und die Chiralität des
oktaedrischen Metallzentrums, fac- und mer-Isomere bilden können. Es konnte nicht
abschließend geklärt werden, ob sich exklusiv das höhersymmetrische fac-Isomer bildet, oder
ob ein Mechanismus aktiv ist, der alle Isomere auf der NMR-Zeitskala schnell ineinander
überführt, sodass die Gegenwart lediglich einer Spezies vorgetäuscht wird. In
elektrochemischen Untersuchungen zeigten die Komplexliganden mehrere irreversible
Oxidationswellen. Ob dieses Verhalten auf eine intramolekulare Kommunikation der
einzelnen redoxaktiven Gruppen zurückzuführen ist, müssen weitergehende Studien zeigen.
Als prinzipieller Beleg für die präparative Anwendbarkeit der Komplexliganden und
Grundlage für die Untersuchung der Koordinationschemie der oktaedrischen
Komplexliganden, wurden PdII-Komplexe von 89 und 93 synthetisiert.
Die moderne Hauptgruppenchemie ermöglicht es Siliciumverbindungen in unterschiedlichen Oxidationsstufen und mit ungewöhnlichen Koordinations- umgebungen zu realisieren: Silane, Silylene, Disilene, Disiline und molekularer Sand (SiO2) können soweit stabilisiert werden, dass eine Charakterisierung gelingt. Ein Verständnis für die Eigenschaften und Reaktivitäten dieser Verbindungen eröffnet Perspektiven zur gezielten Synthese verschiedener Siliciumverbindungen. Industriell sind im wesentlichen zwei Substanzklassen interessant: Perchlorierte Silane, die als Vorstufen für die Abscheidung elementaren Siliciums als Halbleitermaterial Verwendung finden und Organo(Chlor)silane, die wichtige Bausteine für den Aufbau von Silikonen und für Hydrosilylierungsreaktionen darstellen. Im Rahmen dieser Dissertationsschrift wurden mittels quantenchemischer Rechnungen Schlüssel-intermediate für den Aufbau solcher Verbindungen identifiziert und durch Einblicke in den Reaktionsmechanismus das Fundament für ein tiefergehendes Verständnis der dynamischen kovalenten Chemie der Oligosilane gelegt. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit den experimentellen Arbeitsgruppen von Prof. Wagner und Prof. Auner.
Im ersten Teil dieser Arbeit wurde die Hochtemperatur-Komproportionierungsreaktion von gasförmigem Siliciumtetrachlorid und elementarem Silicium untersucht (Chem. Eur. J. 2017, 23, 12399). In einer Gasphasenreaktion entsteht dabei ein perchloriertes Polysilan (PCS) unbekannter Zusammensetzung. Im Ergebnis konnten wir zeigen, dass PCS eine komplexe Mischung verschiedener molekularer perchlorierter Silane darstellt, von denen lediglich cyc-Si5Cl10 experimentell eindeutig charakterisiert werden kann. Ausgehend von Dichlorsilylen als reaktive Spezies in der Gasphase zeigten DFT-Berechnungen, dass durch Silylendimerisierung, Silyleninsertion und eine Reihe von Isomerisierungsreaktionen der Aufbau cyclischer Perchlorsilane mit unterschiedlichem Silylierungsgrad gegenüber dem entsprechenden Aufbau acyclischer Perchlorsilane aus nicht umgesetzten Siliciumtetrachlorid bevorzugt stattfindet. PCS liefert ein 29Si-NMR- Spektrum mit einer verwirrenden Vielzahl verschiedener Signale, die auch anhand quantenchemisch berechneter 29Si-NMR-chemischer Verschiebungen nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Dennoch war eine Einteilung der berechneten Verschiebungen in Bereiche möglich, in denen Verschiebungen für Siliciumatome cyclischer und acyclischer Perchlorsilane mit einer bestimmten formalen Oxidationsstufe zu erwarten sind.
