Sammlung Hessen
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Größere oder auch mächtigere Moore hat es im Odenwald nie gegeben; die vorliegende Untersuchung bringt vegetations- und moorgeschichtliche Befunde von drei kleinen, rund 1-2 m mächtigen, nur wenige Kilometer voneinander entfernten Vermoorungen vom westlichen Randgebiet des Hinteren (des Sandstein-) Odenwaldes aus Höhen von 400 bis 500 m ü. NN. Ein viertes, in der Nähe gelegenes, schon vor Jahren beschriebenes Moor von sehr ähnlichem Charakter und ähnlicher Entstehung, das Rote Wasser, wird teilweise nochmals mitberücksichtigt.
Alle vier Moore sind einander recht ähnlich: Nach den Pollenbefunden handelt es sich bei den in ihnen abgelagerten Torfen um sehr junge, nicht einmal ganz 1000 Jahre alte Bildungen (noch in größeren Tiefen Juglans und Castanea, weiter oben Fagopyrum); entstanden sind sie offenbar durch vermehrte Vernässung infolge mittelalterlicher bis frühneuzeitlicher Waldnutzung (beziehungsweise Übernutzung: Waldweide, vielleicht teilweise auch Streuwerbung oder Niederwaldnutzung). Vermehrte Oberflächenabflüsse müssen damals in den quelligen, allseitige Zuflüsse erhaltenden obersten Teilen der Bachtäler zur Entstehung von Vermoorungen auf schwach geneigten Strecken oder in Hangmulden geführt haben, demgemäß sind die Torfe fast durchweg mit gewissen Anteilen von Schluff oder Feinsand durchsetzt.
Die Pflanzendecke scheint, nach den Makrofossilien im Torf zu urteilen, während der Torfablagerungszeit arm an eigentlichen Moorpflanzen gewesen zu sein; die Hauptrolle spielen unter den Pflanzenresten in größeren Profilteilen die Samen von Juncus- Arten. Lediglich in den jüngsten Phasen der Moorbildung ist es, bei zunehmender (ob auch nutzungsbedingter?) Verarmung der ohnehin basenarmen Buntsandsteinböden, zur Ansiedlung von Moor-Sphagnen und anderen Moorpflanzen gekommen.
Die Ergebnisse der Pollenanalysen werden beispielhaft für eines der drei untersuchten Profile in Form einer Tabelle vorgestellt. Für dasselbe Profil gibt eine weitere Tabelle die Makrofossilbefunde wieder, die, ergänzt um offensichtlich örtliche Pollenfunde, eine Vorstellung von der lokalen Moorentwicklung liefert.
Die etwas größeren von den wenigen, ursprünglich im Odenwald vorhanden gewesenen Moorflächen sind bereits vor etwa 150 Jahren durch Torfstich vernichtet worden, und weitere Flächen wurden in jüngerer Zeit teils durch Wassergewinnung für die örtliche Wasserversorgung, teils durch forstliche oder landwirtschaftliche Entwässerungen stark beeinträchtigt. Trotzdem haben sich in den Pflanzenbeständen des Untersuchungsgebiets noch einige örtlich bemerkenswerte Relikte von Moorpflanzen bis in unsere Tage erhalten. Ein einigermaßen reichhaltiges Spektrum von Sphagnen, das noch für die Zeit vor 110 bis 120 Jahren für das Gebiet belegt ist, existiert bis heute ebenfalls noch in Resten, vor allem im Naturschutzgebiet Rotes Wasser.
Moorprofile von zwei sehr kleinen, heute nicht mehr von Moorvegetation bedeckten Vermoorungen des kristallinen Odenwaldes wurden pollenanalytisch sowie auf die in ihnen enthaltenen größeren Pflanzenreste untersucht. In jedem von ihnen waren weit über 50 Taxa von meist bis zur Art bestimmbaren pflanzlichen Großresten ("Makrofossilien") nachzuweisen. Die Befunde liefern eine Vorstellung von den torfbildenden Pflanzengemeinschaften der Vergangenheit und ihren langfristigen ("säkularen") Sukzessionen.
