Literatur zum Film
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Monterey Pop
(2010)
Der ästhetisch ambitionierte und kommerziell erfolgreiche Dylanfilm DONT LOOK BACK, den Pennebaker 1967 produziert hatte, machte die Produzenten des First International Monterey Pop Festivals auf den Dokumentaristen aus der Direct-Cinema-Gruppe um Robert Drew aufmerksam. Allerdings hatte er noch nie einen wirklichen Konzertfilm gemacht – in DONT LOOK BACK lag der thematische Schwerpunkt auf Dylan und nicht auf seiner Musik –, geschweige denn ein ganzes Festival verfilmt. In MONTEREY POP lässt Pennebaker die Interpreten die Geschichte des Festivals durch ihre Musik erzählen, ohne dass viele Worte verloren werden. Getreu seinem Filmstil vermied er erneut jegliche Erläuterungen übergeordneter Erzähler. Dennoch orientierte sich der Verlauf des Filmes an dem Festivalmitorganisator John Philipps und seinen Mamas and Papas als Headliner des Festivals. Eigentlich waren Pennebakers Aufnahmen für ein TV-Special konzipiert. Festival-Co-Produzent Lou Adler zufolge erkannte Pennebaker jedoch mehr in dem Material, ging darum schon in der Planung über den ursprünglichen Rahmen hinaus.
Ohne Film wäre die Geschichte der Rockmusik zweifellos eine andere geworden, als die, die sich uns heute im Rückblick darstellt. Bereits die Geburtsstunde des Rock‘n‘Roll, die Premiere des amerikanischen Films SAAT DER GEWALT (BLACKBOARD JUNGLE, USA 1955), weist dem Zweckbündnis von jugendorientiertem Musikmarkt und Filmgeschäft den Weg. Die Titelmusik des Films, Bill Haleys Rock Around the Clock, wurde durch den Film zum Hit und machte zugleich den Film zu einem Kassenschlager beim jugendlichen Publikum.
Live Aid
(2010)
“We just got the news that this concert is being shown on 95% of the televisions on earth” – der Schauspieler und Musiker Billy Connolly hätte korrekterweise sagen sollen, dass Live Aid auf mehr als 95% der weltweit installierten Fernsehgeräte hätte empfangen werden können. Selbst mit dieser Einschränkung handelt es sich bei dem Benefizkonzert-Spektakel aber immer noch um eine der bis dahin aufwendigsten und größten Liveübertragungen der TV-Geschichte.
Live fast, Love Hard, Die Young – es scheint fast so, als könnte dieses auf das Leben Jimi Hendrix' sicherlich zutreffende Leitmotiv auch dem vorliegenden Film metaphorisch vorangestellt werden. Denn der in zwei Abschnitte unterteilte Film erzählt in den ersten 22 Minuten in Interviewausschnitten aus Gesprächen mit diversen Zeitgenossen und ehemaligen Bandmitgliedern der Jimi Hendrix Experience (Mitch Mitchell und Noel Redding) den musikalischen Werdegang Hendrix’ bis zu seinem legendären Auftritt auf dem Monterey Pop Festival 1967 in rasanter Geschwindigkeit. Nur kurzer Stücke zu verschiedenen Themen werden hintereinandergeschnitten. Dabei erkennt man erst allmählich, dass die chronologische Reihenfolge der Themen auf das Festival hin zielt. Der zweite und längere Abschnitt des Films zeigt den gesamten Auftritt von Jimi Hendrix auf dem Monterey-Festival.
ONE NIGHT IN PARIS entstand am 9. und 10. Oktober 2001 im Palais Omnisport, Paris. Zwar wird nur der 10. Oktober als Aufnahmedatum angegeben, der Song It Doesn’t Matter Two, der im Film zu sehen ist, wurde jedoch nur am 9. Oktober gespielt und zeigt somit, dass Material von beiden Auftritten verwendet wurde. An den fast zweistündigen Konzertmitschnitt schließt sich umfangreiches Zusatzmaterial an, unter anderem Interviews und Hintergrundinformationen über die Vorbereitung und Umsetzung der Tour.
Die in THE FILTH AND THE FURY geschilderten Ereignisse um die Sex Pistols und die Punkszene im London der späten 1970er Jahre gehören mittlerweile zu den Standards der Popgeschichte – von ihrer Performance der Nummer 1-Single God Save the Queen (The Fascist Regime) auf einem Boot auf der Themse parallel zu den pompösen Feierlichkeiten des Krönungsjubiläum 1977, bis hin zum Tod der „No Future“-Ikone Sid Vicious und seiner Freundin Nancy Spungen in New York. Der Poptheoretiker Greil Marcus hat in seinem Buch Lipstick Traces detailliert die Verbindungen zwischen Punk und avantgardistischer Aktionskunst erläutert, und Jon Savage verfasste mit England´s Dreaming eine epische soziokulturelle Chronologie der Szene.
Don Alan Pennebaker
(2010)
Geboren am 15. Juli 1925, dreht der heute vierundachtzigjährige Don Alan Pennebaker, Sohn eines Fotografen, noch immer Filme. Nach seinem Militärdienst und einem Ingenieurstudium in Yale sowie am M.I.T in Cambridge arbeitete er in verschiedenen Berufen, bevor er auf Drew und Leacock stieß. Michael Barchet zufolge verdiente Pennebaker sein Geld zunächst als Werbetexter und entwickelte u.a. ein computergestütztes Buchungssystem für Fluglinien (Barchet 1991, 154). Inspiriert durch den Filmemacher Francis Thompson drehte Pennebaker mit Ende zwanzig mit DAYBREAK EXPRESS (1953) und BABY (1954) seine ersten Filme über die New Yorker U-Bahn und einen Zoobesuch mit seiner Tochter. Letzterer war eigentlich nichts anderes als ein Amateur-Familienfilm. Jedoch wurde ihm während des Schneidens bewusst, dass er nicht seinem Material eine Story aufdrängen, sondern dass er sich Story und Rhythmus später in der Montage aus sich selbst heraus entwickeln lassen sollte (Saunders 2007, 10).
