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Die Organisation SOS Children's Villages (im Folgenden: SOS) ist eine der größten und ältesten nicht-staatlichen, überkonfessionellen Kinderhilfsorganisationen der Welt. Heute sind mehrere Generationen in Einrichtungen der in 136 Ländern tätigen Organisation aufgewachsen oder haben von ihren Hilfsprogrammen profitiert. Seit der Gründung im Jahr 1949 liegt der Schwerpunkt auf "Kindern und Jugendlichen, die keine elterliche Fürsorge haben oder Gefahr laufen, diese zu verlieren". Trotz der langjährigen weltweiten Präsenz haben sich bisher nur wenige ethnologische Arbeiten mit der Organisation SOS, ihrem Modell und vor allem ihren Teilnehmern beschäftigt.
Die vorliegende Arbeit will diese Lücke schließen. Sie zeigt anhand exemplarischer, biographisch-narrativer Interviews und auf einer multi-sited ethnography basierenden Analysen, wie einzelne Akteure im SOS-Kontext ihrer Vergangenheit begegnen, wie sie Erfahrungen - aus der Zeit unter der Obhut von SOS, aber auch aus der Zeit davor - einordnen und wie diese ihre Gegenwart und auch Zukunft beeinflussen bzw. wie sie heute mit diesen Erinnerungen umgehen. Ziel dieser Arbeit ist es außerdem, am Beispiel von SOS als Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Bereich Kinder, Jugend und Familie zu untersuchen, wie sich EZ-Projekte auf das Leben, die Sichtweisen und Biografien verschiedener Akteure sowie auf bestimmte lokale Zusammenhänge auswirken und wie wiederum Handlungen und individuelle Einstellungen von Akteuren sowie bestimmte lokale Kontexte solche Projekte beeinflussen.
Hierfür habe ich über einen Zeitraum von elf Monaten zwischen Juni 2019 und Mai 2020 an vier Standorten der Organisation in Kenia und Tansania rund 150 Interviews mit verschiedenen Zielgruppen (mit SOS-Mitarbeitern, ehemaligen SOS-Teilnehmern, aktuellen SOS-Teilnehmern sowie Gemeindevertretern) geführt.
Die Studie liefert also Ergebnisse auf mehreren Ebenen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Akteure meiner Untersuchung ihrer Vergangenheit und den Erinnerungen daran im Erwachsenenalter durch Aneignungsprozesse begegnen, die es ihnen ermöglichen, diese Erinnerungen und Erfahrungen kohärent in ihre eigene Biografie einzuordnen. Dieser Umgang mit der eigenen Geschichte ermöglicht es den ehemaligen SOS-Teilnehmern, sich die Struktur, die ihrer Kindheit zugrunde lag, nämlich die der internationalen Hilfsorganisation SOS, anzueignen und darüber Handlungen und Verhaltensweisen auch in ihrer Gegenwart und Zukunft zu definieren und zu legitimieren, und SOS als Zentrum ihrer Kindheit auch im Erwachsenenalter auf unterschiedliche Weise in Besitz zu nehmen. Dabei erfüllen sie nicht immer die Erwartungen, die von organisatorischer Seite an ihr Verhalten oder ihre Interpretation von Organisationskonzepten und -prinzipien gestellt werden. Da durch das Organisationsmodell evozierte Probleme wie fehlende Zugehörigkeiten oder Schwierigkeiten beim Übergang in die Selbstständigkeit durch lebensweltliche Diskrepanzen im Vergleich zu lokalen Kontexten über die Lebenswege und Erfahrungen der (ehemaligen) Teilnehmer sichtbar werden, schreibe ich nicht zuletzt den Teilnehmern und ihrem Umgang mit diesen Erfahrungen einen Anteil an den Transformationsprozessen zu, in denen sich die Organisation aktuell befindet.
Die Paulinenpflege Winnenden e.V. wurde 1823 gegründet als Rettungshaus für verwahrloste Kinder. Bald wurde daraus eine Doppelanstalt einerseits für Kinder, die aus sozialen Gründen nicht zuhause leben konnten, andererseits für hör- und sprachbehinderte Kinder. Zum 200-jährigen Jubiläum im Jahr 2023 erscheint dieses wissenschaftliche Werk. Dieses Werk erscheint zusätzlich in weitgehend identischer Weise als Buch.