Weiterhin wurde der Chlorid-induzierte Aufbau perchlorierter Silane aus Si2Cl6 untersucht: Der Bildungsmechanismus für die durch Tillmann röntgen- kristallographisch charakterisierten perchlorierten Silikate und dianionischen (silylsubstituierten) Cyclohexasilane wurde in einer DFT-Studie untersucht und Schlüsselintermediate sowie stabile Zwischenstufen identifiziert (Chem. Eur. J. 2014, 20, 9234). Wir konnten zeigen, dass SiCl3– als reaktives Intermediat für die Si–Si Bindungsknüpfung verantwortlich ist. Die experimentell nachgewiesenen Silikate sind, mit einer Ausnahme für die ein anderes Konformer gefunden wurde, identisch mit den theoretisch vorhergesagten lokalen Minima. Sie entstehen durch eine Reihe von reversiblen Additions- und Isomerisierungsreaktionen. Dabei sind die acyclischen Silikate über Gleichgewichtsreaktionen miteinander verknüpft, wobei die berechneten Aktivierungsbarrieren für die Rückreaktion immer etwas höher sind als die Barrieren für den nächsten Aufbauschritt. Im Rahmen dieser Gleichgewichtsreaktionen entsteht nicht nur SiCl3–, sondern es können auch höhere Silanide eliminiert werden, die ab einer Größe von drei Siliciumatomen zu Cyclohexasilanen dimerisieren. Mit der head- to-tail Dimerisierung des bevorzugt gebildeten Silanids erklärt sich zwanglos das Substitutionsmuster aller röntgenkristallographisch charakterisierten zweifach silylsubstituierten Cyclohexasilane. Weiterhin ist es gelungen, den Reaktions- mechanismus für den Chlorid-induzierten Aufbau des dianionischen inversen Sandwichkomplexes [Si6Cl12*2Cl]2– aus HSiCl3 aufzuklären, in dem ebenfalls SiCl3– das Schlüsselintermediat darstellt. Letzteres entsteht durch die Eliminierung von HCl aus dem Chloridaddukt von HSiCl3. Der Reaktionsmechanismus beinhaltet Chlorid- abstraktionen, Hydridabstraktionen, Deprotonierungen, Silanid-Additionen, sowie Silanid-Eliminierungen, die nahezu gleichberechtigt nebeneinander vorkommen. Alle identifizierten Reaktionsschritte münden immer wieder in die Pfade, die bereits für den Aufbau aus Si2Cl6 gefunden wurden.
...
Elektronentransferprozesse in Pd-Komplexen 1,4-Chinon-basierter Bis(pyrazol-1-yl)methan-Liganden
(2009)
PdII-katalysierte Oxidationsreaktionen organischer Verbindungen stellen wichtige synthetische Werkzeuge dar. Um das Übergangsmetall in katalytischen Mengen einsetzen zu können ist es nötig, das im Zuge der Substratumwandlung entstehende Pd0 seinerseits wieder zu reoxidieren. Im großtechnischen Wacker-Prozess setzt man zu diesem Zweck das Redoxsystem CuII/CuI ein, welches Elektronen von Pd0 aufnimmt und sie auf molekularen Sauerstoff überträgt, so dass als einziges Abfallprodukt Wasser entsteht. Da beim Einsatz von Kupfersalzen allerdings Probleme durch unerwünschte Nebenreaktionen auftreten können, stieß man auf der Suche nach alternativen Redox-Cokatalysatoren auf 1,4-Benzochinon. Man nimmt an, dass der Reoxidation von Pd0 eine Koordination des 1,4-Benzochinons an das Übergangsmetallatom vorausgeht. Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Arbeit ein 1,4-Naphthochinon-basierter Bis(pyrazol-1-yl)methan-Ligand entwickelt, dessen Pd-Komplex das katalytisch aktive Übergangsmetallatom und den Redox-Cokatalysator in einem einzigen Molekül vereint. Eine direkte intra- und intermolekulare 1,4-Chinon/Pd-Koordination wird durch das Ligandendesign jedoch verhindert. Anhand dieses Modellsystems sollte dann untersucht werden, ob alternativ zu den etablierten mechanistischen Vorstellungen zum Ablauf des Elektronentransfers, eine durch den Raum verlaufende elektronische Kommunikation der beiden redoxaktiven Zentren möglich ist. Sollte das der Fall sein, wäre man künftig bei der Entwicklung und Optimierung solcher Hybridkatalysatoren nicht auf die Miteinbeziehung des 1,4-Chinons in die Koordinationssphäre des Übergangsmetallions angewiesen, sondern könnte diese ausschließlich an die koordinationschemischen Erfordernisse des Pd-Zentrums anpassen. Nachdem das Modellsystem zur Verfügung stand, galt es im ersten Schritt, die elektrochemischen Eigenschaften von freiem Ligand und PdII-Komplex mittels Cyclovoltammetrie zu bestimmen. Mit Kenntnis der Redoxpotentiale wurden daraufhin elektrochemisch selektiv reduzierte Spezies des Liganden bzw. seines PdII-Komplexes erzeugt und deren UV-vis-Spektren in situ aufgenommen. Letztere lieferten nötige Referenzwerte für die folgenden Experimente. Auf Grundlage dieser Vorarbeiten konnte nun die elektronische Kommunikation der redoxaktiven Zentren in dem Komplex untersucht werden. Da im Modellsystem zunächst beide redoxaktive Zentren in der oxidierten Form vorliegen, war es erforderlich, das PdII-Ion selektiv zu reduzieren, um dem System an der richtigen Stelle Elektronen zuzuführen. Als Reduktionsmittel wurde Triethylamin gewählt; entsprechende Vergleichsexperimente stellten zuvor sicher, dass dieses keine Nebenreaktionen mit dem Liganden selbst eingeht. Im Zuge der Reduktion des PdII-Zentrums ist eine Änderung der UV-vis-spektroskopischen Eigenschaften des Liganden zu beobachten. Ein Vergleich der erhaltenen Daten mit den Referenzspektren der elektrochemisch erzeugten reduzierten Spezies legt den Schluss nahe, dass nach Überführung des PdII-Zentrums in die nullwertige Stufe der durch den Raum verlaufende Übergang eines Elektrons auf den 1,4-Naphthochinon-basierten Liganden erfolgt. Das hierbei entstehende 1,4-Naphthosemichinonradikal wurde zusätzlich ESR-spektroskopisch nachgewiesen.