Westernhagen – Keine Zeit
(2010)
Im Gespräch mit Liz Stubbs spricht Pennebaker mit der Finanzierung einen der zentralsten Produktionsfaktoren an. Als unabhängiger Filmemacher war er im Laufe seiner Karriere immer wieder gezwungen, hohe finanzielle Risiken einzugehen. Das Filmemachen ist teuer, erst recht, wenn mit Filmen wie THE WAR ROOM (1993) US-Präsidentschaftskandidaten begleitet werden und über längere Zeiträume viel Personal und Material eingesetzt werden muss. Laut eigener Aussage (Stubbs 2002, 48) macht Pennebaker nicht Filme, um viel Geld zu verdienen. Dennoch ist er natürlich auf finanzielle Mittel angewiesen, um die Filme auch beenden zu können und Kapital für weitere Projekte zu bekommen. Chris Hegedus stimmte im gleichen Gespräch zu und sagte, dass der Film mit Westernhagen ein großer Deal mit Warner Brothers gewesen sei, jedoch nicht in Amerika laufen könne, da er größtenteils in deutscher Sprache produziert wurde.
I’m D.A. Pennebaker and I – well I guess normally I would say I directed this film, but it’s hard to direct David Bowie in any thing. He kind of does what he wants to do and so you really watch him. My role as director is very questionable, but I did cause this film to be made, let’s say (Audiokommentar Pennebakers in ZIGGY STARDUST, 0:00:21). Dieses Zitat zur Begrüßung auf der Audiokommentarspur des Films drückt nicht nur die von Pennebaker immer wieder reklamierte Bescheidenheit des Filmemachers vor der Inszeniertheit des Rockkonzerts aus, sondern ist auch essenziell für das Verständnis der filmischen Umsetzung des letzten Ziggy-Stardust-Konzerts im Londoner Hammersmith Odeon am 3. Juli 1973. Sofort nach den zu Ziggy und dem Glamrock passenden Neon-Credits setzt die filmische Erzählung mit einer Backstage-Szene ein, in der sich der Musiker und Schauspieler David Bowie in seiner Garderobe in die Bühnenfigur „Ziggy Stardust“ verwandelt. Die
Some kind of monster
(2010)
Alle Rockumentaries stehen vor dem Problem, Formen zu finden, die dem, was der Film zeigt, einen Eigenwert über die reine Dokumentation hinaus geben. Stehen sie schon auf Grund der ökonomischen Einbindung der Filmarbeit einerseits vor der Aufgabe, die gezeigten Bands oder Künstler in möglichst gutem Licht erscheinen zu lassen und ihnen ein positives Image zu verleihen, sind sie immer mit der Gefahr konfrontiert, den am Ende werblichen Zweck allzu deutlich auszustellen. Eine kritische oder auch nur skeptische Distanz zum Gegenstand (eine Band zu porträtieren, ein Konzert oder eine Tournee zu dokumentieren etc.) scheint sich schon im Vorfeld der Filmarbeit zu verbieten.
Year of the Horse
(2010)
YEAR OF THE HORSE, eine Konzertdokumentation der Welttournee von Neil Young & Crazy Horse aus dem Jahre 1996, ist nach RUST NEVER SLEEPS (1979, Bernard Shakey [= Neil Young]), WELD (1990, unbekannter Regisseur), RAGGED GLORY (1991, Julien Temple) und THE COMPLEX SESSIONS (1995, Jonathan Demme) bereits der fünfte Film über die Band, sieht man von zwei mehr oder eher weniger bekannten Bootlegs (LIVE, o.J.; LIVE AT THE FILLMORE 1970, o.J.) einmal ab. Während der Titel die Tournee zum Album Broken Arrow von 1996 in den Vordergrund des Films zu stellen scheint und die Konzertaufnahmen einen großen Teil von YEAR OF THE HORSE einnehmen, geht es Jarmusch indessen jedoch um die Errichtung eines filmisches Monuments für eines von Neil Youngs langlebigsten Bandprojekten, wofür die gezeigten Konzerte in The Gorge (Washington, USA) und Vienne (Frankreich) nur Anlass und Auslöser sind. Zwischen Aufnahmen in Super 8, 16mm und Hi8 wird Archivmaterial aus den Jahren 1976 und 1986 geschnitten, so dass alle drei Dekaden, über die sich die Karriere von Crazy Horse zum Zeitpunkt des Films bereits spannte, im Film ihre Berücksichtigung finden.
Dass der britische Musikmanager Malcolm McLaren als Schöpfer der Sex Pistols gilt, einer der ersten Punk-Rock-Bands der Musikgeschichte, hängt wohl maßgeblich mit seiner übertrieben egozentrischen Selbstinszenierung zusammen. Sie findet ihren Höhepunkt in dem von McLaren angestoßenen Film THE GREAT ROCK‘N‘ROLL SWINDLE, der nicht die Band, sondern den Manager in den Mittelpunkt stellt. McLaren hatte Jahre zuvor schon einmal versucht, mit dem für provokante Low-Budget-Produktionen bekannten amerikanischen Regisseur Russ Meyer einen Film mit Musik der Sex Pistols zu drehen; der Film WHO KILLED BAMBI? scheiterte aber, als die Produktionsfirma 20th Century Fox Gelder verwehrte.