Überwiegend handelte es sich bei den Ablagerungen um teils reine, teils mit mineralischem Erosionsmaterial durchsetzte Torfe. Die in ihnen enthaltenen Makrofossilien entstammten vor allem den früher an Ort und Stelle gewachsenen Pflanzenbeständen, jedoch gab es auch eingeschwemmte Pflanzenreste. Als Deckschicht sowie in den untersten Lagen kamen auch ziemlich reine Schwemmlehme (erodierter Löß oder Lößlehm) vor. Die Pollenanalysen ergaben, daß die Torfablagerung wohl erst gegen 1000 nach Christus begonnen hat. Nach den Makrofossilbefunden hat es sich bei der torfbildenden Moorvegetation um Kleinseggengesellschaften gehandelt, teilweise mit reichlichen und artenreichen Moosvorkommen, teilweise ohne höhere Moosanteile. Bäume oder Sträucher sind in diesen Gesellschaften kaum vorhanden gewesen, teilweise sicherlich aus standörtlichen Gründen, aber teilweise wohl auch wegen landwirtschaftlicher Nutzung. Holzreste, als Hinweise auf örtliche Gehölzvorkommen, wurden praktisch nur in den Schwemmlehmen der Basisproben beider Profile angetroffen.
Floristisch bemerkenswert ist das teilweise reichliche Vorkommen fossiler Reste von Carex diandra und Carex limosa sowie Meesia triquetra und Homalothecium nitens (= Tomenthypnum nitens), Arten, von denen keine rezenten Funde aus dem Odenwald bekannt sind.
Von den Wintergrün-Kiefemwäldem (Pyrolo-Pinetum), die um 1950 auf kalkreichen Flugsanden südlich von Darmstadt noch ausgedehnte Bereiche eingenommen haben, sind heute nur noch auf recht begrenzten Flächen Relikte erhalten geblieben. Die Ursache für diesen Rückgang liegt vor allem in der vor 25 bis 50 Jahren praktizierten großflächigen Laubholzunterbauung älterer Kiefembestände, wodurch sich die Lebensbedingungen der Krautschicht inzwischen schwerwiegend verändert haben. In derselben Richtung wirkt sich jetzt auch die zunehmende Ausbreitung von Brombeere und Himbeere aus, die in jüngerer Zeit durch den starken Stickstoffeintrag aus der Luft offenbar stark begünstigt worden sind. Trotzdem gibt es, wie die großmaßstäbliche floristische Kartierung einer 5 ha großen Teilfläche ergab, im Gebiet noch immer bemerkenswerte Vorkommen von zahlreichen charakteristischen Pflanzenarten, die sich offensichtlich auch in benachbarte jüngere, nicht unterbaute Kiefembestände ausbreiten. Daraus ergibt sich die dringende Forderung, nun endlich, gleichsam in letzter Minute, wirksame Naturschutzmaßnahmen einzuleiten, nachdem entsprechende Ansätze vor 6-8 Jahren an verschiedenen Widerständen gescheitert waren.
Als Naturwaldreservate bezeichnet man naturnahe Bereiche innerhalb der Wirtschaftswälder, die aus der forstlichen Bewirtschaftung herausgenommen worden sind, so daß hier die Bestände sich ohne menschliche Eingriffe und nur entsprechend den gegebenen Standortsbedingungen (und im Gleichgewicht mit ihnen) zu natürlichen Waldgesellschaften weiterentwickeln können; dementsprechend hat man sie als "Urwälder von morgen" bezeichnet. Aus dem Ablauf und den Ergebnissen ihrer Entwicklung sind nicht nur pflanzensoziologische sondern auch wertvolle forstwissenschaftliche Erkenntnisse zu erwarten, die sicher auch für die waldbauliche Praxis einige Bedeutung haben werden. - Nachdem die Mehrzahl der bundesdeutschen Länder bereits solche Naturwaldreservate eingerichtet hat (ihre Zahl beläuft sich in der BRD zur Zeit auf mehr als 350), steht Hessen in dieser Hinsicht noch immerabseits. Das veranlaßte die Botanische Vereinigung für Naturschutz in Hessenzur Vorlage einer gemeinsam mit dem BUND erarbeiteten Denkschrift. die sichmit der ablehnenden Argumentation der hessischen Forstbehörden auseinander-setzt. Die Naturschutzverbände erwarten, daß die hessische Landesforstver-waltung nun bald mit der Ausweisung von Naturwaldreservaten beginnt.