• Zahlen und Maßsysteme sind bereits aus dem antiken Ägypten und aus Mesopotamien belegt. Im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung haben sich mit der hierarchisierten Gesellschaft auch Zahl- und Schriftzeichen entwickelt. Sie dienten vor allem der Zuteilung von Ressourcen.
• Die 13 Bücher der »Elemente« von Euklid (3. Jahrhundert vor unserer Zeit) sind die früheste erhaltene axiomatisch-deduktiv aufgebaute Sammlung mathematischen Wissens. Die Begeisterung für dieses Werk hielt über Jahrhunderte an.
• Die Ordnung von Beobachtungen durch die mathematische Erfassung und Auswertung von Daten ist in Wissenschaft und Alltag selbstverständlich. Mathematische Techniken der Statistik und Kartierung halfen Dr. John Snow im 19. Jahrhundert, die Ausbreitung der Cholera zu erforschen und zu bekämpfen.
• Trotzdem stößt die Mathematik bei der Schaffung von Ordnungen auch an Grenzen: Denn es gibt weder eine Garantie noch eine Anleitung für deren bestmögliche Nutzung. Dies zeigen nicht zuletzt Krisen wie die Coronapandemie oder die Klimakrise.
Professor Dr. Karl-Otto Apel, Emeritus für Philosophie an der Goethe-Universität, ist am 15. Mai 2017 im Alter von 95 Jahren an seinem Wohnort in Niedernhausen im Taunus gestorben. Er war einer der wichtigsten Philosophen seiner Zeit und hat die Philosophie in Deutschland und weit darüber hinaus nachhaltig geprägt.
Erasmus, christlicher Humanismus und Spiritualität in Spanien und Neu-Spanien (16. Jahrhundert)
(2020)
Schriften des Erasmus von Rotterdam (1466/69–1536) entfalteten während des 16. Jahrhunderts eine große Wirkung in Spanien. Auf Grundlage der klassischen wie der jüngeren Historiographie widmet sich der Aufsatz diesem religions- und kulturgeschichtlichen Phänomen – mit Seitenblicken auf Luther – in vier Teilen: Nach einer Skizze zu Leben und Werk des christlichen Humanisten behandelt der zweite Teil den Erasmianismus in Spanien von seiner Erfolgsgeschichte in den 1520er Jahren (etwa bei Hof, an den Universitäten und in Übersetzungen) bis zur Verfolgung seiner Anhänger seit den 1530er Jahren durch die Inquisition. Drittens werden neuere Forschungstendenzen diskutiert, die das klassische, von Marcel Bataillon geprägte Bild korrigieren und weiterentwickeln, auch im Hinblick auf das ambivalente Verhältnis von Scholastik und Humanismus. Der letzte Teil widmet sich dem Einfluss des Erasmus in Neuspanien (Mexiko) am Beispiel von (Erz-) Bischöfen und Mönchen sowie von frühkolonialen Fallstudien.
Kola nut (Cola cf. nitida) and Safou fruit (Dacryodes edulis) remains have been discovered in eleventh- to fourteenth-century archaeological contexts at Togu Missiri near Ségou in Mali. These remains are evidence of early trade in perishable foodstuffs from the West African forest zone into the Middle Niger region. On the basis of these finds, this paper argues that long-distance trade links were well established by the end of the first millennium AD. It thereby supports the hypothesis that dates the inception of trade between the West African forest zone and the savanna regions to the first millennium AD. The circumstances of the find are discussed, as are the implications for our understanding of the wider exchange network based on the Niger River system in the late first and early second millennium CE.
A vast range of our everyday experiences seem to involve an immediate consciousness of value. We hear the rudeness of someone making offensive comments. In seeing someone risking her life to save another, we recognize her bravery. When we witness a person shouting at an innocent child, we feel the unfairness of this action. If, in learning of a close friend’s success, envy arises in us, we experience our own emotional response as wrong. How are these values apprehended? The three most common answers provided by contemporary philosophy explain the consciousness of value in terms of judgment, emotion, or perception. An alternative view endorsed mainly by authors inspired by the phenomenological tradition argues that values are apprehended by an intentional feeling. In this model, it is by virtue of a feeling that objects are presented as being in different degrees and nuances fair or unfair, boring or funny, good or bad. This paper offers an account of this model of feeling and its basic features, and defends it over alternative models. To this end, the paper discusses different versions of the model circulating in current research which until now have developed in parallel rather than in mutual exchange. The paper also applies the proposed account to the moral domain and examines how a feeling of values is presupposed by several moral experiences.