Viel Passiert – Der BAP-Film
(2010)
VIEL PASSIERT ist ein Film über Musik und Musiker, über Köln, Deutschland, Geschichte und Erinnerung. Es ist keine Dokumentation der Geschichte der Band BAP, es ist vielmehr eine subjektiv motivierte Hommage an den Band-Leader Wolfgang Niedecken und dessen kölsche Texte sowie an den ‚melancholischen Blick zurück’. Wenders kombiniert verschiedenste Filmbilder, die zusammen einen geschlossenen Raum aus Vergangenem und Gegenwart ergeben, verbunden durch Musik und Niedeckens Erinnerungen aus dem Off. Der Film ist auf mehreren Ebenen erzählt.
U2 3D
(2010)
Viele Rockumentaries haben das Ziel, nicht nur ein Konzert, ein Festival, eine Tournee oder eine Band zu porträtieren, sondern auch das Gefühl zu vermitteln, wie es war, dabeigewesen zu sein. Dazu lädt vor allem das anwesende Publikum ein, weshalb Bilder vom Publikum, die die emotionale Angerührtheit oder auch nur die Begeisterung der Fans zeigen, zu den Standardbildern fast aller Rockfilme zählen. Gleichwohl bleibt eine große Differenz zwischen Real-Geschehen und Film bestehen, so intensiv auch der Wunsch des Zuschauers sein mag, den Film als Medium eines imaginären Dabeigewesenseins zu nutzen. Die seit wenigen Jahren sich ausbreitende 3D-Kinematographie scheint zumindest auf den ersten Blick jenem Wunsch nach intensiver Illusionierung entgegenzukommen. Sie scheint ein räumliches Erlebnis zu ermöglichen, das dem Realeindruck näher kommt als die normale 2D-Darstellung. Natürlich gibt es schon diverse Filme, die in 3D gezeigt werden können, jedoch war die Aufnahmetechnik, besonders die Kamera, sehr teuer, sehr kompliziert und sehr groß. Eine Lösung für diese Probleme bietet die digitale Technik.
The Road to God Knows Where
(2010)
Gott, Tod, Leid, Drogen, Liebe, Wahnsinn – all das sind Motive, die in den Texten Nick Caves immer wieder erscheinen. Ihnen verdankt er sein düsteres, depressives Image, das ihn seit dreißig Jahren in allen Rollen begleitet, die er nicht nur als Musiker, sondern auch als Schauspieler und selbst als Schriftsteller in der Musik- und Filmlandschaft spielt. Musikalisch-stilistisch setzt Cave Ende der 1970er Jahre mit seiner Band The Boys Next Door, die sich später in The Birthday Party umbenennen, in der frühen Punkszene an. Mit zusätzlichen Elementen aus Rock und Blues und seiner einzigartigen Stimme hat er mit seiner 1984 gegründeten, bis heute bestehenden Band The Bad Seeds – benannt nach dem Film THE BAD SEED von Mervin LeRoy (1956) über ein Kind, das mordet – seine ganz eigene Richtung gefunden.
Total Balalaika Show
(2010)
„Welcome to an outrageous spectacle!“, verkündet eine charmante Ansagerin mit enormer Haartolle, wie sie nur die Stirn eines Leningrad Cowboy zieren kann. Das Musikerkollektiv hat die totale Show initiiert und dafür die 100 Sänger, 40 Musiker und 20 Tänzer des Alexandrov-Ensembles der Roten Armee der unlängst zerfallenen Sowjetunion auf Bühne geladen. 70.000 Zuschauer strömen vor die gewaltige Freilichtbühne ins historische Zentrum Helsinkis. Sie erwarte ein einmaliges Ereignis in der finnischen Rockgeschichte, so die Musiker - und ein Crossover: von Klassik und Rock, von „Old and New, East and West“.
„This film should be played loud!“ Der ungewöhnlich zwingende Appell in Form der direkten Zuschauer-Adressierung schwirrt noch vor Augen und hallt im Bewusstsein nach. Unter dem Schwarzbild sind Wortfetzen, teils unverständliche Regieanweisungen zu hören, die eine kurze, offen inszenierte Szene mit Rick Danko am Billardtisch vorbereiten. Doch hier ist der Bassist, Violinenspieler und Sänger kein musikalischer Virtuose, sondern nur ein nicht mehr ganz junger Mann von der Straße bei seinem Zeitvertreib. Cut und Zeitsprung.
MTV Unplugged
(2010)
Wenn ein Fernsehsender eine Konzertreihe als „Königsklasse der Musikwelt” ausgibt und einen Auftritt in ihr als „Ritterschlag” für jeden Künstler bezeichnet, neigt man dazu, diese Superlative als schamlose Prahlerei abzutun. Die Konzertreihe MTV UNPLUGGED, die im Videotext des Senders MTV mit ebendiesen Attributen beworben wird, kann auf eine mehr als zwanzigjährige Tradition zurückblicken, in deren Verlauf sich das Format nicht nur zur bekanntesten Konzertreihe der Fernsehgeschichte entwickelt hat, sondern unplugged auch zur Bezeichnung für Auftritte mit akustischen Instrumenten im allgemeinen wurde. Es war die Intimität des Auftritts, deren Eindruck sich bei den Konzerten einstellte, der die allgemeine Bekanntheit begründete.
NO DIRECTION HOME: Ein Titel, der bereits andeutet, dass es kein Zurück gibt. Entnommen ist der Titel einer Zeile des 1965 von Bob Dylan geschriebenen Songs Like a Rolling Stone, der im selben Jahr auf dem bis dahin sechsten Album Highway 61 Revisited erschienen ist. Er thematisiert den Abstieg von der upper class zum underdog und die damit einhergehende Ignoranz und Verachtung seitens der Gesellschaft. Dieser Song wurde 2004 vom Rolling Stone Magazine zum besten Rocksong aller Zeiten gewählt. Doch was hat dieser Song mit dem Werk Bob Dylans zu tun, zumal die einführenden Worte Dylans den konträren Standpunkt vertreten und suggerieren, dass der folgende Film die Reise nach Hause dokumentieren wird?