Die eingereichte Dissertation liefert fundamentale Erkenntnisse zur Chemie nucleophiler Borzentren, die unter B•B-, B–B- und B=B-Bindungsbildungen reagieren. Zusammen mit den aufgedeckten Prinzipien zu (e–)-induzierten Umlagerungen des 9-Borafluorengrundgerüsts und Übertragungen von Hydridionen liegt nun ein umfassendes mechanistisches Wissen vor, das die effiziente Synthese neuartiger Moleküle ermöglicht. Im Folgenden ist eine Übersicht über bearbeitete Teilprojekte gegeben.
Durch Reduktion des Bis(9-borafluorenyl)methans 7 wurde über [7•]– (B•B-Einelektron-Zweizentrenbindung) und [7]2– (B–B-Zweielektronen-Zweizentrenbindung) das Tetraanion [7]4– dargestellt, das bei Zugabe von Elektrophilen unter Oxidation reagiert.
Die Injektion von Elektronen in das B(µ-H)2B dotierte Dibenzo[g,p]chrysen 12 führt in Abhängigkeit der Natur und der Stöchiometrie des eingesetzten Reduktionsmittels zu unterschiedlichen Hauptprodukten (bordotierte Dibenzo[g,p]chrysen- oder 9,9‘-Bifluorenylgrundkörper) mit verschiedenen Bindungsmodi (B–B-, B=B- oder (µ-H)B-B-Bindungen), deren Entstehung mechanistisch über Gerüstumlagerungen und Hydridübertragungen dargelegt wurde.
Durch die Zugabe etherischer HCl kann die B=B-Bindung in [37]2– quantitativ zu [116]– [(µ-H)B–B] oder 12 (B(µ-H)2B) protoniert werden. Umgekehrt lässt sich das scheinbar hydridische Diboran 12 durch sterisch anspruchsvolle Basen selektiv zu [116]– deprotonieren. Die kleine Base H3CLi führt neben der Deprotonierung von 12 auch zu einem Bis(9-borafluorenyl)methan, das ein verbrückendes Hydridion trägt ([125]–). Der Mechanismus wurde detailliert untersucht (z. B. wurde eine C–H-Aktivierung aufgeklärt), was u. a. genutzt werden konnte, um einen atomökonomischen Pfad von [37]2– zu [125]– zu etablieren.
Die Intermediate [132Cn,X]– (formale Addukte eines 9-Borafluorenyl-Anions an borständig substituierte 9-Borafluorene), gebildet durch die Zugabe von Halogenalkanen zu [37]2–, reagieren in Abhängigkeit der borständigen Alkylkette unter: (i) intramolekularer C–H-Aktivierung, (ii) intramolekularer Substitutionen oder (iii) intermolekularer Substitution.
Die Reduktion des 9-Borafluorens 6∙THF mit Lithium erzeugt das B=B-gebundene Dibenzo[g,p]chrysen-Dianion [37]2–, das 9-Borafluoren-Dianion [6]2–, das 9,9-Dihydroboratafluoren [34]– und das tetraanionische Bis(9-borafluorenyl) [146]4–.
Das 9-Borafluoren-Dianion [6]2–, das durch Reduktion von 6∙THF bei –78 °C mit Alkalimetallen selektiv dargestellt wurde, reagiert als formales Nucleophil. Über eine Reaktionskaskade gelang die selektive Synthese unterschiedlicher Produkte, die bei der literaturbekannten Reduktion des unsymmetrischen 9-Borafluoren-Dimers (6)2 mit Lithium in Toluol in Gegenwart von Et3SiBr beschrieben wurden. Hierüber konnte u. a. die Bildung eines organischen Derivats von [B3H8]– erklärt werden.