Die Frage der Frauenrechte in Afghanistan diente nach dem Sturz des Taliban-Regimes als Legitimation für das militärische und entwicklungspolitische Engagement der internationalen Gemeinschaft. Jedoch existieren bis heute nur wenige empirische Arbeiten, die Aufschluss über Lebenslagen afghanischer Frauen geben und Interventionen lokaler Akteur*innen untersuchen, die diese adressieren. Die vorliegende Dissertation, die in der feministischen Ethnologie und in der Ethnologie der Menschenrechte verortet ist, trägt dazu bei, diese Forschungslücken zu schließen.
Die Daten wurden in mehrmonatigen teilnehmenden Beobachtungen in zwei afghanischen Frauenrechts-NGOs und einem Frauenrechtsnetzwerk erhoben, ergänzt von 38 Interviews. Vier Interventionsformen gegen Gewalt an Frauen werden analysiert: Neben Frauenselbsthilfegruppen und Frauenhäusern sind dies Interaktionen mit religiösen und anderen Machtakteuren. Nach Merry (2006) werden die Interventionen als Aushandlungs- und Übersetzungsprozesse divergierender Vorstellungen über Geschlechternormen und soziale Praktiken innerhalb des afghanischen Normenpluralismus konzeptualisiert.
Die Studie liefert Ergebnisse auf mehreren Ebenen. Erstens werden sowohl spezifische Bedingungen für die Wirksamkeit der untersuchten Interventionsformen herausgearbeitet als auch ihre jeweiligen Begrenzungen, welche in den vorherrschenden Machtdynamiken begründet sind. Deutlich wird zweitens der Nutzen der universalen Menschenrechte als Bezugs- und Legitimationsrahmen für die Aktivist*innen, wobei sich gleichermaßen zeigt, wo sich der Bezug auf Menschenrechte als problematisch erweist. Um Rückschlüsse für zukünftige Interventionen von Frauenrechts-NGOs auch über den afghanischen Kontext hinaus ziehen zu können, wird drittens eine Erweiterung des Theorie-Praxis-Modells nach Merry (2006) vorgeschlagen, welche die Kontextualisierung in Machtverhältnisse miteinbezieht, sowie Begrenzungen als Indikatoren für Aushandlungsspielräume postuliert.
Development economists have suggested that the hopes of the poor are a relevant factor in overcoming poverty. I argue that Kant’s approach to hope provides an important complement to the economists’ perspective. A Kantian account of hope emphasizes the need for the rationality of hope and thereby guards against problematic aspects of the economists’ discourse on hope. Section 1 introduces recent work on hope in development economics. Section 2 clarifies Kant’s question “What may I hope?” and presents the outlines of his answer. Crucially, hope is rational if it is rational to trust in the structures of reality on which the realization of one’s hope depends. Section 3 argues that central tenets of Kant’s account of what makes hope rational can be applied to the context of poverty. It becomes apparent that the poor often have good reason to be hopeless since they may not trust fundamental structures that are necessary for realizing their hope. Thus, the insight that the poor need more hope must go hand in hand with a commitment to establishing trustworthy political structures, such that their hope can be rational. Section 4 highlights the relevance of the secular highest good for a better understanding of the justification and scope of our duties to the poor in a Kantian framework.
Drawing on insights found in both philosophy and psychology, this paper offers an analysis of hate and distinguishes between its main types. I argue that hate is a sentiment, i.e., a form to regard the other as evil which on certain occasions can be acutely felt. On the basis of this definition, I develop a typology which, unlike the main typologies in philosophy and psychology, does not explain hate in terms of patterns of other affective states. By examining the developmental history and intentional structure of hate, I obtain two variables: the replaceability/irreplaceability of the target and the determinacy/indeterminacy of the focus of concern. The combination of these variables generates the four-types model of hate, according to which hate comes in the following kinds: normative, ideological, retributive, and malicious.
Drawing on insights found in both philosophy and psychology, this paper offers an analysis of hate and distinguishes between its main types. I argue that hate is a sentiment, i.e., a form to regard the other as evil which on certain occasions can be acutely felt. On the basis of this definition, I develop a typology which, unlike the main typologies in philosophy and psychology, does not explain hate in terms of patterns of other affective states. By examining the developmental history and intentional structure of hate, I obtain two variables: the replaceability/irreplaceability of the target and the determinacy/indeterminacy of the focus of concern. The combination of these variables generates the four-types model of hate, according to which hate comes in the following kinds: normative, ideological, retributive, and malicious.