Come Hell or High Water
(2010)
„Es würde mehr Spaß machen, mit Saddam Hussein auf der Bühne zu stehen als mit Ian Gillan,“ erklärte Ritchie Blackmore nach seinem zweiten und endgültigen Abschied von Deep Purple im Jahr 1993. Die Spannungen zwischen dem Sänger Gillan und dem Gitarristen Blackmore sorgten immer wieder für Probleme in der Band, förderten gleichzeitig aber auch die Kreativität der Mark II genannten Besetzung Ian Gillan (Gesang), Ritchie Blackmore (Gitarre), Jon Lord (Orgel/Keyboard), Roger Glover (Bass) und Ian Paice (Schlagzeug), die von 1969 bis 1973, 1984 bis 1989 sowie 1992 bis 1993 gemeinsam aktiv war. Insgesamt existierten von der Bandgründung im Jahr 1968 bis heute zehn verschiedene Line-Ups, betitelt mit Mark I bis Mark X. Der größte Erfolg war dabei, gemessen an Platten- und Ticketverkäufen, stets Mark II beschieden. Auch die großen Hits der Band wie Highway Star, Perfect Strangers oder das weltbekannte Smoke On The Water stammen von dieser Besetzung, in anderen Konstellationen war die Gruppe verhältnismäßig unproduktiv.
Full Metal Village
(2010)
„What the hell is going on here?“ – diese programmatische Frage, die sich laut Clifford Geertz jeder stellen sollte, der ethnologisch verstehen und eine Kultur dicht beschreiben möchte, lässt sich in vielfacher Hinsicht als relevant für den Film FULL METAL VILLAGE und seine Analyse betrachten. Erstens ist anzunehmen, dass sich die Regisseurin Sung-Hyung Cho eine ähnliche Frage gestellt hat, als sie die Arbeit für ihr filmisches Porträt des schleswig-holsteinischen Dorfes Wacken, auf dessen Wiesen jedes Jahr das weltgrößte Heavy-Metal-Festival stattfindet, aufgenommen hat. Zweitens stellt sich diese Frage nahezu automatisch beim Schauen des Films, der durch seinen Titel (in der typischen Typografie der Namenszüge von Heavy-Metal-Bands) und dem damit assoziierten thematischen Hintergrund erst einmal als ein Rockumentary daher kommt, dann aber eine filmische (Sinn-)Welt entfaltet, in der es nahezu gar nicht um Musik geht. Drittens ist die Hölle – bei Geertz als Irritation anzeigende Metapher, die es aufzulösen gilt, zu verstehen – im weitesten Sinne jenes mit dem Heavy Metal verbundene Klischee, an dem sich die einzigen im Film geäußerten Einschätzungen zur Musik und ihren Fans abarbeiten. Was zur Hölle passiert nun also hier und wie passiert es und warum?
Der englische Ort Glastonbury: Vor hunderten von Jahren befand sich hier einer Legende nach das legendäre Avalon. 1970 initiierte Landwirt Michael Eavis dort das britische Pendant zu Woodstock. 2005 ist es zu einem Markennamen und einer hermetisch abgeriegelte Großveranstaltung mit 150.000 Besuchern geworden. Der Dokumentarfilm GLASTONBURY - THE MUD. THE MUSIC. THE MADNESS: Julian Temples Versuch, ein Festival nicht nur anhand eines exemplarisch gewählten Jahres abzubilden, sondern gleichzeitig auch seine Geschichte und Entwicklung nachzuzeichnen.
Devotional
(2010)
Ist der Zustand einer Band an der Inszenierung eines Konzertes respektive dessen filmischer Dokumentation erkennbar? Im Fall von Anton Corbijns DEVOTIONAL ja, denn der Film zeigt die englischen Pioniere des Synthie-Pops Depeche Mode einerseits auf dem Höhepunkt ihres musikalischen Schaffens, andererseits setzt er die Spannungen zwischen dem sichtbar vom Drogenkonsum gezeichneten Sänger Dave Gahan und dem Rest der Band eindrucksvoll in Szene. Ein Spiel mit Nähe und Distanz, von Annäherung und Entfremdung durchzieht den Film auf allen Ebenen und macht ihn zu einem künstlerischen Dokument des ostentativen musikalischen und visuellen Tanzes einer Band am Abgrund.
Ebenso wie sein Vorbild Martin Scorsese (THE LAST WALTZ, 1978; SHINE A LIGHT, 2008) drehte Fatih Akin mit CROSSING THE BRIDGE: THE SOUND OF ISTANBUL ein Rockumentary, das einen emotionalen Strudel erzeugt und den Zuschauer sehr nah ans Geschehen bringt. Anders aber als Scorsese, der in SHINE A LIGHT den Mythos „Rolling Stones“ feiert und somit sein Publikum sicher hat, begibt sich Akin auf eine Reise ins Unbekannte. Die Musikszene Istanbuls, die er porträtiert, ist für die meisten Europäer Neuland.
Die fremdsprachliche Spielfilmdidaktik geht der Frage nach, wie der Erwerb einer Sprache im Fremd-/Zweitsprachenunterricht durch den Einsatz von ganzen Spielfilmen oder von einzelnen Szenen und Sequenzen aus Spielfilmen gefördert werden kann. Sie formuliert entsprechende Lernziele, untersucht, ob bestimmte Filme für den fremdsprachlichen Unterricht geeignet sind, und entwickelt Lehrmaterialien mit Spielfilmen als zentralem Bestandteil.
Außerdem wird – bisher aber nur selten – die Wirkung des Filmeinsatzes auf die fremdsprachliche Kompetenz der Lernenden durch empirische Studien erforscht. Der eigentliche Beginn der fremdsprachlichen Spielfilmdidaktik lag in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts; die vorher erschienene Literatur beschäftigte sich fast ausschließlich mit der Verwendung von – zumeist speziell für den Unterricht produzierten – Kurzfilmen. Schrittmacher der fremdsprachlichen Spielfilmdidaktik war zunächst der Französischunterricht und dort vor allem der Literaturunterricht (Einsatz von Literaturverfilmungen).
Schon bald folgten jedoch Publikationen zu anderen Zielsprachen – vor allem zum Englisch-, Deutsch-als-Fremdsprache- und Spanischunterricht – sowie zu Filmen, die nicht auf literarischen Vorlagen basieren. Seitdem Spielfilme auf elektronischen Speichermedien (Videokassette und vor allem DVD/Blu-ray Disc) leicht verfügbar sind, ist die Zahl der einschlägigen Veröffentlichungen und der tatsächlich durchgeführten Unterrichtseinheiten deutlich angestiegen.
Naturgemäß geht es in den hier aufgelisteten Arbeiten in erster Linie um fremdsprachendidaktische Themenstellungen (z.B. Training des fremdsprachlichen Hör-Seh-Verstehens, Erwerb landeskundlicher Kenntnisse und interkulturelles Lernen, Förderung der fremdsprachlichen Sprech- und Schreibfertigkeit durch kreativ-produktive Auseinandersetzung mit den Filmen etc.), aber insbesondere in den Publikationen, die aus Deutschland stammen, wird häufig auch auf mediendidaktische Zielsetzungen (visual/ film literacy, Filmkompetenz) fokussiert. Diese Zielsetzungen sind seit einiger Zeit auch in etlichen deutschen Schullehrplänen verankert.
Full metal village
(2010)
Im schleswig-holsteinischen Dorf Wacken treffen einmal im Jahr für drei Tage mehr als 40.000 Heavy Metal Fans auf weniger als 1.800 Anwohner. Anlass ist das 1990 gegründete Wacken Open Air Festival (W:O:A), nach eigenem Bekunden das größte Metal-Open-Air-Festival der Welt. Dabei müssen kulturelle Differenzen und Konflikte zwischen Dorfbewohnern und Festivalbesuchern vorprogrammiert sein. Diesen Gedanken verfolgte anfangs auch die 1966 geborene koreanische Regisseurin von FULL METAL VILLAGE, Sung-Hyung Cho. Sie beschloss „aus Mangel an Alternativen“ (Cho), einen Dokumentarfilm zu drehen, der den Aufprall beider Welten darstellen sollte. Doch im weiteren Verlauf der Produktion änderte Cho ihr Konzept und es entstand ein Film, der es vermied, die Kontraste zu überspitzen, sondern der sich vielmehr auf die Dokumentation des Lebens der Dorfbewohner konzentriert – die das Festival fast ausnahmslos nicht als Einbruch einer fremden Subkultur wahrgenommen, sondern sich glänzend in die Durchführung und Realität des Festivals integriert haben.
Elvis: that's the way it is
(2010)
Elvis Presley ist sicher eine der eindrücklichsten Verkörperungen des 'American icon'. Von seinen frühen Aufnahmen für Sun Records angefangen wurde er zur Inkarnation einer prototypischen Jugendfigur der 1950er Jahre - seine Person, der oft kopierte Stil des Auftretens, seine erkennbare sexuelle Aggressivität markierten einen bis dahin unbekannten performativen Stil der Musikdarbietung. Presley gehörte unzweifelhaft zu den jugendlichen Rebellen der 1950er wie Marlon Brando und James Dean auch. Insgesamt 31 Filme und öffentliche Auftritte im Fernsehen schlossen sich an die Bilder der Frühzeit an, entwickelten es bis in die späten 1960er weiter; die provokanten Schärfen des Jugendbildes schliffen sich dabei aber ab, die Zeit der weltweiten Jugendunruhen relativierten und domestizierten es.
Die Musikindustrie hat mit den Jahren ihre Methoden, Musikstile und Bands maßgeschneidert in den Markt hinein zu produzieren, ja sogar Märkte künstlich zu produzieren, immer weiter verfeinert. Ebenso hat die Kritik an diesen Verfahren, Musikstile wie Moden in schnellem Wechsel aufeinander folgen zu lassen und dadurch Konsumbedürfnisse von Fans immer neu anzufachen, diese als 'synthetisch' verdammt - als stehe alledem ein 'natürliches' Prinzip gegenüber, nach dem sich neue Musikstile organisch aus den historischen und individuellen Erfahrungen von Musikern entwickelten.
Nach fünfjähriger Tourneepause kehrte David Bowie 1983 mit seiner 'Serious Moonlight World Tour' zurück, die der Veröffentlichung seines kommerziell hoch erfolgreichen Albums 'Let's Dance' folgte. Am 12.9.1983 führte die Tour ihn auch nach Vancouver, Kanada, wo er vor 15.000 Zuschauern im National Exhibition Coliseum auftrat. Der Sender HBO wurde damit beauftragt, einen Mitschnitt des Konzertes zu erstellen, der die besondere Live-Atmosphäre einfangen sollte. Resultat war eine zwanzig Songs umfassende VHS-Kassette, die 1984 erstmals auf den Markt kam und in der neuesten Überarbeitung seit 2006 als offizielle DVD vorliegt.
Geblendet, verwirrt, unbeachtet und trotzdem irgendwie begeistert - so werden sich viele Zuschauer nach dem Besuch des Pink Floyd-Konzertes am 20. Oktober 1994 in der Londoner Earl Court Arena gefühlt haben; und dasselbe Gefühl kommt auf, wenn man sich den daraus entstandenen Konzertmitschnitt P.U.L.S.E ansieht. Genau 30 Jahre nach der Bandgründung ist für Pink Floyd an diesem Abend Technik Trumpf, der Mensch steht in jeder Hinsicht im Hintergrund.
Die Dada-Bewegung entstand 1915 ungefähr gleichzeitig in Zürich aus der Gruppe von Literaten, Malern, Bildhauern um Hans Arp und in New York, angeführt durch Marcel Duchamp. Die Dadaisten versuchten, Anti-Kunst zu produzieren, sie stellten sich massiv gegen bürgerliche Konventionen in Gesellschaft, Geschmack und Kunst. Die Technik der Collage aus dem Kubismus wurde verbunden mit Strategien der Provokation und der Diffamierung der bürgerlich-idealistischen Kunst. Die Gruppe zerfiel anfangs der 1920er Jahre rasch, viele Dadaisten wandten sich dem Surrealismus zu. Die Bewegung lehnte sich insbesondere gegen die Konventionen der „bürgerlichen“ Kunst auf, polemisierte gegen den emotionsgeladenen Expressionismus und machte Kategorien wie Irrationalität und Kontingenz zur Programmatik einer nihilistischen Anti-Kunst. Mit ihren antireferentiellen und dekontextualisierenden Werken machten Dadaisten auf Sprach- und Gestaltungskonventionen aufmerksam, indem sie sie häufig ins Absurde führten. Beinahe sämtliche modernistischen Kunsttechniken (Collage, Assemblage, Aleatorik, Abstraktion, Integration indigener Kunst, Performance, Integration von Alltagsgegenständen und Populärkultur etc.) stammen aus der Dada-Bewegung.
Live after death
(2010)
LIVE AFTER DEATH begleitet Iron Maiden, eine der erfolgreichsten und dienstältesten Metalbands der Welt, auf ihrer World-Slavery-Tour 1984/85 zu ihrem gleichzeitig erschienenen fünften Studioalbum Powerslave. Für den Film wurde ein Konzert im März 1985 in der Long Beach Arena in Kalifornien ausgewählt. Hier spielte die Band an vier aufeinander folgenden Abenden vor insgesamt 52.000 Zuschauern. Zwei der Konzerte wurden filmisch dokumentiert, doch statt des eigentlich geplanten Zusammenschnittes wurde ein kompletter Auftritt als Film veröffentlicht.
Global Metal
(2010)
7 Countries, 3 Continents, 1 Tribe - die Ausgangshypothese des Films wird im Untertitel beschrieben. Dieser soll den fortschreitenden Globalisierungsprozess von Heavy Metal dokumentieren und dabei vor allem die Zusammengehörigkeit und die Ähnlichkeiten von allen metalheads weltweit dokumentieren. Diese These wirft allerdings die Frage auf, ob ein bestimmter Musikstil es schaffen kann, trotz aller rund um den Globus vorhandenen Kulturdifferenzen und der daraus resultierenden Probleme Menschen zu begeistern und einen prägenden Einfluss auf ihr Leben auszuüben, eine Frage, der mit einem wissenschaftlich anthropologischen Forschungsansatz auf den Grund zu gehen sich lohnen könnte. Dunn propagiert es zu Beginn des Films, daran an die fast soziologische Perspektive seines ersten Films METAL: A HEADBANGER‘S JOURNEY (Kanada 2005) anknüpfend.
1991 - The year Punk broke
(2010)
1991 begleitete der Regisseur Dave Markey die Bands Sonic Youth und Nirvana, damals noch eher unbekannte Underground-Bands, auf ihrer Tour durch Europa. Wer jetzt allerdings eine objektive Dokumentation erwartet, die intime Einblicke in das Bandleben und das Leben als Musiker gewährt, wird bei der Sichtung von 1991 – THE YEAR PUNK BROKE enttäuscht werden. Obwohl der Film dem Titel nach das Ende der Punk-Ära verkündet und somit versucht, sich in einen größeren Zusammenhang mit der Musikszene zu setzen, zeigt sich dies im Verlauf des Films eher als zufälliges Nebenprodukt denn als konkretes künstlerisches Anliegen. Der Film erweist sich eher als en passant bei einer Tournee entstandenes Nebenprodukt – man stecke ein paar überdrehte Rockmusiker zusammen und gebe ihnen eine Kamera; das Ergebnis veröffentliche man ein Jahr später (in diesem Fall 1992 auf VHS). Prinzipiell ließe sich durch eine solche Aufnahmeform ein durchaus authentisches Bild des Touralltags zeigen. Allerdings verfährt Markey nicht nach dem Prinzip des direct cinema, in dem die Kamera zum stillen Begleiter der Handlung wird. Die Kamera ist vielmehr immer präsent und lädt die Musiker zur Interaktion mit ihr ein. Beispielsweise begibt sich Thurston Moore, Frontman von Sonic Youth, mit einem Mikrofon bewaffnet auf die Suche nach hilflosen, gerne des Englischen nicht mächtigen Interviewpartnern und verwickelt sie in einigermaßen sinnlose Gespräche. Dass sich diese Szenen auch ohne Beisein der Kamera abgespielt hätten, ist zu bezweifeln.
Elvis : Aloha from Hawaii
(2010)
Die einzige Show, die Elvis Presley selbst produziert hat, sollte gleich erfolgreicher werden als die Mondlandung: Über eine Milliarde Menschen sahen weltweit am 14. Januar 1973 Aloha from Hawaii, live oder zeitversetzt. Sie machten das erste per Satellit weltweit ausgestrahlte Konzert, das in 40 Ländern über die Fernsehsender ausgestrahlt wurde, zu einem riesigen Erfolg und zu Presleys großem Comeback. Das Konzert im Neal Blaisdell Center sorgte für so viel Aufsehen, dass der Bürgermeister von Honolulu den „Elvis-Presley-Day“ am 13. Januar als hawaiianischen Feiertag ausrief. Das Elvis-Presley-Denkmal, das am 26.7.2007 in Honolulu enthüllt wurde, erinnert an den legendären Auftritt.
Live 8
(2010)
Make Poverty History – nicht weniger als die Armut der Welt zur Vergangenheit zu erklären, war Ziel des weltweit zeitgleich stattfindenden Live-8-Konzerts vom 2. Juli 2005. In zehn unterschiedlichen Orten der G8-Staaten und im südafrikanischen Johannesburg versammelten sich ungefähr 170 Musik-Gruppen, die auf ihre Gagen für das Konzert verzichteten - ganz nach dem Motto: We don’t want your money, we want your voice. Diesen Spruch verwendete Sir Bob Geldof in der Werbung für Live 8. Die Zuschauer wurden dazu aufgefordert selbst aktiv zu werden und Botschaften mit ihrer Kritik und ihren Forderungen an den G8 Gipfel zu senden. Angelehnt war Live 8 an das legendäre LiveAid Konzert von 1985, welches damals um Spenden für Afrika warb. Im Rahmen des vom 6. bis zum 8. Juli in Schottland stattfindenden G8-Gipfels sollten die Stimmen der Zuschauer an die G8-Akteure ausgehändigt werden. Ein erklärtes Ziel von Live8 war, der Dritten Welt die Schulden zu erlassen und mindestens 25 Milliarden Entwicklungshilfe freizumachen. Nach den Konzerten konnten tatsächlich über 24 Millionen „Stimmen gegen Armut“ an die Veranstalter des G8-Gipfels übergeben werden.
Als die amerikanische Rockband Matchbox Twenty im Jahr 2004 nach dem Start ihres Albums More Than You Think You Are auf Tour durch die Vereinigten Staaten gingen, beschlossen sie, der Tour einen Konzertfilm folgen zu lassen. Er wurde unter dem Titel SHOW: A NIGHT IN THE LIFE OF MATCHBOXTWENTY als Doppel-DVD veröffentlicht.
Das Phänomen Terrorismus ist regelmäßig Gegenstand aktueller Berichterstattung in den Nachrichten und tritt hierbei deutlich als von Medien abhängige aggressive Taktik in Erscheinung. Seit den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 hat es in verstärkter Form eine zentrale Rolle im öffentlichen Diskurs inne. Darüber hinaus stellt der Themenkomplex ein wiederkehrendes Motiv in den Unterhaltungsmedien dar. Diese nehmen Bezug auf zeitgeschichtliche Kontexte, welche oft in fiktionalisierter Form Ver- oder wenigstens Bearbeitung finden.
Der Rock‘n‘Roll-Film ist ein kleines Genre der Musikfilmgeschichte, das seine Blütezeit zwischen 1955 und 1965 erlebte. Es wird heute nicht nur als filmische Verarbeitung der Hochphase des jugendlichen Modetanzes Rock‘n‘Roll gewertet, sondern als allgemeinerer Ausdruck der Ablösung einer eigenständigen Jugendkultur aus einer umfassenden, alters- und generationenneutralen Gesamtkultur. Oft geht es um Probleme jugendlicher Dekultivierung, um aufkommende Gewalttätigkeit, Drogenabhängigkeit, Verdummung und gar Kriminalisierung der Jugend. Die Filme legen aber auch Zeugnis ab über eine neue, ekstatischere Unterhaltungskultur. Insbesondere die Tanzformen, die sich aus der formalen Organisiertheit der Gesellschaftstänze lösen und einem individuelleren, körpernahen, ja akrobatischen Ausdruckverhalten im Tanz Raum verschaffen, sind bis heute auffallend. (Es mag verwundern, dass Sexualität, die allen hier berichteten Filmen eine Rolle spielt, demgegenüber höchst konventionell behandelt wird.) Viele Erzählungen des kleinen Genres thematisieren die Krisenhaftigkeit dieser Prozesse unmittelbar und belegen, dass die rock‘n‘roll-tanzenden Jugendlichen der gesellschaftlichen Verantwortung nicht entzogen sind. Deutlich ist aber fast immer der Konflikt mit der Elterngeneration, seien es die Eltern selbst oder die Vertreter der kommunalen Kultur, die den Rock‘n‘Roll zu unterbinden suchen.
Murray Lerner
(2010)
Murray Lerner ist als einer der erfindungsreichsten Dokumentaristen der Musik bekannt geworden - insbesondere der Film über die China-Tournee des Violinisten Isaac Stern (FROM MAO TO MOZART: ISAAC STERN IN CHINA, 1981, der mit dem Oscar ausgezeichnet wurde) fand weltweite Aufmerksamkeit. Lerner war jedoch auch für eine ganze Reihe von Rockumentaries verantwortlich - ein interviewbasiertes Porträt der Rock-Gruppe The Who (AMAZING JOURNEY: THE STORY OF THE WHO, 2007) sowie die Filme, die aus dem Material entstanden, das Lerner auf dem von mehr als 600.000 Besuchern frequentierten Isle of Wight Festival im August 1970 gedreht hatte - der Festivalfilm MESSAGE TO LOVE: THE ISLE OF WIGHT FESTIVAL (1997) ebenso wie ein Film über den legendären Auftritt Miles Davis‘ (MILES ELECTRIC: A DIFFERENT KIND OF BLUE, 2004), die Dokumentation des Auftritts der Gruppe The Who (LISTENING TO YOU: THE WHO AT THE ISLE OF WIGHT, 1970/1996) oder von Jimi Hendrix‘ Performance auf dem gleichen Festival (JIMI HENDRIX AT THE ISLE OF WIGHT, 1991) sowie der Auftritte von The Moody Blues, Emerson, Lake & Palmer und Leonard Cohen.
Cracked Actor
(2010)
CRACKED ACTOR ist der bis heute bekannteste Beitrag zu der BBC-Dokumentarfilmreihe OMNIBUS, die von 1967 bis 2003 produziert und gesendet wurde. Der Film, der am 26.1.1975 erstmals ausgestrahlt wurde,zeichnet ein Porträt David Bowies, der auf dem Wege war, zu einem internationalen Star der Rockmusik zu werden. CRACKED ACTOR entstand im August 1974, als Bowie einige Zeit von dem BBC-Redakteur Alan Yentob auf seiner zweiten Diamond-Dogs-Tournee (seiner bereits vierten US-Tournee) durch die Vereinigten Staaten begleitet wurde, der dabei Bowies Arbeitsweise und die Konzeption der Bühnenshows auszuloten und seinen Inspirationsquellen auf die Spur zu kommen suchte.
Olmis Verfilmung ist mit Roths Text, mit dessen Schweben zwischen Glauben und Ironie durchaus kompatibel. Diese Feststellung wird im folgenden mit einer intermedialen Analyse belegt, die sich auf den Schluß von Vorlage und Verfilmung konzentriert, um Rauminszenierung als Phänomen von Diegesis und Mimesis zu untersuchen.
Die zentrale Figur des Films ist der Versicherungsvertreter Truman Burbank, der – ohne davon zu wissen – der Hauptdarsteller einer Fernsehserie ist, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Leben eines Menschen von Geburt an zu dokumentieren und live im Fernsehen zu präsentieren. Zu diesem Zweck hat Christof, der Produzent der Serie, Truman als Baby von seiner Firma adoptieren lassen und eigens Seahaven, eine von Wasser umgebene Küstenstadt unter einer riesigen Kuppel – dem OmniCam-Ecosphere-Gebäude – bauen lassen, eine Art 1950er Jahre Spießer-Idylle mit simuliertem Wetter, Sternenhimmel, Sonne und Mond. Die Kuppel befindet sich auf den aufgeschütteten Hollywood Hills, oberhalb des Hollywood-Schriftzuges. Hier wächst Truman auf, umgeben von Schauspielern, täglich beobachtet von über 5.000 Kameras. Finanziert wird die Truman Show, die 24 Stunden täglich live übertragen wird, hauptsächlich durch Product Placement.
In die folgende Liste sind Hinweise von Tom Knieper eingegangen. Einen Aufblick auf den kleinen Motivkreis gebe ich in meinem Artikel „Zwischen Empörung und Naivität. Auslandskorrespondenten im Film, die Globalisierung und die Dritte Welt.“ In: Festschrift für Karl Prümm. Hrsg. v. Andreas Kirchner, Astrid Pohl und Peter Riedel. Marburg: Schüren 2010 [i.V.].
Einen gegebenen Stoff erneut zu verfilmen, einen Erfolgsfilm zu verdoppeln, eine schon verfilmte Geschichte in anderem Milieu neu vorzustellen, sie zu variieren und sie auf die besonderen Gegebenheiten der dargestellten Welt hin anzupassen: Das ist Praxis des Films, wohl seit seinem Beginn. Daß immer die gleichen Stoffe den Anlaß boten zu immer neuen Versuchen, das Zeitgenössische oder das Ewig-Menschliche zu zeigen, zu präzisieren oder überhaupt erst zu finden, ist beileibe keine filmische Angelegenheit, sondern auch in der Literatur - und erst recht: in der Volksliteratur - gängige und bekannte Praxis. Man ziehe die verschiedenen Stoff- und Motivgeschichten zu Rate: Diese sind voller Hinweise auf Geschichten, die in immer neuen Annäherungen und Variationen erprobt wurden. Ein ‚Remake‘ ist, wollte man flapsig formulieren, ganz einfach eine Neuverfilmung eines schon verfilmten Stoffes. Bezugnahmen von Texten aufeinander gibt es viele - dazu rechnen u.a. Fortsetzungen, Parodien, Kompilationsfilme und lediglich im Titel auf ein Original anspielende Filme. Die Frage, was ein Remake ist, bleibt virulent: Wieviele stoffliche Ähnlichkeiten müssen zwei Filme aufweisen, daß man von einem ‚Remake‘ sprechen darf? Das texttheoretische Problem der sich Remake nennenden Ähnlichkeitsbeziehung von Filmen, die sich mehr oder weniger detailgetreu auf den Vorgänger beziehen und oft sogar denselben Titel tragen, ist unklar. Geht es um Ähnlichkeiten oder um die Beschreibung der Unterschiede im Gleichen - vieles spricht dafür, dass in einem historischen und in einem kulturwissenschaftlichen Interesse die Beschreibung der Differenzen wichtiger ist als die Feststellung der stofflichen, narrativen und dramatischen Nähe von zwei oder mehr Texten. In der Differenz manifestiert sich historischer Wandel und kulturelle Unterschiedlichkeit. In der Differenz manifestiert sich aber auch die Anpassungsleistung, weil nicht jede Neuadaption eines Stoffes das „Original“ nur ausbeutet, sondern es aktualisiert, neu ausrichtet, thematisch veränderte Akzente setzt.
Ausgehend von der These, dass insbesondere psychologisierende Filmmusik oft in einer changierenden Bedeutungsbeziehung zur Szene und den Figuren steht und dass das Akzeptieren von Musiken als Darstellung der inneren Realität von Figuren auf einem Prozess der Synthese diverser Kontextinformationen beruht, wird ein Modell der Perspektivität der Filmmusik und ihrer damit einhergehenden semantischen Aufladung vorgeschlagen und an einem Beispiel durchgespielt.